Die Christliche Wissenschaft legt ganz klar dar, daß Erlösung von Sünde und allen Erscheinungsformen des Bösen nur durch Besserung, d.h. durch Wiedergeburt, erlangt werden kann. Die Liebe zur Sünde muß zerstört werden, und man muß aufhören, ihr zu frönen, damit die göttliche Vergebung erlangt werde. Hierzu erklärt Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 285): „Wenn wir Gott als einen körperlichen Erlöser deuten und nicht als das erlösende Prinzip oder die göttliche Liebe, dann werden wir auch fernerhin durch Vergebung und nicht durch Besserung Erlösung zu finden suchen und zur Materie anstatt zum Geist unsre Zuflucht nehmen, um die Kranken zu heilen”. Bezeichnenderweise verbindet unsere Führerin das Trachten nach Vergebung ohne das Verlangen nach Besserung mit dem Gebrauch materieller Heilmittel zur Heilung von Krankheit, während sie aufrecht erhält, daß wahre Besserung, die durch Wiedergeburt zustande kommt, nur eine Folge des Verständnisses des Geistes ist. Besserung wird also ganz der geistigen Erleuchtung zugeschrieben, wodurch der materielle Glaube hinsichtlich des Lebens durch das Verständnis der Tatsachen über Gott und Seine Schöpfung, des Weltalls, einschließlich des wirklichen Menschen, aufgehoben wird.
Die Sterblichen trachten gewöhnlich nach Vergebung, ohne nach Besserung zu verlangen. Ihr Hauptziel ist, von etwas, was ihre Tätigkeiten hemmt, frei zu sein. Haben sie nun Freiheit erlangt, so kehren sie zu ihren alten Gewohnheiten zurück. Dies läßt jedoch den Sünder häufig mit denselben sündhaften Wünschen unverbessert und vielleicht ohne die geringste Absicht, seine ungerechten Gewohnheiten aufzugeben. Wie ganz anders die göttlich verliehene Vergebung doch ist! Umwandlung, die erneuert, während sie umwandelt, erfüllt das Bewußtsein mit geistigem Licht. Dies ist die einzig wahre Besserung, und wenn diese erlangt ist, ist Vergebung stets die Folge. Überdies werden, wenn geistige Freiheit gewonnen ist, widerwärtige materielle Zustände dementsprechend berichtigt. Diese Zustände, die nur der veräußerlichte materielle Sinn sind, verschwinden mit der erwirkten Veränderung, wenn Glaube in geistiges Verständnis übergeht.
Über die Tatsache, daß das göttliche Gesetz die Zerstörung der Sünde als ersten Schritt zur Erlangung der Vergebung fordert, schreibt Mrs. Eddy auf Seite 40 in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Wissenschaft hebt die Strafe nur dadurch auf, daß sie erst die Sünde beseitigt, welche die Strafe hervorruft. Das ist meine Auffassung von der göttlichen Vergebung, unter welcher ich Gottes Art und Weise der Zerstörung der Sünde verstehe”. Die so gewonnene Vergebung bedeutet, da Besserung die Bedingung ihrer Erlangung ist, geistigen Fortschritt. Das Erlangen der Freiheit von jeder irrigen Annahme oder sündhaften Gewohnheit ist ein Schritt in der Richtung der Zerstörung alles Bösen. Vollständige Vergebung folgt auf die göttliche Anerkennung: „Ei, du frommer und getreuer Knecht”.
Vergeistigung des Denkens ist der unumschränkte Vorgang, der das Gesetz der göttlichen Vergebung erfüllt. Die lang gehegte Ansicht, Strafe sei das Mittel zur Besserung des Verbrechers, ist in großem Maße aufgegeben worden. Die heutige Strafrechtslehre fordert Besserung, und der für schuldig Erklärte wird von der Gesellschaft getrennt, damit er die nötige Gelegenheit zur Besserung erhalte. Hat er die Verkehrtheit seiner Handlungsweise eingesehen und seine Fähigkeit, recht zu tun, dargetan, so ist er nach allgemeiner Ansicht vorbereitet, seine Stellung in der Gesellschaft wieder einzunehmen. Obgleich dies eine beträchtliche Verbesserung gegenüber den früheren Verfahren der Behandlung sogenannter Verbrecher ist, so sorgt das gegenwärtig angewandte Verfahren dennoch nicht für jene wahre Besserung, die nur aus einem neugeborenen Bewußtsein hervorgeht.
In seinem Briefe an Titus spricht sich Paulus klar über die Vergebung durch Wiedergeburt aus. Während er seine Freunde ermahnt, dem Gesetz gehorsam und „zu allem guten Werk bereit” zu sein, versicherte er sie der durch Christus Jesus veranschaulichten Vergebung, die durch göttliche Gnade kommt. „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten”, erklärte er, „sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes”. Hier heißt es, daß das „Bad der Wiedergeburt” der Vorgang ist, wodurch wir Erlösung von bösen Gedanken und Taten erlangen. Nach der Ansicht des Paulus genügen gute Werke nicht, und nur durch göttliche Verleihung kann die Freiheit, die Wiedergeburt ist, erlangt werden. Diese Art, Vergebung zu erlangen, ist göttlich gerecht. Nur infolge fortgesetzten Leidens scheinen die Sterblichen willig zu sein, ihre sündhaften Gewohnheiten aufzugeben. Die göttliche Gnade ist jedoch immer bereit, das Leidensurteil aufzuheben, wenn die sündhafte Ursache aufgegeben ist.
Das Erlangen augenblicklicher Befreiung vom Leiden würde wenig nützen, wenn man verfehlte, sich durch die Erfahrung in seinem seelischen Ausblick zu erheben. Befreiung kommt durch Besserung und auf keine andere Art. Die geistige Erhöhung eines andern bringt uns keine Vergebung. Obgleich wir durch die Liebe, die ein anderer widerspiegelt, gesegnet werden können, muß doch jeder einzelne die erforderlichen Schritte selber tun; denn geistiger Fortschritt, der des Menschen Beziehung zu Gott offenbart, ist ohne Ausnahme eine persönliche Erfahrung. Vergebung kann nicht durch einen andern erlangt werden. Was auf den ersten Anblick als hartes und unerbittliches Gesetz erscheinen mag, erweist sich als das Wirken der vollkommenen Liebe, der Liebe, die kein Übel kennt; denn ohne den in der Erwartung der göttlichen Vergebung enthaltenen Ansporn zur Besserung bestünde wenig Aussicht, daß die Sterblichen ihre Freiheit auf diese Art gewinnen. Gottes Wille ist geschehen. In dem Maße, wie wir damit übereinstimmen, gewinnen wir jene Änderung des Bewußtseins, worin die Wiedergeburt besteht, einen erhöhten Zustand, dessen unausbleibliche Folge Vergebung ist.
