Wer vom wirklichen Wesen des Menschen nichts weiß, könnte versucht sein, zu glauben, daß Jesus nicht fröhlich sein könnte; aber der Meister sagte: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch". Und wo Friede herrscht, muß auch Freude sein. Das Heilen durch das Verständnis der Kraft und Gegenwart Gottes ruft wie nichts anderes ein Gefühl des Friedens und der Freude hervor. Das Leben Jesu war ein beständiges Beweisen der heilenden und errettenden Kraft der Wahrheit. Selbst das Überwinden eines geringen Anspruchs des Bösen ersüllt uns mit einem wunderbaren Gefühl der Dankbarkeit und der Freude; daher mußte jemand, der Blindheit und Aussatz heilte und die Toten auferweckte, wie es der Meisterchrist tat, sehr freudig und dankbar gewesen sein. Leid kann nicht in dem mit Dankbarkeit erfüllten Bewußtsein wohnen.
Dem Anscheine nach hätte vieles im Leben Jesu ihn abhalten können, glücklich zu sein. Dennoch konnte er, obgleich er beständig verfolgt wurde, sagen: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übels wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost”.
Die Undankbarkeit vieler, die er geheilt hatte, der Verrat des Judas und das Verlassensein von seinen Jüngern am Kreuze vermochten Jesus nicht zu bewegen, Gott als die unendliche, immer gegenwärtige Liebe und den Menschen als Seine Idee, die sich stets über die Erkenntnis der Gegenwart und der schützenden Fürsorge der Liebe freut, aus den Augen zu verlieren. Kein menschlicher Umstand konnte seinen Frieden stören, weil es der Friede Gottes war, den die Welt nicht gab, folglich auch nicht nehmen konnte.
Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Eure Freude soll niemand von euch nehmen”. Weil Jesus den wirklichen Menschen und das geistige Dasein stets vor Augen behielt, konnte er von der Freude sprechen, die einem nicht genommen werden kann. Und weil er sich seines Einsseins mit Gott immer bewußt war, konnte ihn das Böse, mochte es sich als Undankbarkeit, Haß oder Furcht bekunden, von dem Gefühl der Freude und des Friedens nicht trennen, das aus der Erkenntnis der Allgegenwart der Liebe hervorgeht.
Jesus ist unser Wegweiser. Daher müssen auch wir danach streben, stets freudig zu sein. Auch wir können die Wahrheit über den wirklichen Menschen und das geistige Weltall immer vor Augen behalten, ohne Rücksicht darauf, was das sterbliche Sinnenzeugnis scheinbar auch sagen mag. Sollten auch alle, denen wir auf der Straße begegnen, behaupten, zwei mal zwei sei fünf, so würden wir es nicht glauben. Die Tatsache, daß zwei mal zwei vier ist, würde uns sofort einfallen, nachdem der Irrtum geäußert wäre. Durch tägliches Eindringen in die Christliche Wissenschaft und durch das Streben, unser Verständnis zu betätigen, können wir von der Geistigkeit des Menschen so überzeugt werden, daß wir trotz scheinbaren Irrtums die Tatsache der geistigen Schöpfung augenblicklich erkennen. Selbst wenn uns der Irrtum oft einzureden scheint, daß wir oder andere unvollkommen seien, können wir ebenso klar und natürlich wissen, daß der Mensch nicht unharmonisch oder böse sondern harmonisch und gut ist, wie wir wissen können, daß zwei mal zwei vier ist.
Laßt uns jeden Morgen aufstehen mit Gedanken der Dankbarkeit gegen Gott für die Erkenntnis, daß der Mensch seine vollkommene geistige Idee ist, und für das Verständnis, daß, weil die Wahrheit unendlich ist, uns den Tag über nichts veranlassen kann zu glauben, daß der Mensch irgend welchen Irrtum bekunden könne! Dann finden wir, daß der Tag mit wunderbaren Erfahrungen ausgefüllt ist, und groß ist unsere Freude.
„Wir wollen”, wie Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 302) schreibt, „eingedenk sein, daß der harmonische und unsterbliche Mensch immerdar bestanden hat und immer jenseits und über der sterblichen Illusion steht, daß irgendwelches Leben, irgendwelche Substanz und Intelligenz in der Materie vorhanden sind”. Kein Gedanke an eine Vergangenheit kann uns dann hindern, freudig zu sein, weil ihre scheinbaren Ereignisse nicht dem wahren „Uns” widerfuhren,— nicht uns, die wir jeden Augenblick die freudigen, sündlosen Ideen Gottes gewesen sind und immer sein werden und daher „jenseits und über der sterblichen Illusion [stehen], daß irgendwelches Leben, irgendwelche Substanz und Intelligenz in der Materie vorhanden sind”. Paulus hatte sein wirkliches Selbst so verstehen gelernt, und er wußte, daß sein vergangenes Leben ihn nicht von dem Bewußtsein seiner Einheit mit dem Vater und der Freude, die es bringt, abhalten konnte. Daher konnte er sagen: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage — nach dem vorgesteckten Ziel — nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu”. Er wußte, daß nichts ihm dieses bewußte Gefühl seiner Einheit mit seinem Schöpfer nehmen konnte. In einer bemerkenswerten Erklärung in seinem Briefe an die Römer sagt er: „Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christi Jesu ist, unserm Herrn”.
Paulus wußte, daß kein sogenanntes Sinnenzeugnis ihn hindern konnte, der Immergegenwart der Liebe und des Menschen als der Idee der Liebe, die immer eins mit der Liebe ist und von der Liebe aufrechterhalten wird, bewußt zu sein. Seine Briefe enthalten viele Ermahnungen, zu frohlocken. Er ermutigte die Thessalonicher mit den Worten: „Seid allezeit fröhlich”, und unter den Früchten des Geistes erwähnt er die Freude, wissend, daß derjenige, der bestrebt ist, im Bewußtsein des geistigen Daseins zu weilen, fröhlich sein muß.
Unter Hinweis auf die Erkenntnis des Paulus, daß uns nichts von der Liebe Gottes trennen kann, erklärte Mrs. Eddy: „Folgendes ist die Lehre der Christlichen Wissenschaft: die göttliche Liebe kann ihrer Offenbarwerdung oder ihres Gegenstandes nicht beraubt werden; Freude kann nicht in Leid verwandelt werden, denn Leid ist nicht der Herr der Freude” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 304). Und auf derselben Seite schreibt sie: „Harmonie wird durch ihr Prinzip hervorgebracht, von ihm beherrscht, und sie beharrt bei demselben. Das göttliche Prinzip ist das Leben des Menschen. Daher hat der physische Sinn über das Glück des Menschen nicht zu verfügen”.
So lasset uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein.—1. Thessalonicher 5:6.
