Die Umgegend des heiligen Landes war größtenteils dürre, unfruchtbare Wildnis oder Wüste, in die die Verfolgten in ihrer Furcht zu fliehen pflegten, um dort, einsam und zweifelnd wandernd, eine Zuflucht zu suchen. Jene Gegend in der Natur, eine scheinbar pfadlose Einöde, veranschaulichte den seelischen Zustand des Wanderers.
Zuweilen wandert der Christliche Wissenschafter in einer ähnlichen Wüste des Zweifels und der Furcht, wo er mit dem Zeugnis der materiellen Sinne ringt. Wie dankbar er sich in solchen Zeiten wohl die biblischen Berichte über die ersten Knechte Gottes als Führung dienen lassen mag! Aus Furcht vor dem menschlichen Gesetz floh Mose nach seinem an dem Ägypter verübten übereilten Todschlag in die Wüste. Dort lernte er durch jahrelanges geduldiges Dienen bei Jethro, dem Priester in Midian, der Materie entsagen und sich dem Geiste zuwenden. Dann war er fähig, die Stimme Gottes aus dem brennenden Busch zu vernehmen.
Heutzutage führt die Furcht vor den materiellen Gesetzen der Sünde und der Krankheit die Menschen in die einsame Wüste des Zweifels und der Hoffnungslosigkeit. Die Christliche Wissenschaft hat vielen solchen Wanderern Gott und die Kraft des Geistes geoffenbart. Da sie also wie Mose in der Wüste Gott gefunden haben, erkennen sie, wie Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 597) schreibt, daß die Wüste „der Vorhof ist, in welchem der materielle Sinn der Dinge verschwindet, und der geistige Sinn die großen Tatsachen des Daseins zur Entfaltung bringt”.
Immer wieder mag wohl der Christliche Wissenschafter auf seiner Reise vom Sinn zur Seele in der Wüste wandern. Die Wüste durchschreiten ist seine Pflicht. Die Kinder Israel, die oft durch Mutlosigkeit und durch das Verlangen nach Behaglichkeit in der Materie zum Stillstand kamen, verweilten vierzig Jahre in der Wüste, um zu lernen, sich vollständig auf den einen Gott zu verlassen. Jesus, der die Versuchungen des Bösen sofort erkannte und zurechtwies, besiegte die falschen Annahmen der Wüste in vierzig Tagen. Die Jahre geduldiger Arbeit an der bescheidenen Zimmermannsbank waren Jahre der Vorbereitung auf diesen Sieg. Jesu Beispiel weist dem Christlichen Wissenschafter, der das Verlangen hat, seinen Aufenthalt in der Wüste abzukürzen, den Weg. Das geduldige Bestreben, die bescheidenen Aufgaben der Alltagswelt auszuführen, wie es dem Kinde Gottes geziemt, führt zu dem Verständnis des regierenden Prinzips, Gottes, und auch zu einem festen Vertrauen auf Seine Kraft. Der Christliche Wissenschafter, der auf seine Gewohnheiten, sein Verhalten den kleinen täglichen Prüfungen gegenüber, achtgibt, bereitet sich vor, ohne Straucheln durch die Wüste zu gehen.
Diese Wüstenerfahrungen können auf jeder Stufe des Fortschritts in mehr oder weniger beharrlicher Form vorkommen. Mose ging frühzeitig in seiner Laufbahn durch eine Wüste und gewann dadurch die bemerkenswerte Geduld und Gewißheit, die er später bekundete, als er die Kinder Israel durch ihre Wüste führte. Elia floh, am scheinbaren Höhepunkt seines Erfolgs angelangt, in die Wüste. Der Christliche Wissenschafter muß, selbst wenn er anscheinend die Höhe seines Sieges über Sünde und Krankheit erreicht hat, auf der Hut sein, wachsam sein, damit er nicht wie Elia nach der Überwindung der Baalpriester vom Sturm der Bosheit und des Hasses ergriffen wird und in die Wüste des Schreckens und der Verzweiflung flieht. Wie so viele von heute wollte auch Elia, als er von den Irrtumsstürmen überwältigt und von dem falschen Begriff des Selbst erfüllt war, sich hinlegen und den Kampf aufgeben. In dieser falschen Vorstellung sah er sich vereinsamt und als einsamen Verfechter des Rechts gegen eine Welt des Irrtums, die er nicht bekämpfen konnte. Doch als er sogar in diesem Zustande der Entmutigung die Kraft Gottes nicht erkannte, schützte und speiste ihn Gott, bis er sich aufmachen und auf den Berg Gottes steigen konnte, wo er nach dem Sturmwind, dem Erdbeben und dem Feuer das „stille, sanfte Sausen”, die Stimme Gottes, hörte.
So entdeckt der Christliche Wissenschafter, daß die ewige Tatsache Gottes und Seiner Idee, obgleich sie durch einen falschen Begriff vom Selbst und vom Weltall, durch Zweifel. Finsternis und Schrecken verborgen ist, unverändert bleibt und zum Vorschein kommt, wenn, wie Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit (S. 503) schreibt, „die göttliche Wissenschaft, das Wort Gottes, zu der Finsternis auf dem Angesicht des Irrtums sagt: ‚Gott ist Alles-in-allem‘, und das Licht der immergegenwärtigen Liebe erleuchtet das Universum”.
Wenn die Liebe das Weltall in dieser Weise erleuchtet hat, tut der Christliche Wissenschafter gut, über die biblischen Geschichten nachzudenken, um seinen weiteren Fortschritt zu fördern. Als Mose die Stimme Gottes schon vernehmen konnte, mußte er noch ein Furchtund Begrenzungsgefühl überwinden. Danach mußte er mit unbedingtem Vertrauen auf seinen Gott hervortreten, um die Kinder Israel aus der Knechtschaft zu führen. Es genügt für den Christlichen Wissenschafter nicht, dankbar zu sein für das, was Gott für ihn schon getan hat; er muß weitergehen und sein Vertrauen und seine Dankbarkeit durch Tätigkeiten, die ihn und andere weiterführen, zum Ausdruck bringen. Nach den Prüfungen und Kämpfen in der Wüste sollte er die täglichen Aufgaben und Pflichten zu Hause, in der Kirche und in der Geschäftswelt leichter erkennen und ihnen williger nachkommen. Wenn der Christliche Wissenschafter die Furcht vor Unfähigkeit oder Tadel ablegt, und nachdem er auf die führende Stimme gewartet hat, muß er den nächsten Schritt vorwärts tun, welche Aufgabe dieser ihm auch immer auferlegen mag. Wie Mose muß er bereit sein, mit den Kindern Israel durch die Wüste zu gehen.
Als Elia auf das „stille, sanfte Sausen” hörte, wurde er zu Elisa geführt. Durch Elias Führung wurde Elisa vorbereitet, Elias Mantel zu empfangen und das große Werk weiterzuführen. Der große Wegweiser Christus Jesus brachte, vom Teufel versucht, vierzig Tage in der Wüste zu. Dann „wich” der Teufel „von ihm eine Zeitlang”, und es wird erzählt, „Jesus kam wieder in des Geistes Kraft nach Galiläa”. Dann erst begann er, zu predigen und zu lehren.
Alle in der Bibel erwähnten bedeutenden Personen gingen durch eine Wüste und wurden dadurch gestärkt und vorbereitet, die größeren Werke Gottes mit ruhigem Vertrauen weiterzuführen, eine Pflicht, die sie nicht umgehen konnten. Die Wüste war in der Tat nur der zum erweiterten geistigen Verständnis führende Vorhof.
Der Christliche Wissenschafter soll sich also vor seinen Wüstenerfahrungen nicht fürchten und darob untergehen, sondern vertrauend, daß Gott ihm heute einen Tisch in der Wüste bereite, in das Land der Christlichen Wissenschaft vordringen. Mit den Worten Michas kann er sagen: „Freue dich nicht, meine Feindin, daß ich darniederliege! Ich werde wieder aufkommen; und so ich im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht”. Und wenn er die führende Stimme der Liebe hört, die den Geist der Furcht vertreibt, soll er in der Kraft Gottes sich aufmachen und hervortreten, um seinen Teil bei den Tätigkeiten der Christlichen Wissenschaft zu leisten und behilflich zu sein, den Menschen Heilung und Erneuerung zu bringen.