Augenblickliches Heilen ist das Ziel, das jeder aufrichtige Schüler der Christlichen Wissenschaft bei seiner Arbeit zu erreichen strebt. Daß solches Heilen möglich ist, hat Christus Jesus vor Jahrhunderten bewiesen, und es wird heute durch Fälle, die bei der Arbeit christlich-wissenschaftlicher Ausüber nicht selten sind, wieder bewiesen. Mary Baker Eddy hat im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” den Weg zu diesem hohen Ziele klar vorgezeichnet. Man beachte z. B. ihre Worte in dem Kapitel über das Gebet (S. 16): „Nur, wenn wir uns über alle materielle Sinnengebundenheit und Sünde erheben, können wir das vom Himmel stammende Streben und das geistige Bewußtsein erreichen, auf welches in dem Gebet des Herrn hingewiesen wird, und welches die Kranken augenblicklich heilt”.
Augenblickliches Heilen ist ein Heilen, bei dem der Zeitbegriff nicht in Betracht kommt. Beim Ausüben der ärztlichen Kunst wird infolge der ganzen Art materieller Theorien augenblickliches Heilen kaum erwartet. Wenn ein materielles Heilmittel seinen Weg zu einem bestimmten Körperteil finden und dort eine chemische oder physische Änderung hervorrufen muß, ehe Heilung erfolgen kann, so erfordert es offenbar eine gewisse Zeit. Und wenn Zeit selber einen heilenden Einfluß hat, oder wenn eine Krankheit, wie man sagt, „ihren Verlauf nehmen” muß, ehe ihr Einhalt geboten werden kann, dann ist augenblickliches Heilen unmöglich. Solche materiellen Lehren werden schon so lang geglaubt, daß die Menschen Zeit allgemein als Vorbedingung für das Heilen ansehen.
Das Erlebnis eines Schülers der Christlichen Wissenschaft, der einen Ausüber um Hilfe beim Überwinden einer sogenannten ansteckenden Krankheit bat, veranschaulicht, wie wichtig es ist, diesen irrigen Glauben zu zerstören. Mehrere Tage lang wurde ohne sichtbares Ergebnis Behandlung erteilt. Schließlich kam der Hilfesucher auf den Gedanken, die verschiedenen Berichte der von Christus Jesus bewirkten Heilungen in der Bibel zu lesen. Dabei fiel ihm besonders auf, daß bei den Heilungen Jesu keine Zeit erforderlich war, und daß alle seine Heilungen augenblicklich erfolgten. Ja, der Schüler fand, daß im Bibelbericht vielfach Ausdrücke wie „sofort”, „alsbald” oder „zu derselben Stunde” gebraucht sind, um zu zeigen, wie schnell die Heilung erfolgte. Als er im Zusammenhang mit seinem eigenen Zustande über diese Tatsache nachdachte, kam ihm plötzlich zum Bewußtsein, daß er zwar nicht daran gezweifelt hatte, daß er durch christlich-wissenschaftliche Behandlung geheilt werde, daß er aber mehr oder weniger bewußt geglaubt hatte, es werde einige Zeit in Anspruch nehmen.
Als der Schüler sich mit den Heilungen Jesu befaßte und erkannte, daß sie durch das Wirken desselben Gesetzes zustandekamen, das heute beim christlich-wissenschaftlichen Ausüben angewandt wird, sah er, daß das Heilen in der Christlichen Wissenschaft rein ein Vorgang des Denkens oder ein rein geistiger Vorgang ist, daß es also nicht mehr Zeit erfordert als man braucht, um sein Denken zu ändern und den Glauben aufzugeben, daß Sünde und Krankheit wirklich seien; und er erkannte, daß dies in einem Augenblick geschehen kann und oft geschieht. Durch weiteres Nachdenken wurde ihm dieser Punkt so klar, daß er schließlich zuversichtlich erwartete, seine Heilung werde bald offenbar werden. Als er am Morgen darauf erwachte, war er vollständig gesund: alle Anzeichen der Krankheit waren verschwunden, und sein Befinden war in jeder Hinsicht vollständig in Ordnung. Das Beseitigen des hindernden Glaubens an Zeit hatte sofortigem Heilen den Weg gebahnt.
Im 10. Kapitel der Offenbarung des Johannes lesen wir: „Und der Engel, den ich sah stehen auf dem Meer und auf der Erde”,— man beachte, derselbe Engel, der „in seiner Hand ein Büchlein aufgetan hatte”,—„hob seine Hand auf gen Himmel und schwur bei dem Lebendigen von Ewigkeit zu Ewigkeit, ... daß hinfort keine Zeit mehr sein soll”. Mrs. Eddy erklärt „Zeit” wie folgt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 595): „Sterbliche Maße; Grenzen, in denen alle menschlichen Handlungen, Gedanken, Annahmen, Meinungen, alles Wissen zusammengefaßt werden; Materie; Irrtum; das, was vor dem beginnt und nach dem fortdauert, was Tod genannt wird, bis das Sterbliche verschwindet, und die geistige Vollkommenheit erscheint”. Sie schreibt ferner (in dems. Buche, S. 468): „Ewigkeit, nicht Zeit drückt den Gedanken des Lebens aus, und Zeit ist kein Teil der Ewigkeit. Das eine hört in dem Verhältnis auf, wie das andere erkannt wird”. Ewigkeit bedeutet also nicht Zeit von unbegrenzter Dauer. Vergeistigung des Bewußtseins, das Ablegen der Sterblichkeit und das Anziehen der Unsterblichkeit führt zum Verständnis der Ewigkeit. So bleibt das geistige Bewußtsein in der Gegenwart des unendlichen Ich Bin, von dem es heißt: „So er spricht, so geschieht’s; so er gebeut, so stehet’s da”.
Heilung ist also das Erlangen der Erkenntnis, daß der Mensch als das Bild und Gleichnis Gottes unwandelbar vollkommen ist. Die christlich-wissenschaftliche Behandlung bringt diese Erkenntnis zum Ausdruck, und sie sollte in der Tat „lebendig und kräftig”, ja sogar augenblicklich sein.
Wer Vertrauen hat, wird geführt; Gott arbeitet für ihn, vertreibt Wolken und beseitigt Hindernisse. Sein Gutes mag verkannt werden; aber die Rechtfertigung durch die Tatsache läßt seine Rechtschaffenheit makellos leuchten. Seine Sache mag hoffnungslos scheinen; aber Gott wird ihn erretten.—
