Die Offenbarungen der Christlichen Wissenschaft haben viele der früheren falschen Ansichten der Menschen so vollständig umgekehrt, daß das Denken des Schülers oft eine stille aber gründliche Umwandlung erfährt, ohne daß er sich dessen sofort bewußt wird. Werden dann sein treuer Glaube an die Gesetze des göttlichen Prinzips und seine Erkenntnis dieser Gesetze einmal auf die Probe gestellt, so entdeckt er plötzlich, daß er mit solcher Macht zum irrenden Sinn spricht, daß geistige Heilung schnell und unfehlbar eintritt. Erst wenn er bei diesem Pniel angelangt ist, erkennt er die stetig aufwärtsführende Richtung des Pfades, den er schon so lange Zeit Schritt für Schritt in treuem Glauben gegangen ist. Im Lichte wissenschaftlichen Beweises überblickt er freudig jeden scheinbar kleinen, doch wichtigen Schritt in seinem stetigen Aufstiege. Durch die Gewißheit, daß er gerecht gehandelt hat, bereichert, nimmt er seine Wanderung wieder auf und setzt sie fort, in jeder Einzelheit dem Lichte seiner Führung folgend, geistig gestärkt, neuen Hindernissen auf dem Pfade entgegenzutreten und sie zu meistern. Ein guter Freund mag sagen: Er hat so viel auszuarbeiten! Der weise und vertrauenswürdige Wanderer aber erwidert: Ich habe so viel, womit ich es ausarbeiten, so viel Verständnis, womit ich den Irrtum besiegen kann.
Welcher gereiste Schüler der Christlichen Wissenschaft hat nicht mit Ehrfurcht und Dankbarkeit auf seine ersten Erfolge im Beweisen dieser Wissenschaft zurückgeblickt? Sollte aber auf seiner Wanderung himmelwärts je eine Zeit eintreten, wo sein Mut versucht wird, zu wanken, sein Glaube versucht wird, blind umherzutasten, und Selbstbedauern beansprucht, einen anscheinend verzögerten Beweis in Frage zu stellen, so können ihm diese Vorausund Rückblicke auf das Gesamtbild seiner gerechten Tätigkeit als neuer Ansporn dienen und sich ihm von neuem nützlich erweisen. Was ist aus jenem ersten Hunger nach geistigem Verständnis geworden, jenem unablässigen eifrigen Trachten nach der „köstlichen Perle”, die in der Bibel und in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy enthalten ist? Erfreut sich sein gegenwärtiges tägliches Lesen noch so sehr, ist es noch so sehr in Erwartung der göttlichen Offenbarung? Oder hat er es zu einer bloßen oberflächlichen Gewohnhiet werden lassen, zu einer täglichen Obliegenheit, die in dem gleichgültigen und halb abergläubischen Denken an eigenen Fortschritt erfüllt wird? Auch gab es jenes Ergreifen der kleinsten Gelegenheit, die nützliche Anwendbarkeit seines neu entdeckten Schatzes zu erproben. Wie er sich erinnert, diente jede geringfügige Einzelheit der Tagesangelegenheiten als Gegenstand ernsten Versuches mit den durch das tägliche Lernen erkannten Gesetzen der geistigen Heilung. Tritt er auch jetzt Erregungen, Verzögerungen, vereitelten Plänen und kleinen Störungen mit demselben eifrigen Verlangen, sein Prinzip zu beweisen, entgegen? Oder verdunkelt ihm die Aufmerksamkeit gegenüber etwas, was er für die wichtigeren, an ihn herantretenden Fragen hält, den Blick für die Bedeutung der sogenannten kleinen Beweise? Segensreiche Gewißheit, freudige Voraussicht, aufmerksames Prüfen und überfließende Dankbarkeit—, das waren die Begleiter jener ersten Erfahrung, die er sich jetzt entschließen kann, bei der Lösung vorhandener Fragen anzuwenden.
Petrus, der Jünger, den unser Meister lieb hatte, wurde von Herodes zu einer Zeit ins Gefängnis geworfen, als seine Tätigkeit einen Höhepunkt in seiner Laufbahn erreicht hatte. Er hatte gerade den ringenden Scharen christlicher Arbeiter in ganz Kleinasien gepredigt, sie gelehrt, geheilt und ermahnt. Nicht wegen eines besonderen Vergehens kam er ins Gefängnis, weil sich Herodes die Gunst seiner Gegner, der Juden, dadurch erwerben wollte. Es war also eine ganz ungerechte und ungesetzliche Hinderung der rechtmäßigen Tätigkeit des Petrus. Lesen wir, daß er Groll hegte, sich selbst bedauerte, Bedenken trug oder sorgfältig plante, sich zu befreien und sich zu rächen? In der Apostelgeschichte heißt es: „Die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott”. Petrus war durchaus bereit, seinen ganzen Beweis auf dieses heilende Gebet zu stützen. Denn in der Nacht seiner Befreiung finden wir, daß er, anstatt in Seelenangst zu wachen, trotz aller seiner Ketten und trotz des Wachtpostens schlief. Über dieses Bild geistiger Gelassenheit, ein Bild, das der sterbliche Sinn nur als Finsternis und Verzweiflung auffassen konnte, brach das Licht göttlicher Offenbarung herein. Denn zu dem schlafenden Petrus kam die geistige Idee der vollständigen Erhabenheit des Menschen über jede materielle Fessel. „Der Engel des Herrn” erschien ihm, schlug ihn und sprach: „Stehe behende auf!” Dies war genau der Ansporn, dessen er bedurfte. Denn anstatt die Ketten zu beseitigen und Petrus zu befreien, gab ihm der ihn aufweckende Engelbesucher einen bestimmten und zwingenden Befehl, der keinen Aufschub duldete. Petrus stand „behende auf”. Und diese sofortige und gehorsame körperliche und geistige Erhebung über die ihn umgebenden Umstände hatte seine vollständige Befreiung von ihnen zur Folge. „Die Ketten fielen ihm von seinen Händen”. Weiterhin gehorsam, kleidete er sich in gewohnter Weise an, folgte seinem Befreier durch das schwere eiserne Tor, das „sich ihnen von selber” auftat, und befand sich auf der Straße der Stadt, vollständig angekleidet und bereit, seine Arbeit fortzusetzen. Das ganze Erlebnis, das seinen Feinden als entmutigende und fesselnde Kette zur Hemmung der Ausbreitung der Lehren Jesu dienen sollte, bereicherte also seinen erfolgreichen Jünger Petrus an Weisheit und erhob ihn geistig zu noch größerem Erfolg. Welche Freude und Dankbarkeit muß ihn erfüllt haben, als er ausrief: „Nun weiß ich wahrhaftig, daß der Herr seinen Engel gesandt hat und mich errettet aus der Hand des Herodes und von allem Warten des jüdischen Volks”! Kein Aufschub trat ein—kein weitschweifiges Erzählen alles dessen, was ihm widerfahren war. Sofort und auf fast selbstverständliche Art begann er seine Heiltätigkeit von neuem.
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