Ein wahrer Christlicher Wissenschafter ist Gottes Zeuge; und die getreue Ausführung dieser heiligen Aufgabe ist der erhabene Zweck seines täglichen Lebens. Er muß mit Christus Jesus von Herzen sagen lernen: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll”. Was für einen edlen Ansporn, was für ein Höherstreben dieses wahre Zeugen dem menschlichen Streben verleiht! Wie es das Denken mit dem göttlichen Prinzip verbindet, es über das Zeitliche zum Ewigen erhebt und gleichzeitig die vollkommenere Erfüllung der täglichen Pflichten verbürgt! Da Christus Jesus der Menschen Wegweiser ist, ist es unumgänglich, daß jedermann in seinen Fußtapfen wandelt.
In dem Aufsatze über göttliches Wesen in der Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1902 schreibt Mrs. Eddy (S. 16): „Die sanftmütige Macht, die erhabene Geduld, die wunderbaren Werke und das Schweigen bei der Selbstverteidigung gegen falsche Zeugen drücken ein gottähnliches Leben aus”. Jesus bewies, daß die vom göttlichen Gemüt eingegebenen Handlungen, Entscheidungen und Äußerungen keiner sterblichen Selbstrechtfertigung bedürfen.
Der Christliche Wissenschafter, der für die unendliche Geduld und Gelassenheit der göttlichen Liebe zeugen lernt, legt keine Ungeduld oder Unfreundlichkeit an den Tag. Er ist nicht unachtsam sondern auf der Hut. Der Zeuge Gottes ist furchtlos, weil es in Gott, für den er zeugt, keine Furcht gibt. Warum erklärt der geliebte Jünger so bestimmt: „Furcht ist nicht in der Liebe”? Ohne Zweifel, weil die Liebe der Geist ist, der keine Materie kennt. Die Furcht gehört nur der Materialität an. Wenn also die Geistigkeit zunimmt, nimmt die Furcht, die Gefährtin der Materialität, ab. Daher kann man vernunftgemäß nicht gleichzeitig für die göttliche Liebe und für materielle Befürchtungen zeugen. Die Furcht ist immer ein falscher Zeuge. Ist man versucht, wegen jemand Furcht zu hegen, so findet man Kraft durch Gehorsam gegen das Gebot: „Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten”.
Wie gesegnet doch jeder ist, der den ganzen Tag über bestrebt ist, durch beständige, stille Gemeinschaft mit dem göttlichen Gemüt seine geistige Sohnschaft für sich und auch im Denken über andere zu bewahren! Das Gemüt ist allgegenwärtig, ein riesiges, allgemein zugängliches Vorratshaus, aus dem das Denken stündlich geläutert und ergänzt werden kann. Die göttliche Liebe ist die unbegrenzte Quelle geistiger Eingebung, des Trostes und zärtlicher Geduld, womit man die eigene und eines andern Last erleichtert, wenn die Wolken falscher Zeugen den Blick für geistige Harmonie und Wohlergehen trüben wollen.
Wenn der Christliche Wissenschafter für die göttliche Liebe zeugt, kann er in seinem Verhalten oder äußeren Benehmen gegen solche, denen er auch nur gelegentlich begegnet, nicht gleichgültig, schroff oder unhöflich sein, da er eine tätige und unparteiische Widerspiegelung der göttlichen Liebe sein sollte. Auch kann er weder selbstsüchtig noch ganz in sich selber versunken sein; denn unsere Führerin schreibt: „Ich stelle hohe Anforderungen an die Liebe, verlange tätige Zeugen zum Beweis und edle Opfer und erhabene Leistungen als Ergebnis” (Miscellaneous Writings, S. 250). Der Zeuge Gottes kann nicht an Freudlosigkeit glauben; denn die göttliche Freude ist nie abwesend. Der körperliche Sinn jedoch ist der falsche Zeuge, der für die Gegenwart des Bösen und für die Abwesenheit Gottes zeugt. Der geistige Sinn bezeugt, daß Gott allgegenwärtig ist, und daß das Böse keine Gegenwart hat.
So oft man entdeckt, daß man einer sündigen Versuchung nachgibt, einem allgemein angenommenen Glauben an Seuchen oder ungünstiges Wetter zustimmt oder sich selber oder andere wegen ungenügend bewiesener Gesundheit oder Herrschaft über Umstände bemitleidet, sollte man sich gegen diese Einflüsterungen durch Befolgen des göttlichen Aufrufs schützen: „Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr”, d.h. Zeugen für das genaue Gegenteil dessen, was der körperliche Sinn als wirklich und beunruhigend darbietet. Gott, das Gute, steht Seinen Zeugen bei, und man kann in der Finsternis der Furcht Seine allmächtige Hand ebenso sicher ergreifen, wie ein kleines Kind die Hand seiner Mutter in der Nacht, wenn es sie nicht sehen kann, festhalten kann. Dem geistigen Sinn ist die Gegenwart der göttlichen Liebe immer faßlich. Wenn Verzeihung und Reue das Herz erfüllen, wenn Mut an die Stelle von Verzagtheit tritt, wenn Ehrlichkeit Unehrlichkeit verdrängt, wenn der alte Hochmut vor der Demut vergeht, können wir wissen, daß wir für die Gegenwart des göttlichen Gemüts zeugen. Jeder geistige Sieg über Versuchung hilft die allgemeine Beweisführung der Allmacht des Guten aufrichten.
Wie eng verbunden Gottes wahre Zeugen sind! So oft etwas Christliche Wissenschafter bei ihrem Zusammenarbeiten zu entzweien oder zu beunruhigen sucht, wissen sie, daß es offensichtlich etwas ist, was an sich gegen Gott unwahr ist, etwas, was auch gegen den Menschen unwahr ist,— also ein falscher Zeuge. Die Liebe ist bereit, unsern Blick zu klären, uns auf den Irrtum aufmerksam zu machen und ihn gleichzeitig auszulöschen. Vor Einflüsterungen der Furcht, der Nachsicht gegen sich selber, des Leids, der Trägheit, der Verzagtheit muß man sich dadurch beständig schützen, daß das innere Ohr scharf auf die Botschaften der Wahrheit abgestimmt bleibt. Tätigkeit, Eifer, Begeisterung müssen alle auf die Seite Gottes, des Guten, gestellt werden. Auf Seite 67 in „Retrospection and Introspection” schreibt unsere geliebte Führerin: „In dem Verhältnis, wie das Zeugnis des materiellen, persönlichen Sinnes aufhört, nimmt die Sünde ab, bis der Sünde genannte falsche Anspruch aus Mangel an Zeugen schließlich ganz verschwindet”. Möge also jeder Christliche Wissenschafter danach trachten, daß er sich als lauterer, wachsamer und freudiger Zeuge Gottes erweist und dadurch zum Aufhören des persönlichen Sinnenzeugnisses möglichst viel beiträgt.
