Durch das Streben nach geistigem Verständnis sind der Welt zu allen Zeiten Lichtblicke der göttlichen Liebe zuteil geworden, und wir genießen heute den Segen der Arbeit jedes Reformators, den die Welt je gekannt hat. Ein Dichter sagte:
„Das Gute der Vergangenheit
Bleibt, um uns heute zu beglücken”.
Das Alte Testament enthält viele Beispiele der Tatsache, daß wer Gott sucht, Ihn findet, wenn er Ihn von ganzem Herzen sucht. In den Psalmen, den Propheten und den Worten und Werken Christi Jesu im Neuen Testament finden diejenigen, die Christus, die Wahrheit, suchen, beständig Ermutigung.
Aus der Apostelgeschichte gewinnen wir eine Vorstellung, wie die Jünger Jesu zusammenkamen und miteinander besprachen, was ihr Meister Christus Jesus sie gelehrt hatte. Aus ihren Werken können wir leicht ersehen, wie viel besser sie ihres Meisters Lehren verstehen lernten, als sie selber in seinen Fußtapfen wandelten und die Fähigkeit zu heilen, die sich ihrem Verständnis entfaltet hatte, anwandten.
Heute schätzt jedes Mitglied der Kirche Christi, Wissenschafter, das bestrebt ist, mit seiner Umgebung einmütig zusammenzuarbeiten und sie zu segnen, die große Ermutigung, die ihm das Leben des Paulus und seine Briefe an die ersten Christen einflößen. Paulus konnte andern in herrlicher Weise dienen, ihnen aus eigener Erfahrung Rat erteilen, obgleich er noch „einen Pfahl im Fleisch” hatte,— eine irrige Annahme, die er noch nicht ganz überwunden hatte, die ihn aber nicht hinderte zu wissen, daß nichts ihn scheiden konnte von der Liebe Gottes, wie er sie durch das Leben und das Beispiel Christi Jesu verstand.
Johannes, der Jünger, den der Meister liebhatte, gibt für jeden ernsten Sucher in einem seiner Briefe den Grundton an für das Wachstum in geistigem Verständnis, wenn er schreibt: „Kindlein ... lasset uns untereinander liebhaben”. Kann ein scheinbar widriger Umstand einen aufrichtigen Schüler der Christlichen Wissenschaft beunruhigen, wenn er nicht aufhört zu lieben, und wenn er in der Gewißheit verharrt, daß andere ihn lieben?
Martin Luther, ein Reformator einer späteren Zeit, gab der Welt einen erweckten Glauben an Gott; und es ist Tatsache, daß er, wie auch Charles Wesley zu seiner Zeit, in einigen Fällen durch den Glauben an Gott heilen konnte. Es blieb aber unserer geliebten Führerin Mary Baker Eddy vorbehalten, die zu allen Zeiten allgemein anwendbaren geistigen Regeln des Heilens zu entdecken.
Glaubensreformatoren mußten immer von Mut und selbstloser Hingebung beseelt sein, um die ihnen zuteilgewordenen Lichtblicke der göttlichen Liebe — das Erkennen Gottes als die allmächtige Wahrheit oder den allmächtigen Geist — zu behaupten. Angesichts des Druckes feindseliger Gedankeneinflüsterung, die jede Entdeckung auf die Stufe materieller Theorien, die die Welt immer noch in Finsternis und Furcht halten, herabzudrücken sucht, bedurften sie der Ausdauer, um bei der ihnen geoffenbarten Wahrheit zu beharren.
Die Verleumder Martin Luthers hielten jedoch die Reformation nicht auf, die wie ein Licht in der Finsternis dem Sucher nach der Wahrheit den Frieden brachte, der einem erweckten Glauben an Gott entsprang; und als die Bibel allgemeiner gelesen wurde, erwies sich dieser Glaube als eine Wohltat für die Welt.
Daß Mrs. Eddy, eine sanftmütige, lernbegierige Frau, als die von Gott erwählte Botin dem Sucher von heute den höchsten Grad geistigen Verständnisses bringen sollte, erfüllt uns mit ehrerbietiger Anerkennung, wenn wir daran denken, daß sie nach jahrelanger Kränklichkeit und schon in mittleren Jahren durch ihre Entdeckung weit mehr als viele tüchtige Männer an tatsächlicher Tagesarbeit leisten konnte. Daß der Weg nicht immer leicht war, geht aus folgender Stelle in „Christ and Christmas” (S. 15) hervor:
„Was der Geliebte wußte und lehrte,
Wiederholt die Wissenschaft
Durch ein Verständnis, mit ungestümem Herzen
Hingebungsvoll gesucht”.
Die Verfasserin dieser Betrachtung erinnert sich gut des Tages, als sie unsere geliebte Führerin zum erstenmal auf der Plattform des ursprünglichen Mutter-Kirchengebäudes sah (26. Mai 1895), schlank, sanftmütig, liebevoll und doch in Stimme und Sprache kraftvoll. Am Ende ihrer Ansprache, die in „Miscellaneous Writings” zu finden ist, sagte Mrs. Eddy u.a. (S. 110): „Geliebte Kinder, die Welt bedarf euer,— und mehr als Kinder denn als Männer und Frauen: sie bedarf eurer Unschuld, eurer Selbstlosigkeit, eurer treuen Liebe, eures unbefleckten Lebens”.
Jede Erinnerung an die falsche Darstellung des Werkes der Mrs. Eddy und die Kritik an ihrer Person, die der Verfasserin je zu Ohren gekommen war, schwand in jener Versammlung dahin. Während man ihrer herrlichen Lehre über das göttliche Prinzip zuhörte, verlor man ihre Persönlichkeit ganz aus dem Sinn; und ihre große Liebe zu den Menschen trat so hervor, daß sie jeden noch bestehenden Zweifel, daß die Christliche Wissenschaft tatsächlich die endgültige Offenbarung der Wahrheit und Mary Baker Eddy wegen ihrer Reinheit und Liebe Gottes erwählte Botin ist, beseitigte. Genaues Vertrautsein mit ihrem täglichen Leben in späteren Jahren änderte nichts an diesem ersten Eindruck, sondern festigte ihn nur noch, als sie ihr vollendetes Vertrauen auf Gott in allem und allezeit und ihre wunderbare Liebe besser verstand. Inmitten ihres arbeitsreichen Lebens war sie auf das Wohlergehen anderer bedacht, liebreich im Ermutigen schüchterner aber aufrichtiger Schüler; und ihr freundliches Lächeln grüßte stets den frohen Arbeiter.
Wie eine echte Mutter schüttete unsere Führerin in dem Bemühen, die Verirrten zu retten, ihre Liebe aus und wies in solchen Fällen diejenigen, die bei ihr weilten, an, in ihrem Denken keine Verdammung aufkommen zu lassen. Sie vergab gern den Reumütigen und bewahrte manchen, die sie in früheren Jahren aus Mißverständnis verlassen hatten, eine liebevolle Freundschaft. Eigenwillige Meinungen oder ein Beharren im Irrtum wies sie immer unverzüglich zurecht; und sie hatte den Mut einer wahren Nachfolgerin des gelobten Meisters, die verborgene Sünde, die zu täuschen suchte, aufzudecken. Jeder Ausüber der Christlichen Wissenschaft weiß aus der Erfahrung, die er in dem Bemühen, die Menschen vom Mesmerismus der Sünde und der Krankheit zu heilen, macht, wie sich der persönliche Sinn der Wahrheit widersetzt; und aus diesem Grunde kann er verstehen, welches Kreuz unsere geliebte Führerin durch den Haß und die Rache des sogenannten sterblichen Gemüts zu tragen hatte.
Die herrlichen Siege, die Mrs. Eddy beständig über die Ansprüche des Bösen, das, wenn möglich, die Erfüllung ihrer Sendung zu verhindern trachtete, davongetragen hat, sind vielen ihrer Schüler bekannt; und die Tatsache, daß der Irrtum die Gründung ihrer Kirche und deren Tätigkeitszweige und die Entfaltung der Regeln zum Schutze Der Mutter-Kirche und ihrer Mitglieder nicht verhindern konnte, sollte in jedem Christlichen Wissenschafter liebreichste Dankbarkeit erwecken. Was anders konnte diese edle Frau bei ihrer großen Arbeit für die Menschen gestützt haben als ihr Gehorsam gegen Gott, das göttliche Prinzip, ihr kindliches Vertrauen auf die Macht und Gegenwart der unendlichen Liebe, ihre Bereitwilligkeit, sich beim Aufstellen der Regeln für die Anwendung dessen, was den fleischlichen Sinn bekämpft, den Paulus „eine Feindschaft wider Gott” nennt, von der göttlichen Weisheit leiten zu lassen?
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft kann in den Schriften unserer Führerin auf jede das geistige Wachstum betreffende Frage die Antwort finden. Er kann darin auch einigermaßen die Demut erkennen, die sie für Tausende von ernsten Christen die verehrte Führerin werden ließ,— eine Demut, die immer andere liebreich berücksichtigt—, ferner die Liebe, die das Bemühen eines andern nicht verurteilen kann, und die weiß, daß diejenigen, die höhnisch zu Jesus sagten: „Hilf dir selber! ... Steig herab vom Kreuz!”, nicht verstanden, wie er in jenem Augenblick das Verlangen hatte, selbst diejenigen zu erlösen, die ihn kreuzigten.
Der Christliche Wissenschafter von heute kann sich die mühevolle Arbeit unserer Führerin besser vorstellen, wenn er ihre vielen herrlichen Botschaften an ihre Kirche in Betracht zieht. Am 6. Juni 1899 erschien sie z.B. im Tremonttempel in Boston auf der Plattform und gab mit klarer, kräftiger Stimme die wunderbar hilfreiche Botschaft, die wir auf Seite 131–133 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” finden. Damals war sie schon über 75 Jahre alt, und wie Erstaunliches sie noch nach jener Zeit für die Welt geleistet hat!
Die Verfasserin hatte den großen Vorzug, Mrs. Eddy über drei Jahre lang in nahem Umgang zu kennen und mit ihr von Pleasant View nach Chestnut Hill zu reisen, wo sie außer ihrem Haushalte einen Verwandten, ihren Großneffen, bei sich hatte. Die Verfasserin kann daher aus Erfahrung von dem herrlichen Beweise sprechen, den Mrs. Eddy durch Vollendung ihres Lebenswerks, wozu die Gründung des Christian Science Monitors gehört, erbrachte. Sie hatte lang gewartet, bis die Christlichen Wissenschafter für diesen Schritt vorwärts bereit waren; und ihre damalige Haltung läßt sich am besten mit den Worten eines beliebten Kirchenliedes beschreiben:
„Mit Gottes Harnisch angetan,
Seht Christi Streiter ausgesandt,
Das Evangelium kund zu tun,
Des Geistes Schwert in seiner Hand.
Des Bösen Feuerpfeil erlischt,
Sein list’ger Anlauf gar zerschellt;
Im Herren stark obsiegt der Christ,
Er hebt das Haupt, sein ist das Feld!”
Wenn wir uns in die Kapitel „Gebet” und „Versöhnung und Abendmahl” im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy vertiefen, können wir das dreijährige Lebenswerk unseres Meisters Christus Jesus verstehen und würdigen; und durch dasselbe Studium können wir in größerem Maße würdigen, was es für unsere Führerin hieß, über vierzig Jahre lang als Auslegerin der Christlichen Wissenschaft und des Christusheilens vor der Welt zu stehen. Wir können einigermaßen verstehen, was es hieß, der Welt „die wissenschaftliche Erklärung des Seins” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 468) zu geben und dafür einzutreten und ihre Bedeutung in allen ihren Schriften zum Wohle unserer und aller kommenden Zeit zu erläutern. Wie groß ist doch die Offenbarung, die sie der Welt gebracht hat, wodurch wir Gott als das immer gegenwärtige und allmächtige göttliche Gemüt und den Menschen als die Idee, das Bild dieses einen unendlichen Gemüts, Gottes, erkennen können!
Mrs. Eddy lehrte nicht nur, daß die Allheit Gottes die göttliche, ewige Liebe ist, sondern hinterließ auch Regeln, durch die wir es selber beweisen können. Durch den falschen Glauben, daß das Böse Wirklichkeit und Macht habe, verloren die Menschen die durch Jesus geoffenbarte heilende Kraft Gottes aus den Augen; aber durch die Lehre der Christlichen Wissenschaft, daß Gott das All ist, können sie selber die Nichtsheit des Bösen beweisen lernen. Christliche Wissenschafter wissen aus Erfahrung, daß das treue Befolgen der Satzung „Pflichttreue”, die wir auf Seite 42 des Handbuchs Der Mutter-Kirche finden, aufgeklärtere Dankbarkeit für unsere Führerin, barmherzigere Liebe zu den Menschen und klarere Erkenntnis der heilenden göttlichen Liebe zur Folge hat. In dieser Satzung legt uns unsere Führerin die besondere Pflicht auf, täglich vor aggressiver mentaler Suggestion die Tür zu schließen. Dies befähigt uns, die Stimme der Wahrheit zu hören, die Engelsgedanken zu beherbergen, die dem vergeistigten Bewußtsein vom göttlichen Gemüt zufließen. Jesus sagte: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie; und sie folgen mir”. „Einem Fremden aber folgen sie nicht nach ...; denn sie kennen der Fremden Stimme nicht”. „Und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen”.
