An wen richtete Christus Jesus bei seiner Versuchung in der Wüste die Worte: „Hebe dich weg von mir, Satan!”? Gewiß nicht an einen persönlichen Teufel, wie sich ein Mensch an einen Menschen wendet, sondern an den persönlichen Sinn, der fälschlich eine von Gott getrennte Intelligenz, Gegenwart und Macht beansprucht. Dieser durch unser eigenes oder anderer Leute falsches, sterbliches Denken sprechende Widersacher ist nach Jesu Aussage „ein Lügner und ein Vater derselben”; und die einzige Möglichkeit, daß ihm überhaupt Gehör geschenkt wird, besteht darin, daß wir ihn für wahr halten.
Bei jeder Versuchung — sei es eine Annahme von Krankheit, Sünde oder Unglück — sucht uns der Irrtum, der irrige, sterbliche Glaube, immer zu bewegen zu behaupten: Ich bin krank, ich bin sündig, oder ich bin unglücklich; und nur wenn wir uns der Wahrheit bewußt sind und uns weigern, diese Lügen des persönlichen Sinnes anzunehmen und zu wiederholen, können wir ihnen mit einer aus geistigem Verständnis geborenen Überzeugung entgegnen: „Hebe dich weg von mir Satan!” und so ihre Unwirklichkeit beweisen, wie es der große Meister tat, der sich weigerte, den Behauptungen zuzustimmen, daß wahrer Reichtum im Materiellen zu finden sei, und daß er seine geistige Kraft rechtmäßig zu materiellen Zwecken gebrauchen könne. Nachdem Jesus diese Lügen zum Schweigen gebracht hatte, verließ ihn der Teufel, d.h. er verschwand in sein Nichts; und so bewies Jesus, daß das Böse nichts ist — keine Person und keine Sache.
Wie wir in der Bibel lesen, mußte auch Daniel die Lügen des Teufels oder des Bösen, die durch einen irregeführten König sprechende Gehässigkeit und Verfolgung, überwinden. Viele Bibelleser kennen die beiden Bilder, die Daniel in der Löwengrube darstellen. Auf dem einen sehen wir, wie er unerschrocken, ruhig und gelassen den Löwen gegenübersteht, auf dem anderen, wie er aufwärts blickt, während die Löwen sich hinter seinem Rücken zusammenkauern! Auch er hatte mit Macht zu den bösen Annahmen Haß und Grausamkeit gesprochen und sich, den Satan hinter sich lassend, von ihnen abgewandt; mit andern Worten, er hatte sich geweigert, das Böse als mit Macht ausgerüstet anzusehen. Und durch seinen Verlaß auf Gottes Macht wurde nicht nur Daniel unversehrt aus der Löwengrube befreit, sondern auch der König wurde so erleuchtet, daß er die Allmacht und Allgegenwart Gottes, des lebendigen Gottes, der ein „Erlöser und Nothelfer” ist, anerkannte.
Aus Daniels Denkweise können wir lernen, wie wir an unsere Probleme herantreten sollen. In erster Linie bedürfen wir des moralischen Mutes, jede gegebene Lage offen ins Auge zu fassen. Heißt die Schwierigkeit Krankheit, Sünde, Haß, Unlauterkeit, und behauptet sie, zu unserem Bruder oder zu uns zu gehören? Wir wollen sie nicht außer acht lassen, sondern sie lange genug genau ansehen, um zu erkennen, was sie zu sein vorgibt, und zu wissen, was sie in Wirklichkeit nicht ist. Das Böse ist nichts; es ist nur eine Lüge über den Menschen Gottes, den reinen und heiligen Ausdruck Gottes. Der wirkliche Mensch kennt seine Vollkommenheit, weil er sich als die Widerspiegelung Gottes kennt, und er weiß nichts von einer gegenteiligen sterblichen Annahme. Wenn wir uns diese in der Christlichen Wissenschaft gelehrte Wahrheit vergegenwärtigen, können wir uns wie Daniel von der bösen Annahme abwenden und, den Blick nach dem Licht geistiger Wirklichkeit gerichtet, den unausbleiblichen Sieg der Wahrheit geduldig und vertrauensvoll erwarten. So werden wir die Regel betätigen, die uns unsere geliebte Führerin in „Unity of Good” (S. 20) gibt, wo sie sagt, daß ein Fehler dadurch berichtigt wird, daß man ihn „im rechten Lichte sieht und ihn dann umkehrt oder sich von ihm abwendet”. In dem Verhältnis, wie wir dies tun, weisen wir den Satan — die Einflüsterung des Bösen — wissenschaftlich dadurch zurück, daß wir seine Nichtsheit beweisen. Haben wir als Christliche Wissenschafter nicht das gesegnete Vorrecht, mit allen unharmonischen Zuständen, die der materielle Sinn uns darzubieten scheint, in dieser Weise zu verfahren?
Hüten wir uns, die sterblichen Vorbilder als echt anzunehmen, von denen Mrs. Eddy im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 248) sagt: „Hörst du nicht von der ganzen Menschheit über das unvollkommene Vorbild? Die Welt hält es dir beständig vor Augen. Die Folge davon ist, daß du geneigt bist, diesen niederen Mustern zu folgen, deine Lebensarbeit zu begrenzen und die eckigen Linien und Mißgestaltungen materieller Vorbilder in dein Leben aufzunehmen”. Sie fügt jedoch hinzu: ”Um dem abzuhelfen, müssen wir zuerst unsern Blick nach der rechten Richtung lenken und dann in dieser Richtung gehen”. Wir „lenken unsern Blick nach der rechten Richtung”, wenn unser „Auge einfältig” bleibt, d.h. wenn wir Gott und den vollkommenen Menschen als die einzige Wirklichkeit anerkennen. Und wir müssen „in dieser Richtung gehen”. Wir müssen, soweit wir es verstehen, im täglichen Leben dem Christusbeispiel folgen.
Die Christliche Wissenschaft befähigt uns, dies zu tun; denn dank ihrer heiligen Lehren können wir heute die Worte und die Werke unseres lieben Meisters verstehen. Durch demütiges und andachtsvolles Eindringen in die Bibel und das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch können wir zwischen dem Unwirklichen, „dem unvollkommenen Vorbild” der Materialität, und dem Wirklichen, den vollkommenen Ideen des göttlichen Gemüts, unterscheiden lernen.
Können wir der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft Mary Baker Eddy je dankbar genug sein? Wer weiß, wie oft sie mit den Übeln Haß, Neid und Verfolgung zu kämpfen hatte? Aber sie ging tapfer vorwärts, den Blick immer nach dem Licht gerichtet, bis die göttliche Wissenschaft ihr geoffenbart und einer harrenden Welt durch ihre Schriften gegeben wurde. In ihrem illustrierten Gedicht „Christ and Christmas” (S. 17) befindet sich ein Bild, dessen Titel „Suchen und finden” ist. Es zeigt die Schlange hinter dem Weib, das wacht und betet. So müssen auch wir wachen und beten, damit wir „dieses Tagesgestirn der göttlichen Wissenschaft, welches den Weg zur ewigen Harmonie erleuchtet, erblicken und ihm folgen können” (Wissenschaft und Gesundheit, Vorwort, S. vii). Die Christliche Wissenschaft hat diesen Weg zur ewigen Harmonie geoffenbart; und alle, die wollen, können, durch das herrliche Licht der Wahrheit geführt, darauf wandeln.
