Die Christliche Wissenschaft erklärt ausdrücklich, daß Ursächlichkeit im Denken liegt, d. h. daß Gott, das Gemüt, die einzige Ursache und der einzige Schöpfer alles Bestehenden, aller Wirklichkeit, ist. Ebenso macht Mrs. Eddy klar, daß in dem mutmaßlichen Reiche der Materialität scheinbare Ursächlichkeit auch im Denken liegt, daß sie aus dem sterblichen Glauben hervorgeht. So sind uns die grundlegende Tatsache, daß Gott die einzige Ursache und der einzige Schöpfer ist, und die Annahme, daß das sogenannte sterbliche Gemüt oder der materielle Glaube auch eine Ursache sei, klar dargelegt.
Bei der Zerstörung des Irrtums ist sich der christlich-wissenschaftliche Praktiker dieser beiden Erklärungen völlig bewußt. Der allgemein angenommene Glaube, Krankheit habe eine materielle Ursache, wird in der christlichen Metaphysik durch die Erkenntnis, daß Ursächlichkeit im Denken liegt, aufgehoben. Daher wird beim Behandeln von Krankheitsannahmen, in welcher Form sie auch immer in Erscheinung treten mögen, nie übersehen, daß die Scheinursache vollständig im Denken liegt. Auf Seite 411 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” macht Mrs. Eddy folgende überaus bedeutsame Erklärung: „Alles, was im sterblichen Gemüt als physischer Zustand gehegt wird, bildet sich am Körper ab”. Da die gehegten Annahmen des sterblichen Gemüts die unharmonischen Zustände, Siechtum und Krankheit genannt, verursachen, so wird eine Heilung dadurch vollbracht, daß diese irrigen Annahmen berichtigt werden. Der Praktiker behandelt körperliche Zustände vollständig als solche des Denkens, d.h. er „vergedanklicht” sie, löst sie in Gedanken auf. Er behandelt die Annahme, nicht deren in Erscheinung getretene Kundwerdung, die ein materieller Leib zu sein beansprucht. Er zerstört die Scheinursache dadurch, daß er ihr Urbild bloßlegt und den Scheinwerfer der Wahrheit darauf richtet, die jeden Schatten von Materialität vertreibt.
Der Vorgang ist dem einer Lichtspielvorführung ähnlich. Ist das Bild auf der Leinwand widerlich, empörend und unschön, so wird es nicht dadurch verbessert, daß man an der Leinwand etwas ändert, sondern dadurch, daß man den Film, der das Bild erzeugt hat, in der Laterne wechselt. Wenn die geistige Wahrheit die falsche Annahme verdrängt, wird der Gedanke berichtigt, und die äußere Kundwerdung wird harmonisch. Dieses erfreuliche Ergebnis ist nicht die Folge einer Behandlung des sogenannten körperlichen Leibes durch das Denken, nicht die Folge dessen, daß er als etwas, was zu heilen ist, im Denken festgehalten wird, sondern vielmehr dessen, daß der vollkommene Mensch gesehen wird, der Mensch, der nie geringer als vollkommen war, auch nie geringer als vollkommen sein kann. Dadurch verliert man jeden Sinn von einem sogenannten körperlichen Menschen. Das geistige Verständnis, das den Menschen als ewig und vollkommen offenbart, zerstört allen Glauben an den Menschen als unharmonisch und krankhaft. Die Wahrheit über den Menschen verdrängt den irrigen Begriff, und der Mensch als die vollkommene Widerspiegelung Gottes kommt zum Vorschein.
Auf der schon erwähnten Seite in Wissenschaft und Gesundheit erklärt Mrs. Eddy auch: „Die bewirkende Ursache und Grundlage aller Krankheit ist Furcht, Unwissenheit oder Sünde. Krankheit wird immer durch einen falschen Begriff herbeigeführt, der mental beherbergt statt zerstört wird. Krankheit ist ein verkörpertes Gedankenbild”. Die Ursachen der Krankheit, „Furcht, Unwissenheit oder Sünde”, sind einzig und allein Bewußtseinszustände, die zu berichtigen sind. Furcht, die immer dem Glauben entspringt, daß das Böse wirklich sei, ist durch die gewisse Erkenntnis dessen zu überwinden, daß das Böse, das mutmaßliche Gegenteil des Guten, keine Wohnstätte, keine Wesenheit, hat, da Gott das unendlich Gute ist. Im Hinblick hierauf sind die Worte des Psalmisten: „Es wird die kein Übel begenen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen”, wenn wir beständig im göttlichen Bewußtsein, „unter dem Schirm des Höchsten”, bleiben, ganz und gar wissenschaftlich. Wir können mit Paulus wissen, daß Gott dem Menschen nie „den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht” gibt, und daß, da Gott alles machte, Furcht keine tatsächliche Grundlage hat.
In derselben Weise wird, wenn das Licht der geistigen Wahrheit das Bewußtsein durchdringt, Unwissenheit überwunden und dadurch als erzeugende Krankheitsursache ausgeschlossen. Unwissenheit ist ein verneinender Zustand, der verschwindet, wenn das Verständnis dämmert. Sie hört auf, beim Verursachen scheinbarer Widerwärtigkeit mitzuwirken, wenn sie durch die göttliche Idee, die Wahrheit über Gott und den Menschen, verdrängt wird. Paulus erkannte, daß Gott, der in früheren Zeiten die tiefe Unwissenheit der Menschen „übersehen” hat, „nun allen Menschen an allen Enden gebietet, Buße zu tun”. Die Buße stellt sich ein, wenn Christus, die Wahrheit, die Unwissenheit falschen Glaubens verdrängt. Dann wird Finsternis durch das göttliche Licht vertrieben.
Auch Sünde als Krankheitsursache ist ein Zustand des Denkens. Sie entspringt dem irrigen Glauben, daß das Frönen sündiger Gewohnheiten, die einem selbst oder einem andern Schaden zufügen, Vergnügen und Nutzen bereite. Sünde behauptet sich dort, wo man geistige Wahrheit nicht beachtet; daher ist auch sie ein verneinender Zustand. Mrs. Eddy gibt auf Seite 373 in Wissenschaft und Gesundheit über beide Ansprüche folgende bestimmte Erklärung: „Die Furcht, die durch Unwissenheit veranlaßt wird, kann geheilt werden; um aber die Wirkungen der durch die Sünde erzeugten Furcht zu entfernen, mußt du dich über Furcht, wie über Sünde erheben”. Hier sind Furcht, Unwissenheit und Sünde wiederum als die Scheinursachen der Krankheit zusammen erwähnt, und das Heilmittel ist vorgezeichnet, nämlich: sich über Furcht und Sünde erheben. Das Erlangen des rechten Verständnisses Gottes und des Menschen, das das Bewußtsein vergeistigt, zerstört jeden falschen Glauben, indem es ihn beseitigt.
Wie gewiß es also doch ist, daß das Heilen ganz und gar ein Vorgang des Denkens ist! Die rechte Denkweise nimmt nur von Gedankenzuständen, von irrigen Annahmen, nicht von deren scheinbarer Verkörperung in der Annahme eines kranken Leibes Kenntnis. In dem Maße, wie wir uns geistig in das Reich des Gemüts erheben, verschwinden die Urbilder des Irrtums, Unwissenheit, Furcht und Sünde genannt, und der Mensch erscheint so, wie Gott ihn sieht, als ewig, vollkommen und harmonisch.
