In der ganzen Weltgeschichte finden wir, daß die Menschen immer von dem tiefen Verlangen, ihren Mitmenschen zu helfen, beseelt gewesen sind. Männer und Frauen aller Zeiten und aller Zonen haben dieses Verlangen zum Ausdruck gebracht, und viele schöne Geschichten, wahre und erdichtete, zeigen, daß der in allem im sterblichen Dasein je erfahrenen Glück herrschende Umstand durch Lieben gewonnen wird. Die von einer rein menschlichen Auffassung der Dinge bekundete Liebe ist jedoch nicht frei von Selbstsucht und kann sich leicht ändern. Die Liebe aber, die von Gott ist, ist die einzige unveränderliche, selbstlose Liebe, die Liebe, die geistig und ewig ist, und die Gottes Allmacht widerspiegelt.
Jesus verstand diese Liebe und brachte sie zum Ausdruck, und durch sie löste er alle Fragen, die während seiner Erdenmission an ihn herantraten. In dem Maße, wie die Menschen des Menschen Einssein mit Gott, der den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis schuf, erkennen, löst die Liebe auch heute alle Fragen. Jesus erkannte nicht nur für sich sondern auch für alle, mit denen er in Berührung kam, die Einheit Gottes und des Menschen.
Johannes, der geliebte Jünger, war während der Zeit seiner engen Freundschaft mit dem Meisterchristen Zeuge der Ergebnisse der von Jesus zum Ausdruck gebrachten Kraft der göttlichen Liebe auf die leidende und sündige Menschheit,— der Ergebnisse, die allen denen, die mit jener Kraft bewußt in Berührung kamen, Frieden, Freude, Glück und Freiheit brachten. Ohne Zweifel dachte er hieran, als er in seinem ersten Briefe schrieb: „Meine Kindlein, lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit”.
Jesus liebte „mit der Tat und mit der Wahrheit”. Er liebte „mit der Wahrheit”; denn er liebte in Übereinstimmung mit Gott, der die Wahrheit, das Leben und die Liebe ist; und seine Taten waren die Folge dieses geistigen Verständnisses von seinem Vater. Wenn er sich einem Krankheitsfalle gegenübergestellt sah, nahm er trotz seines erbarmungsvollen Beachtens der menschlichen Not nicht die falsche Annahme von einem kranken, leidenden Sterblichen in sein Bewußtsein auf, einem Sterblichen, den Gott nicht einmal kennt geschweige denn erschuf, da alles, was Er machte, gut ist; sondern er beherbergte nur die wahre Idee Mensch im Bewußtsein, den Menschen, den Gott rein und vollkommen erschuf. Bewußt weilte er immer im Reiche der Liebe, im Reiche des Vaters, und in diesem Reiche fand er stets die wahre Idee Mensch bei sich. Was den materiellen Sinnen als Wunder erschien, war nur die Offenbarung Gottes durch den Menschen. In welcher Form ihm auch das Böse entgegentreten mochte, er verfuhr stets in derselben Weise. Sünde, Krankheit, Tod, Mangel, Sturm, Gewitter, alle diese Erscheinungen lösten sich wie Schnee in der Sonne in ihr ursprüngliches Nichts auf, da sie nicht zur Schöpfung Gottes gehören. Die Widerspiegelung der göttlichen Liebe war das einzige Lösungsmittel, das er je anwandte, und die göttliche Liebe ist heute so mächtig wie damals; denn sie ist unendlich.
In dem Verlangen, den Menschen zu helfen, wandelte Christus Jesus, der Wegweiser, den Weg wahrer Hingebung, und Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, weist diesen Weg von neuem. Liebevoll und geduldig erklärte sie in ihren Schriften, wie wir wie Jesus lieben können. Keiner seiner Jünger liebte ihn mehr als sie. Auf Seite 18 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie: „Jesus von Nazareth lehrte und demonstrierte des Menschen Einssein mit dem Vater, und dafür schulden wir ihm endlose Ehrfurcht”.
Gott als die göttliche Liebe so vollständig geistig verstehen, wie Jesus es tat, mag wohl als sehr hohes erstrebenswertes Ziel erscheinen; doch schon ein durch das Studium der Christlichen Wissenschaft gewonnenes geringes Verständnis bringt uns auf den rechten Weg, und befähigt uns, anzufangen, dieses Einssein mit dem Vater zu beweisen und wie Jesus die wahre Idee Mensch auszudrücken. Indem wir wie Jesus lieben lernen, können wir mit zärtlichem Erbarmen gegen alle, mit freundlichem Zunicken hier, mit fröhlichem Lächeln dort, mit einem Trostwort für diesen, einem freundlichen Gruß für jenen, vorwärtsschreiten,— können wir beginnen, „mit der Tat und mit der Wahrheit” zu lieben.
Wenn wir anfangen zu verstehen, daß alle Kinder Gottes liebende und von Ihm geliebte Ideen der Liebe sind, beginnen wir zu erkennen, daß wir jetzt in dem guten Reiche des Vaters leben,— daß wir in Wirklichkeit nie außerhalb dieses Reiches lebten; und fast schon ehe wir uns dessen bewußt sind, entfaltet sich in unserem Bewußtsein die herrliche Unendlichkeit der göttlichen Liebe, und als Folge hievon tut sie sich in einem glücklicheren, gesünderen, freieren Leben kund. Überdies finden wir, daß es in diesem Reiche keinen Klassenunterschied gibt, daß keiner liebevoller oder weniger liebevoll als der andere ist, daß alle Bewohner dieses Reichs Gottes Kinder sind, daß nur die Liebe regiert, daß alle nur den Tribut der Liebe „mit der Tat und mit der Wahrheit” zu leisten haben.
Das Verständnis dieses geistigen Reiches, selbst in geringem Grade, beweist die heilende und erneuernde Kraft der göttlichen Liebe, die allen Irrtum, wie unlösbar er auch scheinen möge, auflöst. Mit diesem Verständnis kann man furchtlos ausgehen, seinen Mitmenschen dadurch zu helfen, daß man das Böse der Welt vermindert. Wenn man in dieser Weise liebt, beginnt man zu erkennen, daß „die Substanz aller Frömmigkeit”, wie Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit (S. 241) sagt, „die Widerspiegelung und Demonstration der göttlichen Liebe ist, welche Krankheit heilt und Sünde zerstört”.
Bemerkung.— Die Ankündigung der Vorträge über die Christliche Wissenschaft befindet sich auf der vorderen Innenseite des Umschlags.
