Über die Frage, welcher von den erwählten Jüngern Christi Jesu für seine Lehre am empfänglichsten war, läßt sich streiten; soviel ist aber sicher, daß der geliebte Johannes einer der wenigen war, die dem großen Lehrer im Denken am nächsten standen. Für christliche Bibelforscher gehören daher die von diesem Jünger verfaßten Teile des Neuen Testaments zu den allerbesten Quellen für verbürgte Geschichte und zuverlässige Auslegung. Selbst wenn nur Johannes einen Ausspruch berichtet, oder wenn nur er eine Auslegung gibt, braucht es darum nicht geringer gewertet zu werden. Im Gegenteil, gerade er war vielleicht fähig, den Ausspruch zu schätzen oder die Auslegung zu geben.
Wir finden z.B., daß das Evangelium des Johannes viel häufiger als die anderen Evangelien berichtet, daß Jesus das Wort „Licht” gebrauchte. Nur Johannes berichtet, daß Jesus dieses Wort im Zusammenhang mit Heilung gebrauchte (Joh. 9, 1–7); und Johannes ist der einzige neutestamentliche Schreiber, der des Meisters Lehre folgendermaßen zusammenfaßt: „Und das ist die Verkündigung, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen, daß Gott Licht ist und in ihm ist keine Finsternis” (1. Joh. 1, 5). Vermutlich enthält diese Stelle keinen Ausspruch Jesu sondern ist eine Schlußfolgerung oder Ableitung des Johannes.
„Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis”. In diesen Spruch faßte Johannes die Botschaft zusammen, die er vom Meister gehört hatte. Wahrscheinlich bezog er sich auf Aussprüche wie Joh. 6, 63; 5, 26 und 3, 5–8, worin der Messias im wesentlichen erklärte, daß der Geist Leben gibt und sein Gegenteil nichts nütze ist; daß Gott dem Menschen Sein eigenes Leben mitteilt; daß das menschliche Selbst geläutert werden muß, bis die wirkliche Wesenseinheit die reine Widerspiegelung des Geistes ist; und daß dies der Weg, der einzige Weg ist, auf dem man in das Reich Gottes kommen kann.
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