Das Heilen der Kranken nur durch geistige Mittel erscheint vielen Menschen, ehe sie die in der Christlichen Wissenschaft gelehrte Wahrheit verstehen lernen, so unbegreiflich, daß manche von ihnen sich scheinbar in dem seichten Wasser des Zweifels dahintreiben lassen und es schließlich sogar für fraglich halten, ob die in den Evangelien so oft berichteten erstaunlichen Heilungen in Wirklichkeit überhaupt je stattfanden. Um diesen Zweiflern zu helfen, sei es gestattet, ein persönliches Erlebnis zu erzählen.
Jahrelang hatte eine Frau einen Wegweiser, etwas Greifbares, gesucht, woran sie sich auf der rastlosen Lebensreise halten könnte. Anstatt etwas zu finden, was ihr beim Lösen ihrer Aufgabe eine merkliche Hilfe hätte sein können, tappte sie in dem seichten Wasser rein menschlichen Urteilens vergeblich weiter, das sich ihr später in einer Stunde der Not geradezu als ein Meer des Zweifels und der Ungewißheit erwies. Schwere körperliche Gebrechen hatten sich angehäuft und sich zu langwierigem Siechtum mit heftigem und fortgesetztem Leiden entwickelt. Schließlich fand sie den Weg zu Der Mutter-Kirche, Der Ersten Kirche Christi, Wissenschafter, in Boston, Massachusetts, in der schwachen Hoffnung, die durch die lange Leidenszeit entstandene Seelenpein werde vielleicht etwas gelindert, doch ohne die geringste Hoffnung, daß auch ihre körperlichen Leiden geheilt werden könnten.
Da geschah ein Wunder! Während dieses ersten Besuchs Der Mutter-Kirche wurde sie von ihren sämtlichen Gebrechen augenblicklich und dauernd geheilt. In einem Augenblick war ihrem ganzen Denken, das jahrelang nach Gott gesucht hatte, eine andere Richtung gegeben; es war umgewandelt in ein Verständnis von Ihm als dem göttlichen Prinzip, der Liebe, die heute wie vor alters immer wirksam ist und bis zum äußersten sowohl die Kranken als auch die Sündigen auf Erden heilt, segnet und errettet.
Shakespeare hat in der Tat weise gesagt,
Daß eine Gottheit unsre Zwecke formt,
Wie wir sie auch entwerfen.
Wie der im 9. Kapitel des Evangeliums des Johannes erwähnte Bettler war sie in allen früheren Jahren ihres Suchens blind gewesen, und nun sah sie durch diese unpersönliche Heilung, daß es wirklich eine regierende göttliche Kraft gibt, wie sie sie sich in der alten Weltanschauung nie hätte träumen lassen; und sie gewann ihren früheren Glauben an die Heilungen des Meisters vollständig wieder. Ist es ein Wunder, daß sie für diesen herrlichen Beweis des durch die Christliche Wissenschaft unserer Zeit geoffenbarten heilenden göttlichen Prinzips tief dankbar war?
Mrs. Eddy erklärt im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 3): „Dankbarkeit ist weit mehr als eine Dankesäußerung in Worten. Taten drücken mehr Dankbarkeit aus als Worte”. Nur dadurch, daß man sein ganzes Leben lang der Christlichen Wissenschaft hingebungsvoll dient, kann man dauernde Befriedigung erlangen. Reichlich haben wir empfangen, reichlich müssen wir daher selbstlose Liebe geben und selbstlos dienen, um unsere Dankbarkeit für diese allen rechtschaffenen Suchern frei zur Verfügung stehende köstliche Gabe des Heilens gebührend zum Ausdruck zu bringen.
Hierzu mag man einwenden hören: ‚Wenn man eine wunderbare Heilung wie die erwähnte erlebt hat, scheint es leicht, Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen; wie soll ich aber durch Dienen Dankbarkeit ausdrücken? Ich bin zu dienen bereit, weiß aber nicht, wie ich es tun kann‘. In Wissenschaft und Gesundheit (S. 449) beantwortet Mrs. Eddy diese Frage klar mit den Worten: „Ein Körnlein der Christlichen Wissenschaft tut Wunder für die Sterblichen, so allmächtig ist Wahrheit; man muß sich aber mehr von der Christlichen Wissenschaft aneignen, um im Gutestun beharren zu können”. Dieses „Körnlein der Christlichen Wissenschaft” hat wahrlich Wunder gewirkt für alle, die sich dieser Lehre in Zeiten der Not zugewandt haben; aber man muß von dem heilenden Christus, der Wahrheit, noch mehr verstehen lernen und anwenden, um den Fußtapfen des Meisters weiter folgen zu können. Wir müssen anfangen, uns in die Bibel und in ihre im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft gegebene geistige Auslegung planmäßig zu vertiefen und getreu daran festzuhalten, damit wir für die größeren Werke vorbereitet sind, die nach des Meisters eigenen Worten in seinem Namen getan werden sollen.
Wenn wir im Verständnis der Christlichen Wissenschaft fortschreiten und uns bei ihrem erneuernden Wirken für die Menschheit hilfreicher zeigen lernen, finden wir durch viele und mancherlei Erlebnisse, daß das Gute in jedem unserer Gedanken vorherrschen muß, daß wir im täglichen Leben unbedingt ehrlich und treu sein und diese Eigenschaften auch anderen Menschen gegenüber betonen müssen, daß man einander und unserer Sache jeden Tag inbrünstiger und hingebungsvoller dienen muß, und daß es zu guter Letzt keine Last sondern ein gesegnetes Vorrecht ist, die Kranken und Sünder auf Erden zu heilen. Niemand kann die Horebshöhe christlicher Nützlichkeit auf bessere Art erklimmen. Wir können es uns in der Tat nicht leisten, auch nur einen Schritt dieses steilen Aufstiegs zu unterlassen, noch können wir zu sorgsam wachen, daß wir unsere neugefundene Freiheit nicht zu selbstsüchtigen Zwecken gebrauchen und so denen, die wir über alles segnen möchten, ein Stein des Anstoßes werden.
Entmutigung, die sich unser so leicht bemächtigt, ist ein verderbliches Übel; wir können bei unserer Arbeit aber keine zweifelhafte oder nur halbe Stellung einnehmen und dann erwarten, diesen scheinbaren Widerstand unserer Nützlichkeit zu vernichten oder ihm entgegenzuwirken. Auf Seite 22 unseres Lehrbuchs finden wir für diese Zeit der Anfechtung eine überaus anspornende Hilfe in der Ermahnung unserer geliebten Führerin: „Wenn ihr in euren Bestrebungen von schrecklicher Übermacht bedrängt werdet und keinen augenblicklichen Lohn empfangt, geht nicht zurück zum Irrtum, und werdet auch nicht säumig im Wettlauf”. Haben wir von allen unseren Anstrengungen, das Heer der uns den Weg versperrenden Sinnestäuschungen zu vernichten, scheinbar keinen Erfolg gehabt, so ist es höchste Zeit, von dem Traum von Leben oder Gefühl im Stoff aufzuwachen, zu erklären und zu wissen, daß in Wirklichkeit nichts imstande ist, das Wort Gottes, das von der unbegrenzten Grundlage des Prinzips, wie es in der Christlichen Wissenschaft verstanden wird, ausging, zu hindern, aufzuhalten oder umzukehren. Wenn das Böse auch noch so hartnäckig scheint, sollten wir dennoch auf dem Felsen Christus stehen und auf die bereits erklärte Wahrheit vertrauen und, wie es sich geziemt, wissen, daß solche Ausdauer oft vollständigen Sieg bringt, während sonst das Ergebnis eine vorübergehende Niederlage für uns oder für andere sein könnte.
Wir werden täglich und stündlich auf der Wage der göttlichen Gerechtigkeit gewogen; und wenn wir nicht zu leicht erfunden werden, werden wir ganz gewiß unsern rechtmäßigen Platz und unsere rechtmäßige Arbeit im göttlichen Plan finden, aber nicht durch Stellenoder Machtstolz sondern durch jene Demut und Liebe, die das eigene Gute in dem eines andern sucht. In dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberge erteilt unser Meister uns allen eine überaus hilfreiche Lehre, wenn er erklärt: „Also werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt”. Wer am wenigsten nach menschlicher Macht oder Anerkennung trachtet, wird sich unter den Großen befinden, die das Himmelreich auf Erden aufrichten helfen. Laßt uns also alle ohne Ausnahme durch die Erkenntnis der Wahrheit, wie sie Mrs. Eddy in der Christlichen Wissenschaft gelehrt hat, so leben und heilen, daß wir, wenn wir „berufen” werden, als würdig erfunden werden, „auserwählt” zu sein, auf jedem Posten der Pflicht zu stehen!
