„Jesus rief ein Kind zu sich und stellte das mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß ihr euch umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen”. In dieser Erklärung zeigt der Meister klar und unzweideutig den Bewußtseinszustand, den wir erlangen müssen, um in das Himmelreich zu kommen, das Mrs. Eddy u.a. als „die Herrschaft der Harmonie in der göttlichen Wissenschaft” erklärt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 590). Wir sollten daher andächtig und ernstlich über diese Erklärung nachdenken; denn nur dann können wir gegen unsere Mitmenschen und unsere tägliche Arbeit die richtige und wissenschaftliche Haltung bewahren. Vertiefen wir uns des Morgens andächtig in diese Stelle, so bereitet uns dies für unsere Tagesarbeit vor, und wir werden erleben, daß wir jeden Tag zuversichtlich, gelassen und mit einem uns Ruhe und Frieden bringenden, liebevollen Bewußtsein zubringen. Mögen unsere Aufgaben noch so schwierig scheinen, mögen uns die Ansprüche des Sinnes noch so aufdringlich zu beunruhigen suchen, wir werden ruhig unseres Weges gehen; und die Falschheiten des Irrtums werden von uns abfallen und uns unberührt, geborgen und frei lassen.
Laßt uns über diese gesegnete Eigenschaft Kindlichkeit nachdenken und sehen, was Jesus zum Erlangen des Himmelreichs für so wesentlich erklärte! Unter den Eigenschaften des Kindesbewußtseins steht ohne Zweifel Reinheit an erster Stelle. Das reine kindliche Denken kennt nur Liebe, Selbstlosigkeit, Freundlichkeit, Vertrauen, Glauben. Es ist sich in natürlicher Weise des Guten bewußt und erwartet nur Gutes, erwartet die Befriedigung aller seiner Bedürfnisse, ist bei seinen Beschäftigungen freudig tätig, nimmt jeden Segen als sein natürliches Recht entgegen und hat keinen Zweifel und keine Sorge wegen des nächsten Tages. Hat das Kind Schwierigkeiten oder scheint ihm Gefahr zu drohen, so sucht es in den schützenden Armen der Mutter Zuflucht und Sicherheit. Kurz, das Denken des Kindes ist zuversichtlich und weiß, daß alles, was ihm an Liebe, Schutz, Trost, Nahrung oder was es auch sei, not tut, zur rechten Zeit und auf die rechte Art vorhanden sein wird.
In der Christlichen Wissenschaft unterwiesene Kinder erlangen leicht geistiges Vertrauen; und sie wenden sich rückhaltlos an unser aller Vater und Mutter, so oft sie ein Anliegen haben. Sie brauchen sich nicht mit dem Irrtum auseinanderzusetzen oder mit ihm zu ringen. Denn ihre Gewißheit, daß Gott immer und überall gegenwärtig ist, genügt. Ohne zu zweifeln nehmen sie die Lehren der Christlichen Wissenschaft an; und warum sollen sie bei solch rückhaltlosem Annehmen der Wahrheit zweifeln oder Einwendungen machen? So erlangen die Kinder leicht eine Denkweise, die dem Erwachsenen wunderbar erscheint.
Nun sehen wir, warum wir wie die Kinder werden müssen, um geistig zu wachsen und mehr zu beweisen. Das Weltliche muß aus dem Denken verschwinden; Stolz, Neid, Eifersucht, Bosheit, Haß, Eigennutz müssen abgelegt werden; Furcht, Zweifel und der Glaube an alles Böse müssen aufgegeben werden; und wir müssen nur auf Gott sehen lernen. Wir müssen die Christliche Wissenschaft und die Verheißungen der Heiligen Schrift so einfach und vorbehaltlos annehmen wie ein Kind. Wir müssen dieselbe Zuversicht und dasselbe Vertrauen auf die Wirklichkeit des Guten zum Ausdruck bringen, in demselben reinen Glauben erwarten, daß unsere Bedürfnisse befriedigt und unsere Gebete erhört werden, und uns allezeit im Vertrauen auf Gottes Gegenwart, Seine Macht, Fähigkeit und Willigkeit, für uns zu sorgen, an Ihn wenden. Durch das Erkennen der Allheit Gottes, des Guten, müssen wir lernen, uns unwillkürlich zu freuen, bei allem, was wir zu tun haben, glücklich zu sein, in dem „Tag, den der Herr macht”, fröhlich zu sein.
Vor allem müssen wir wie Kinder lieben lernen. Was für ein Segen wäre es für uns alle, für unsere Sache und für die Welt, wenn wir lieben lernten wie die Kinder, wenn wir das Gute in unserem Bruder suchten, fänden und priesen, uns darüber freuten und so zum Ausdruck brächten, daß wir dieses Gute lieben und schätzen, damit es uns immer wirklicher werde, bis wir nur noch Gutes bekundet sehen! Wie viel, o wie unendlich viel besser dies wäre als die irrtümliche Annahme zu sehen, daran zu denken und darüber zu reden und dadurch die Last eines Bruders zu vergrößern!
Wie oft kann der Ausdruck kindlicher Liebe und kindlichen Vertrauens unsererseits der Wendepunkt im Erdenleben eines Unglücklichen sein! Wo manche nur Irrtum gesehen haben, kann ein großmütiger, liebevoller Gedanke eine gute Eigenschaft enthüllen, die der Weltlichgesinnte nicht sieht; und die so zum Ausdruck gebrachte Liebe kann Heilung bringen. Lieben wie die Kinder! Was für ein wunderbarer Friede würde dann in unserer Familie, in unserer Kirche, in unserem Geschäft herrschen! Schon die Betrachtung dieses Gedankens ist erhebend. Mögen wir doch nach diesem Bewußtsein trachten! Denn wir werden finden, daß dieses Trachten kein ermüdender Kampf mit dem Bösen, nicht etwas ist, was mit Mühe und Trübsal vollbracht wird, sondern daß es vielmehr das sanft erneuernde Ablegen des Selbst, alles Niedrigen und Weltlichen, und das Füllen des Herzens mit dem Duft der Liebe, des Vertrauens, der Reinheit und des Friedens ist. So werden wir in der Tat die Wahrheit der Erklärung Jesu beweisen: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch”.
Unsere verehrte Führerin gibt dem Gedanken, wie wertvoll Kindlichkeit ist, klar und bündig in „Miscellaneous Writings” (S. 110) Ausdruck, wo sie schreibt: „Geliebte Kinder, die Welt bedarf euer,— und mehr als Kinder denn als Männer und Frauen: sie bedarf eurer Unschuld, eurer Selbstlosigkeit, eurer treuen Liebe, eures unbefleckten Lebens. Ihr müßt auch wachen und beten, daß ihr diese Tugenden unversehrt bewahrt und durch Berührung mit der Welt nicht verliert. Gibt es ein erhabeneres Streben als das in euch zu bewahren, was Jesus liebte, und zu wissen, daß euer Beispiel mehr als Worte dazu dient, die Sittlichkeit der Menschen zu heben!”
