Wie oft kommt es vor, daß ehemals ernste Schüler der Christlichen Wissenschaft erfolglos sind in ihrem Bestreben, die Macht der Wahrheit über den Irrtum zu beweisen! Eifrig und mit klarer Erkenntnis der Kraft und der Allgegenwart der Wahrheit und der Liebe beginnen sie ihre Arbeit, was eine Besserung der äußerlichen Zustände zur Folge hat; und doch verzögert sich die vollständige Heilung. Was dann?
Manche mögen versucht sein, zu glauben, die Wahrheit, die sie erklärt haben, könne nicht die auf den Fall anzuwendende besondere Wahrheit gewesen sein, oder es sei nicht jede Seite des Falls in Betracht gezogen worden; oder irgend eine der vielen anderen Einflüsterungen mögen an diesem Punkte versuchen, die Verteidigungsmauer niederzureißen. Als Petrus Jesus nachahmend auf dem Wasser wandelte und dadurch seine Herrschaft über das Stoffgesetz der Schwere zu beweisen suchte, ging ihm ein reicher Lohn verloren, weil er darauf achtete, daß der Wind „stark” war. Er machte zwar etwas Fortschritt; aber er hielt seinen Blick nicht standhaft genug auf die Wahrheit gerichtet. Er sah auf den Stoff, betrachtete dessen Scheinzustand, und wurde von Furcht erfüllt.
In seinen inhaltreichen Lehren machte Jesus in vielen Fällen das Heilmittel klar für diesen betrüblichen Zustand, diese Unfähigkeit, die Allmacht der Wahrheit und der Liebe folgerichtig und unfehlbar zu beweisen. Wie in allen widrigen Lagen, in die wir zu geraten scheinen, kann die Antwort in der Bibel gefunden werden. Jesus war „versucht ... allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde”. Wenn wir also die Lehren und Werke des großen Metaphysikers, der das Vorbild für alle echten Christlichen Wissenschafter ist, hingebungsund erwartungsvoll zu ergründen trachten, wird uns unsere Antwort zuteil.
Wir finden, daß das Heilmittel darin besteht, daß wir mit der Wahrheit des Seins anfangen und dann bei dieser Wahrheit beharren und wissen, daß das, was sie zum Ausdruck bringt, unumschränkt, das Wort Gottes ist, das selber jeder Notlage gewachsen ist. Hätte Petrus nicht gezweifelt, sondern der Stimme, die ihn gerufen hatte, unerschütterlich weiter gehorcht, so wäre er wohlbehalten bei dem Meister angelangt.
Jesus sagte: „So ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren”. Wir alle müssen in der Wahrheit des Seins standhaft verharren lernen, um den verheißenen Lohn zu empfangen. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 495) schreibt unsere Führerin: „Wenn die Illusion von Krankheit oder Sünde dich in Versuchung führt, dann klammere dich fest an Gott und Seine Idee. Laß nichts als Sein Gleichnis in deinen Gedanken weilen. Laß weder Furcht noch Zweifel deinen klaren Sinn und dein ruhiges Vertrauen trüben, daß die Erkenntnis des harmonischen Lebens — wie Leben ewiglich ist — einen jeden schmerzvollen Sinn oder eine jede Annahme von dem, was Leben nicht ist, zu zerstören vermag. Laß die Christliche Wissenschaft statt des körperlichen Sinnes dein Verständnis vom Sein tragen, und dieses Verständnis wird Irrtum durch Wahrheit vertreiben, Sterblichkeit durch Unsterblichkeit ersetzen und Disharmonie durch Harmonie zum Schweigen bringen”.
Den Kompaß nicht aus den Augen lassend, verfolgt der Seemann genau den Kurs bis zu seinem Bestimmungsort, und er achtet auf die geringste Abweichung, um schnell das Steuer umzulegen. So sollten wir, die wir die unmittelbare und unzerstörbare Beziehung des Menschen zu seinem vollkommenen Schöpfer, Gott, erfaßt haben, stets unser Einssein mit dem unendlich Guten im Bewußtsein aufrechterhalten und, dem Seemann gleich, eifrig und wachsam sein, um durch unsern Gedankenkompaß das aufzudecken, was uns verraten und uns unversehens auf die Felsenriffe des Zweifels und der Verzagtheit treiben will. Dadurch daß wir schnell zu der Wahrheit des Seins zurückkehren und darin verharren, verkürzen wir den Weg vom Sinn zur Seele, von Kummer zu Freude, von Krankheit zu Gesundheit.
Im Evangelium des Matthäus ist berichtet, daß es bei dem mondsüchtigen Knaben selbst den Jüngern Jesu nicht gelang, den Irrtum auszutreiben. Der Meister dagegen legte die Falschheit des Anspruchs offen dar und bewies, daß die Wahrheit bei richtiger Anwendung dem Fall gewachsen war. In seiner Erklärung und Ermahnung an seine Jünger sagte er ihnen deutlich, daß der falsche Augenschein vor den Sinnen als unwirklich, als Täuschung, verstanden, und daß an der Wahrheit der unzertrennlichen Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer unerschütterlich festgehalten werden müsse, um das Heilungswerk zu vollbringen.
Mrs. Eddy lehrte und bewies, daß die große Tatsache, daß Gott das All in allem ist, alles umfaßt, ungeachtet der Form, in der der falsche Augenschein in Erscheinung treten kann. Nichts kann außerhalb der unendlichen Wahrheit bestehen, und nur das, was im Reiche des Geistes oder des Gemüts wohnt, ist vollkommen, harmonisch, wirklich und ewig. Der Grund, warum eine böse Annahme nicht leicht überwunden wird, ist wohl nicht immer darin zu suchen, daß wir nicht genug von der Wahrheit gewußt haben, sondern daß wir an dem, was wir von der Wahrheit verstanden haben, nicht beharrlich und standhaft genug festgehalten haben, sonst hätte der Irrtum aufgehört, als Wirklichkeit zu erscheinen. Mrs. Eddy sagt (in dems. Buche, S. 449): „Ein Körnlein der Christlichen Wissenschaft tut Wunder für die Sterblichen, so allmächtig ist Wahrheit”.
„Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes”, sprach Jesus. Unsere Fähigkeit, in dem herrlichen Siege die Oberhand über sündhafte Annahmen zu gewinnen, wird also durch unsere Unerschütterlichkeit und unser Vertrauen auf die allmächtige und allgegenwärtige Wahrheit bestimmt. Ausnahmslos sollte allen sogenannten körperlichen Gesetzen Macht oder Verstand abgesprochen werden; denn sie als wirklich anerkennen heißt die Allwissenheit Gottes, des einzigen Gesetzgebers des Menschen, leugnen. Unser Meister verwies hierauf, als er lehrte: „Vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebote sind”. Geistige Ursächlichkeit und geistiges Dasein bilden in der Christlichen Wissenschaft die einzige Grundlage des Folgerns und Beweisens.
Jesus legte klar dar, daß für echte Jüngerschaft das Beharren oder die Unerschütterlichkeit in der Wahrheit erforderlich ist. Es ist Torheit, das göttliche Gesetz, das so oft überzeugend bewiesen worden ist, zu schmähen, und es liegt nur an uns, wenn wir es jeweils für uns anscheinend nicht schneller beweisen. Die Wahrheit ist geoffenbart; durch die Christliche Wissenschaft lernen wir tatsächlich verstehen, daß die Wahrheit immer gegenwärtig, immer wirksam und allmächtig ist. Die richtige Anwendung der Wahrheit ist also notwendig, um vollkommenen Beweis zu verbürgen. Wir sollten unsere Bestrebungen auf das gründliche Verstehenlernen des Heilverfahrens Jesu richten, wie wir es in den Evangelien dargelegt und auch in Wissenschaft und Gesundheit wissenschaftlich erklärt finden. Durch dieses Eindringen werden wir die klare Erkenntnis gewinnen, daß der Beweis des christlichen Heilens ein richtiges Verständnis der Wahrheit und ein unerschütterliches Festhalten daran bei jeder Erfahrung und unter allen Umständen in sich schließt; denn unsere Führerin sagt (in dems. Buch, S. 167): „Nur wenn man sich absolut auf Wahrheit verläßt, kann einem die wissenschaftlich heilende Kraft zur Wirklichkeit werden”.
