Durch die Christliche Wissenschaft erlangt man ein beweisbares Verständnis der Beziehung des Menschen zu Gott, dem Guten, und dieses Verständnis kann, wenn ehrlich angewandt, alle mit einer rein menschlichen Auffassung von Beziehung oder Umgang verbundenen Probleme lösen. Es ist vielleicht nichts dringender nötig als Harmonie, das Beseitigen von Reibung zwischen Menschen, die umständehalber beisammen sein müssen. Jene Peiniger des Menschengeschlechts — Verschiedenheit des Geschmacks, das Aufeinanderprallen von Eigenwillen, Unverträglichkeit und die Empfindlichkeit des persönlichen Sinnes — werden schließlich der Einheit, der Reinheit und dem Frieden des einen Gemüts und seiner Ideen weichen, die als individueller Ausdruck der Vollkommenheit Gottes zusammenwirken. In diesem Sinne schreibt Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 102, 103): „Die Christliche Wissenschaft plündert das Reich des Bösen und fördert im höchsten Maße die Zuneigung und die Tugend in den Familien und deshalb in der Allgemeinheit”.
Die Christliche Wissenschaft lehrt jeden Sterblichen, wie er sich wissenschaftlich davor schützen kann, daß er ein Werkzeug des sogenannten fleischlichen Sinnes wird, der immer mit sich selbst uneins ist, weil er ohne Intelligenz, Gesetz oder Prinzip ist.
Wie verhält es sich dann mit unserem täglichen Umgang mit Menschen, die noch nicht gelernt haben, bei dem einen Gemüt Schutz zu suchen vor Reizbarkeit, Verzagtheit, Besorgnis und persönlichen Abneigungen, die die Menschenkinder so beständig versuchen? Es ist wissenschaftlich notwendig, unnachgiebig und trotz des Augenscheins zu erklären, daß es nur ein unendliches Gemüt gibt, und bestrebt zu sein, diese wissenschaftliche Wahrheit genau so für andere wie für sich selber zu erkennen. Daher schreibt Petrus: „Seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, freundlich”; und er ermahnt ferner zu „ungefärbter Bruderliebe”. Allumfassende Liebe geduldig widerspiegeln lernen, selbst gegen solche, die es nicht zu verdienen scheinen, hilft sie von den unguten Zügen befreien, die das Erbteil der Sterblichen zu sein beanspruchen. Kurz, die Christliche Wissenschaft stellt dadurch, daß sie einen von der Betrachtung der sterblichen Persönlichkeit zu den harmonischen Tatsachen der geistigen Identität jedes Menschen in der Wahrheit hinlenkt, Eintracht in menschlichen Beziehungen wieder her und beschützt sie. Der Durchschnittsmensch bringt sicher etwas Gutes zum Ausdruck, selbst wenn er sich für einen Ungläubigen ausgibt; und alles Gute, das er zum Ausdruck bringt, ist aus Gott geboren. Es ist ein Schimmer unseres wirklichen Bruders. Und an diesen Schimmer seiner wirklichen Identität müssen wir uns halten, weil er eins ist mit dem von Gott stammenden Guten, demselben Guten, dem wir demütig zustreben. Alles, was gut und wahr ist, einigt; und was nicht einigt, ist nicht wahr.
Wer Ungeduld oder Groll gegen andere hegt, vergißt nicht nur deren wirkliche Beziehung zu Gott, dem Guten, sondern vorübergehend auch seine eigene geistige Sohnschaft und läßt sich vom Irrtum zu dessen eigenen Zwecken mißbrauchen. Kann man jemand anders nicht bessern, so kann man wenigstens sein eigenes Denken dadurch verbessern, daß man Gott und den Menschen über alles liebt. Und diese Liebe zu dem von Gott geschaffenen wirklichen Menschen ist unsere Zuflucht vor Groll, Furcht und Traurigkeit.
Wir können von den Bergsteigern lernen, die zur gegenseitigen Sicherung aneinandergeseilt werden, wenn sie gefährliche Stellen erklettern. Verliert einer den Halt und gleitet aus, so halten ihn, auch wenn er ein Fremder ist, seine Kameraden fest, bis er wieder Fuß gefaßt hat. So sollte man, wenn sich menschliche Probleme einstellen, in einem Geiste der Christlichkeit dem sterblichen Impuls widerstehen, sich von jemand loszulösen, der im Begriff ist, unter die Norm dessen, was recht ist, hinabzugleiten. Von dem wahren Denker kann immer gesagt werden: „seine Tritte gleiten nicht”. So stärkt der Christliche Wissenschafter, eingedenk der Goldenen Regel, sein eigenes Denken mit der Wahrheit und der Liebe und steht dem Notleidenden bei. Sicher, wenn auch vielleicht sehr langsam, fängt das Licht des einen Gemüts an, widergespiegelt zu werden, selbst wenn zunächst auch nur ein Glied der Familie für den Menschen in Gottes Ebenbild zeugt. Ein Fenster erhellt ein Zimmer. Widerspiegelt auch nur einer geistiges Licht, Liebe und Weisheit, so kann er der unerkannte Friedenstifter in einer Familie werden.
Man braucht nicht zu befürchten, daß man, wenn man geistige Liebe widerzuspiegeln trachtet, seine menschlichen Verpflichtungen versäumen werde. Mrs. Eddy schreibt (Miscellaneous Writings, S. 287): „Sei getreu über Familienbeziehungen; sie führen zu höheren Freuden: befolge die Goldene Regel für das menschliche Leben, und du wirst dir viel Bitterkeit ersparen”. Christus Jesus empfahl seine Mutter vom Kreuze herab der Fürsorge seines geliebten Jüngers an.
Als er zum Volke redete und ihm gesagt wurde, daß seine Mutter und seine Brüder ihn zu sprechen wünschten, „reckte er die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und meine Brüder! Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mein Bruder, Schwester und Mutter”. Mit andern Worten, er erkannte die Einheit aller, die kraft ihres gemeinsamen Widerspiegelns der Eigenschaften des göttlichen Gemüts Gutes zum Ausdruck bringen. Wahre Beziehung ist also rein geistig, unauflöslich und immerdar harmonisch. Diese wahre Auffassung der Beziehung des Menschen zum göttlichen Prinzip verpflichtet den Christlichen Wissenschafter, die Probleme zu lösen, die sich unter Menschen einstellen.
In dem Bewußtsein, daß der geistige Mensch von Nachahmungen nicht berührt wird, ist der Christliche Wissenschafter bestrebt, zu verhüten, daß der körperliche Augenschein des Menschen aus Erde, der alte Adam, ihm sein Erschauen des geistigen Menschen, des Ebenbildes Gottes, raube, das von Krankheit, Ärger oder tierischem Wesen immerdar frei ist. Der wahre Zeuge bringt wahres Zeugnis, wahren Augenschein hervor; und manche Familie ist gerade durch einen solchen Beweis der Einheit des Guten, der alte Risse schloß und die alten Narben schließlich verschwinden ließ, umgewandelt worden. In „Retrospection and Introspection” (S. 22) schreibt Mrs. Eddy: „Gott steht über allem. Er allein ist unser Ursprung, unser Ziel und unser Sein. Der wirkliche Mensch ist nicht aus Erde, noch wird er je vom Fleisch geschaffen; denn sein Vater und seine Mutter sind der eine Geist, und seine Brüder sind allesamt die Kinder eines Vaters, des ewigen Guten”.
