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„Der verleugne sich selbst”

Aus der November 1928-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Das befriedigte Volk war entlassen worden. Die zwölf Körbe waren — als weiterer Beweis dessen, daß der große Lehrer die unmittelbare Verfügbarkeit und das unerschöpfliche Wesen alles Guten verstand — mit den Brocken gefüllt worden, die übrig geblieben waren, nachdem ihr Hunger gestillt worden war. Nach der kurzen Zeitspanne seines Einsseins im Gebet mit dem Vater wandte sich der große Beweisführer der Gegenwart und Kraft des Geistes an seine verwunderten Jünger mit der Frage: „Wer sagen die Leute, daß ich sei?” Von ihrer Antwort nicht befriedigt, seiner eigenen Individualität und Wesenseinheit bewußt und nicht willens, die von ihnen geäußerten falschen Auffassungen unberichtigt zu lassen, ließ der Meister seiner ersten Frage eine zweite folgen: „Wer saget ihr aber, daß ich sei?” Die Antwort des Petrus: „Du bist der Christus Gottes” bedeutete einen beachtenswerten Fortschritt in der menschlichen Erkenntnis der Wahrheit des Seins, und sie veranlaßte Jesus zur Äußerung einer der höchsten Erfordernisse der Wahrheit zur Förderung der menschlichen Erlösung: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach”. Einige Tage später gab er den drei Erwählten die herrliche Anschauungslehre von der Verklärung, die wunderbare Veranschaulichung des geistigen und unsterblichen Wesens des Menschen. Daß sie sein wahres Sein und das wahre Sein der ihm Erschienenen überhaupt wahrnehmen konnten, bewies ja nur ihren eigenen Fortschritt in der Richtung der Erkenntnis des Menschen, wie er in Wirklichkeit ist,— wie das göttliche Gemüt den Menschen erkennt.

Es gibt keine umwälzendere und lebenswichtigere Forderung in den Lehren Christi Jesu als die in folgenden vier Worten enthaltene: „Der verleugne sich selbst”. Durch jeden Zugang des menschlichen Sinnes macht der Irrtum seinen Anspruch geltend, daß der Mensch das sei, was die Sterblichen zu sein scheinen; daß das, was wir in unserem Spiegel sehen, das Bild dessen sei, was wir wirklich sind. Die große Mehrzahl der Menschen nimmt dies bedenkenlos so an. Aber die Selbstverleugnung, die Jesus von seinen Nachfolgern forderte, war viel mehr als das Aufgeben der gewöhnlichen Dinge des Lebens, viel mehr als das Verleugnen des Glaubens an die Schmerzen oder Freuden der Sinne. Sie war nichts Geringeres als das vollständige Verwerfen des Glaubens an ein körperliches Dasein. Das Kreuz, das sie auferlegt, ist das tägliche — nein, das stündliche — Streben, das wirkliche Selbst dadurch zu erkennen und zu beweisen, daß man aus dem Bewußtsein alles, was Gott unähnlich ist, ausmerzt. Johannes erkannte dies; daher schrieb er in seinem ersten Briefe: „Ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist”. Ein jeglicher, „der solche Hoffnung hat zu ihm”, muß sich naturgemäß anstrengen, sein Bewußtsein von allem Ungeistigen zu reinigen, von allem Glauben, daß er das sei, was er den körperlichen Sinnen zu sein scheint. Die Erkenntnis und der Beweis des geistigen Selbst muß uns unumgänglich von dem Glauben an ein anderes Selbst und von den Strafen, die einem solchen Glauben unfehlbar folgen, freimachen.

Das Versagen der Menschen, den Erfordernissen des Begriffs, den der Wegweiser von Jüngerschaft hatte, gerecht zu werden, war immer die Folge ihres begrenzten Verständnisses dieser Erfordernisse. Welche Möglichkeit haben die Menschen, sich von ihren Irrtümern freizumachen, solange sie glauben, diese Irrtümer seien ein wesentlicher Bestandteil des Seins des Menschen? Wie kann das Opfer eines gewalttätigen Zorns je hoffen, sich von diesem zornigen und zerstörenden Übel zu befreien oder davon befreit zu werden, solange es glaubt, ein solches Übel sei wirklich und gehöre zu seiner Persönlichkeit? Wie kann ein Sterblicher hoffen, „die Unsterblichkeit anzuziehen”, ehe er beginnt, zu lernen, daß Unsterblichkeit allein wirklich ist? Was wird geschehen, wenn wir wirklich beginnen, die Wahrheit über uns selber zu verstehen, wenn wir, wie Paulus sich ausdrückte, erkennen, gleichwie wir erkannt sind? Was wird aus den Wesenszügen und -eigenschaften werden, die uns so lang gestört haben, aus den Begierden und Leidenschaften, die uns so viel Trübsal bereitet haben, wenn wir zu dem, was wir wirklich sind, vollständig erwachen,— uns vollständig der Selbstheit, die Gott kennt, bewußt werden? Was wird aus unserem unbefriedigten Sehnen werden, aus dem Sehnen, Ihm ähnlicher zu werden, mehr von Seiner Liebe gegen diejenigen, die um uns sind, widerzuspiegeln, wenn wir erkennen, daß Sein Wesen unser Wesen ist,— und nicht nur das unserige, sondern auch das Wesen aller, mit denen wir je in Berührung kommen können?

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