Mrs. Eddy erklärt in ihrem Hauptwerk, daß „die Bezeichnung Christliche Wissenschaft sich besonders auf die Wissenschaft in ihrer Anwendung auf die Menschheit bezieht” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 127). Das von ihr entdeckte und formulierte Gedankensystem ist nicht nur die Wissenschaft der absoluten Wirklichkeit: es ist auch und ganz besonders für das menschliche Benehmen und das menschliche Wohlergehen gültig. Dieser letzte Gesichtspunkt unseres Gegenstandes schien immer schwer verständlich geschweige denn erfüllbar. Daher sei folgende Erklärung in der Hoffnung gegeben, daß sie einen schwierigen Punkt erläutern helfen möge.
In der absoluten Wirklichkeit ist alles Sein,— alles, was besteht,— das unendliche Gemüt und seine Vertreter. Es gibt nichts anderes. Die Vertreter des Gemüts sind der individuelle Mensch und andere Wirklichkeitsformen, aber nicht der Irrtum oder das Böse. Es gibt also keine Vermischung von Irrtum mit dem Menschen. Diese absolute Wahrheit muß das menschliche Bewußtsein annehmen und beweisen. Dieses Bewußtsein scheint eine Vermischung von Irrtum mit wahrem Denken zu sein, die eine verfälschte Person mit einem getrübten Begriff von allem zur Folge hat. Eine solche Person muß natürlich errettet werden: sie muß von Verfälschung erlöst werden. Da dies kein Augenblicksvorgang ist, so hat das sogenannte menschliche Sein menschliche Bedürfnisse, die zu seinem vorübergehenden Zustande gehören und so lang fortdauern, bis das menschliche Leben verschwindet und die Person nicht mehr verfälscht zu sein scheint.
Ein menschliches Wesen scheint durch sich selbst zu bestehen und auf stoffliche Hilfsmittel angewiesen zu sein. Dieser Schein ist irrig. In Wirklichkeit erhält das göttliche Gemüt das menschliche Sein dadurch, daß es den wirklichen Menschen erhält. Ohne Rücksicht auf den Irrtum spendet Gott, das unendliche Leben, jedem Menschen Leben die Fülle; denn „sie leben ihm alle”, wie Christus Jesus einmal sagte (Luk. 20, 38). Kurzum, die göttlichen Hilfsmittel stehen auf Grund der Beziehung des wirklichen Menschen zu Gott der sogenannten menschlichen Person vollständig zur Verfügung. Mittelbar und unmittelbar versorgt daher die immer gebende Liebe, das stets wirkende Prinzip, jeden Menschen mit allem, was er braucht, selbst während sein Begriff von sich selber und von seinen Bedürfnissen scheinbar getrübt ist.
Offenbar ist das erste menschliche Bedürfnis des einzelnen, daß er sein wirkliches Selbst versteht. Er muß sich sehen, wie Gott ihn sieht, nicht als teilweise abgestorben, sondern als vollständig lebendig. Das göttliche Gemüt befriedigt dieses Bedürfnis beständig dadurch, daß es wahre Ideen und die Kraft, sie zu verstehen, verleiht. In dem Maße, wie jemand sich und seine Beziehung zu Gott wahrhaft kennt, ist er von Hindernissen zum Erfolg bei allem Gutestun oder rechtschaffenen Unternehmen befreit.
Das besondere und als Ausrüstung zur Erlangung menschlichen Erfolgs wichtigste göttliche Hilfsmittel ist Intelligenz. Mrs. Eddy beschrieb und bewertete Intelligenz als „die uranfängliche und ewige Eigenschaft des unendlichen Gemüts” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 469). Daher muß sie auch die hauptsächlichste und ewige Ausstattung des Menschen sein. Die vom göttlichen Gemüt stammende Intelligenz ist es also, die uns ausnahmslos in jeder Lage befähigt, das Rechte zu wissen und zu tun. Offenbar kann es zur Bekämpfung der Zustände des sogenannten menschlichen Lebens keine wichtigere Gabe geben als die Intelligenz.
Jesus entnahm dem Maul eines Fisches das zur Bezahlung der für den Tempel erhobenen Kopfsteuer benötigte Geld (Matth. 17, 24–27). Er konnte sich über die üblichen Erwerbsverfahren hinwegsetzen: er war dazu vorbereitet. Uns dürfte jedoch das Gelderwerben oder das Erlangen einer Gelegenheit, Geld zu verdienen, mehr Sorge für den morgenden Tag bereiten. In diesem Punkte wird Jesus infolge von falschen Übersetzungen der Stellen Matth. 6, 25–34 und Luk. 12, 22–40 mißverstanden. Was er verurteilte, war die Furcht vor dem kommenden Morgen, nicht intelligente Vorbereitung darauf. Sein eigenes Verhalten legte oft Vorbereitung an den Tag, und er empfahl sie in einem seiner lehrreichsten Gleichnisse (Mark. 4, 26–29).
Noch ein göttliches Hilfsmittel, das zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse jedermann stets zur Verfügung steht, ist das göttliche Gesetz. „Alle Ursächlichkeit”, erklärt Mrs. Eddy, „ist Gemüt, das durch das geistige Gesetzt wirkt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 417). Wenn wir säen, um Gelegenheit zum Dienen zu ernten, ist es die geistige Ursächlichkeit, die durch das Gesetz wirkt, das den Samen entfaltet und uns befähigt, den angemessenen Lohn zu ernten. „So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen” (2. Thess. 3, 10). In diesem Spruch drückte Paulus in verneinender Form ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Gesetz aus, das in der göttlichen Gerechtigkeit bestätigt ist. Bis jetzt mag das göttliche Gesetz über diesen Gegenstand noch nicht völlig erkannt sein; nichtsdestoweniger besteht es und ist in voller Wirksamkeit. Demgemäß möge folgende Darlegung die Anwendung eines göttlichen Gesetzes auf menschliche Angelegenheiten zum mindesten teilweise ausdrücken: Jedermann, der bereit ist, einen ehrlichen Dienst zu leisten, ist zu einer Gelegenheit und dem entsprechenden Lohn berechtigt; die göttliche Ursächlichkeit, eben das göttliche Prinzip, wirkt mit ihm zu diesem Zweck.
