Die geheiligten Blätter der Bibel mit den göttlich eingegebenen Psalmisten-, Prophetenund Apostelworten lehren die Notwendigkeit der Heiligkeit. Von jedem Standpunkte aus ergeht der Ruf an das menschliche Bewußtsein. Das unmittelbare Gebot Gottes und der beständige innere Trieb, diese Eigenschaft zu beweisen, die Tatsache, daß sie häufig als schön und wünschenswert dargestellt wird, die Betonung, daß es für den menschlichen Fortschritt notwendig ist, nach ihr zu trachten, und das schließliche Dartun ihres vollkommenen Erlangens und Erkennens in der Offenbarung des Johannes,— dies alles hat dazu beigetragen, das Denken der Menschen auf das gottähnliche Wesen der Heiligkeit und die gebieterische Notwendigkeit der Widerspiegelung dieser Eigenschaft des göttlichen Gemüts durch alle Menschen hinzulenken.
Trotz des wiederholten Gebots, heilig zu sein, und seines Anspruchs auf gehorsames Anerkennen der Menschen scheint es von Religionslehrern als zu übersinnlich, um wörtlich genommen werden zu können, allzuoft übergangen worden zu sein. Erst als Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, mit ihrem klaren Verständnis der wahren Bedeutung der Bibel erklärte, daß Heiligkeit göttliche Vollständigkeit bedeute, erkannten die Schüler der Christlichen Wissenschaft, daß sie danach trachten müssen, sie in ihrer Vollständigkeit zu beweisen.
Als Mose den Israeliten die Gebote Gottes verkündigte, wiederholte er der ganzen Gemeinde Israel immer wieder die Worte: „Ihr sollt heilig sein; denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott”. Der Apostel Petrus lenkt in der Erläuterung seiner Lehre in seinem ersten Briefe die Aufmerksamkeit der zum Christentum Bekehrten auf dieses geschriebene Gesetz Gottes hin, und Christus Jesus gebraucht in der Bergpredigt Worte von ähnlicher Bedeutung, wenn er sagt: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist”. Paulus erhebt in einer seiner klar gefaßten Ausführungen das Denken seiner Leser in Rom zu dem Verständnis des Unterschieds zwischen menschlichem Gesetz und dem heiligen Gesetz Gottes und erwähnt später in demselben Briefe einen heiligen Leib als notwendiges Opfer derer, die Gott recht dienen wollen.
So finden wir durch die ganze Bibel hindurch, daß „die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist”. Durch den wunderbaren Einblick des Johannes in die geistige Wirklichkeit finden wir mit zündenden Worten und in lebendigen Farben die Heiligkeit Gottes des Allmächtigen und die beständige Anbetung geschildert, wozu diese Eigenschaft antreibt. Der Apostel beschreibt das auf die Überwinder der Sünde und des Todes widergespiegelte Licht und die glorreiche Schönheit „der großen Stadt, des heiligen Jerusalem”, die er sah „herniederfahren aus dem Himmel von Gott”. Unsere Führerin gibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 592) folgende metaphysische Auslegung des „neuen Jerusalem”: „Die göttliche Wissenschaft; die geistigen Tatsachen und die geistige Harmonie des Universums; das Himmelreich oder die Herrschaft der Harmonie”.
Christus Jesus setzte in seiner Lehre vom geistigen Wesen der durch den himmlischen Vater geforderten Anbetung sowohl die feierlichen Bräuche und Handlungen der Pharisäer als auch das rein gewohnheitsmäßige Halten des Sabbats beiseite. Wir lesen, daß er an diesem Tage in den Schulen zu lesen und zu predigen pflegte; er heilte aber auch die Kranken und lehrte, daß Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und liebevolle Güte die wahren Heiligungsmittel seien. Als das Christentum sich von der jüdischen Gottesgelehrtheit trennte, versammelten sich die Christen am ersten Wochentage, der dem Andenken an die Auferstehung Christi Jesu geweiht und heilig gehalten wurde. Die Christlichen Wissenschafter sind mit der erhebenden Hilfe der von Mrs. Eddy ins Leben gerufenen Lektionspredigt im christlich-wissenschaftlichen Vierteljahrsheft bestrebt, den Sonntag als Gelegenheit anzusehen, sich zu einem höheren und heiligeren Bewußtsein zu erheben, wissend, daß der Tag nur dadurch heilig gehalten wird, daß man jeden Gedanken, jedes Wort und jede Tat unter die Gefangenschaft Christi bringt.
Als Jesus von Nazareth, der große Wegweiser, seine Botschaft der Liebe und des Heils allen denen brachte, die sich vom materiellen zum geistigen Zustande des Menschen wenden wollten, ließ er seine Zuhörer nie glauben, daß der Weg bequem sei. Immer wieder ermahnte er sie, daß sie Gott von ganzem Herzen dienen müssen, daß dieser Dienst über jeder Rücksichtnahme auf die Gunst der Welt und über aller Furcht vor dem Haß der Welt gegen die Vertreter der Wahrheit und der Liebe stehen müsse. Dennoch sagte er zu ihnen, daß diejenigen, die alles um des Dienstes Gottes willen verlassen, ihren Lohn sogar in diesem Leben empfangen, und daß sie ernten würden, was sie säen. Die Christliche Wissenschaft wiederholt das Gebot ernsten Strebens nach Heiligkeit, Vollständigkeit, rechtem Denken und rechten Beweggründen; doch „wir können”, wie unsere Führerin sich ausdrückt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 15), „Heiligkeit nicht empfangen, wenn wir für Heiligkeit nicht geschickt sind”.
Die Notwendigkeit der Heiligkeit drängt sich dem Denken des christlich-wissenschaftlichen Kirchenmitglieds am stärksten beim Kirchenbau auf. In dem Augenblicke, wo sich einige Schüler der Christlichen Wissenschaft in der Absicht vereinigen, einen Gottesdienst nach den im Handbuch Der Mutter-Kirche von Mary Baker Eddy gegebenen Anweisungen einzurichten, hat der Bau einer neuen Zweig-Kirche begonnen. Der Bau wird sich dem menschlichen Bewußtsein so entfalten, wie jedes Mitglied der organisierenden Gruppe und diejenigen, die sich dem Werke selbstloser Liebe anschließen, sich standhaft und eifrig zeigen und von ganzem Herzen dienen. Viele Jahre können mit der mühevollen doch wünschenswerten Aufgabe der Ausführung dieses heiligen Zwecks verfließen. Das allgemeine Entfalten muß auf der sicheren Grundlage unbedingten Gehorsams gegen die Lehren der Christlichen Wissenschaft, wie sie in ihren Lehrbüchern, der Bibel, Wissenschaft und Gesundheit und den anderen Schriften der Mrs. Eddy, enthalten sind, und in Übereinstimmung mit den Regeln und Satzungen des Kirchenhandbuchs beginnen. Es wird notwendig sein, viel nutzloses Denken in jedem einzelnen Bewußtsein abzulegen und geduldig nach dem, was fehlt, zu trachten. Einheit des Zwecks, selbstloses Zusammenarbeiten und standhaftes Vollbringen im Heilen und in der Erneuerung bedeuten, daß die Glieder „zusammengefügt” werden, und daß der Bau sich in gewissem Maße „in heiligem Schmuck” erheben wird.
Das christlich-wissenschaftliche Verständnis des vernünftigen Dienstes durch Beweisen der Vollständigkeit lehrt uns, daß Gesundheit auch als Teil unseres Dienstes für Gott erstrebt werden soll. Mrs. Eddy nennt in ihren Schriften beständig Gesundheit und Heiligkeit zusammen und weist auf die allgemeine Notwendigkeit beider hin, zeigt jedoch, daß sie nur durch Gehorsam gegen Gottes Gesetz erlangt werden können. Werden wir sogar als ernste Schüler der Christlichen Wissenschaft nicht oft versucht, geringere Mißklänge, mögen sie sittlicher oder körperlicher Art sein, gleichgültig zu übergehen, wenn sie uns nicht besondere Sorge oder Unannehmlichkeit bereiten, indem wir denken, es sei unnötig, darüber zu arbeiten? Sogar bei einer ernsteren Disharmonie, an die wir uns vielleicht so gewöhnt haben, daß sie ein Teil unseres Selbst zu sein scheint, können wir manchmal entdecken, daß Denkträgheit uns hindert, uns durch ehrliches Suchen nach Wahrheitsheilung für diesen langwierigen Anspruch irgend eines lang anhaltenden Mesmerismus beharrlich an Gott zu wenden. Wiederum gibt es andere, die glauben, die Arbeit des Befreiens ihres Denkens von nicht geheilten Krankheiten sei für sie zu schwer, oder die über einige der Disharmonien, denen sie unterworfen sind, in dieser Weise denken. Doch dies heißt, das Gebot des Trachtens nach Heiligkeit, nach Vollständigkeit, vergessen. Wir haben aber folgende ermutigenden Worte unserer geliebten Führerin: „Es ist möglich, ja es ist die Pflicht und das Vorrecht eines jeden Kindes, Mannes und Weibes, dem Beispiel des Meisters durch die Demonstration der Wahrheit und des Lebens, der Gesundheit und der Heiligkeit, in einem gewissen Grade zu folgen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 37). Diese Ermahnung zum Trachten nach Vollständigkeit ist ein Ansporn, getreu weiterzuarbeiten, ohne zu denken, wir seien schon am Ziel, doch immer zu trachten, es zu erlangen, wissend, daß Gott „in uns wirket”, und daß wir daher schließlich „ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi”.
