Das christlich-wissenschaftliche Heilen läßt sich auf verschiedene Arten richtig ansehen. So kann es einen persönlichen Vermittler und einen persönlichen Gegenstand einschließen oder nicht einschließen. Eine Heilung ohne persönlichen Vermittler oder Gegenstand findet statt, wenn das durch den geistigen Sinn wirkende unendliche Gemüt eine Wirkung des materiellen Sinnes aufhebt. Eine Heilung, bei der eine Person sowohl Vermittler als auch Gegenstand ist, findet dadurch statt, daß man sich für sich selber an Stelle einer schädlichen Annahme eine Christusidee vergegenwärtigt. Eine Heilung mit einem persönlichen Vermittler und einem persönlichen Gegenstande findet statt, wenn ein Ausüber an Stelle eines Irrtums, den ein Patient hegt, eine unbedingte Wahrheit des unendlichen Gemüts erfaßt und diese sich klar macht. Die Einheit des Seins und die Wirkung des göttlichen Gesetzes liefern in diesem Falle eine weitere Erklärung. Diese Umstände helfen erklären, warum Jesus sagen konnte (Matth. 8, 7): „Ich will kommen und ihn gesund machen”.
Ein Fall kann irgend ein Zustand, Mißstand oder Umstand sein, wo Böses mit Gutem zu überwinden ist. Daher kann in einem besonderen Falle der Irrtum oder das Böse mehr als eine Person oder mehr als die Rechte einer Person in Mitleidenschaft ziehen. Das christlich-wissenschaftliche Ausüben ist durchaus sittlich; aber jede Person, deren Rechte durch einen Irrtum angetastet werden oder bedroht sind, kann diesem in völliger Übereinstimmung mit den höchsten sittlichen Forderungen durch geistige Behandlung vollständig entgegentreten und sich zu diesem Zweck an einen Ausüber wenden. Das Wirken des Meisters veranschaulicht diese Behauptung in vollem Umfange, vgl. z. B. Luk. 7, 1–16. Ferner bietet die soeben gemachte Behauptung eine Hilfe beim Heilen; denn geistige Behandlung sollte auf der Stufe stattfinden, wo der Irrtum oder das Böse von Personen getrennt ist. Mrs. Eddy hat den richtigen Gesichtspunkt in folgenden Worten nachdrücklich dargelegt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 71): „Das Böse hat keine Wirklichkeit. Es ist weder Person, Ort noch Ding, sondern einfach eine Annahme, eine Illusion des materiellen Sinnes”.
Letzten Endes ist christlich-wissenschaftliches Heilen göttliches Heilen; folglich wird es gefördert, wenn die Beteiligten wenig an ihr menschliches Selbst und viel an das wirkliche Sein denken können. Trotzdem können und sollten die Ausüber wünschen und bis zu einem gewissen Grade darauf bestehen, daß die Patienten mitwirken. Die Ansichten darüber, was die Mindestforderung sein sollte, mögen auseinandergehen; aber sie sollte das aufrichtige Verlangen sein, durch die Christliche Wissenschaft geheilt zu werden. Gab Jesus nicht zu verstehen, daß dies erforderlich ist, als er den Lahmen am Teiche Bethesda fragte (Joh. 5, 6): „Willst du gesund werden?” Erwartet der Patient Heilung und zwar sofortige Heilung, so ist es um so hilfreicher; denn dies trägt wirksam zum Erfolg bei. Erwartung ist wie Glaube in jedem Maße hilfreich. Es kann nur soviel sein, daß man glaubt, daß einem „möchte geholfen werden” (Apg. 14, 9), oder es kann der Glaube sein, der heilt, nämlich „ein absoluter Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 1).
Beim Heilen von Krankheit ist es für den Ausüber (ob er für sich oder für einen andern arbeitet) eine Hilfe, wenn er außer einem unerschütterlichen Verständnis der Wirklichkeit auch einen genauen metaphysischen Begriff von Krankheit hat. Eine der besten Erklärungen über diesen Gegenstand ist folgende auf Seite 411 in Wissenschaft und Gesundheit: „Krankheit wird immer durch einen falschen Begriff herbeigeführt, der mental beherbergt anstatt zerstört wird. Krankheit ist ein verkörpertes Gedankenbild”. Eine solche genaue Zergliederung der Krankheit rüstet den Ausüber aus, ihr entgegenzutreten. Ferner lernt der Patient (ob er selber der Ausüber ist oder nicht) durch ein solches metaphysisches Zerlegen des Gegenstandes, wie er helfen kann und nicht hindern darf. Die angeführten und andere ähnliche Worte in den Schriften der Mrs. Eddy lassen erkennen, daß jeder, der von Krankheit frei werden oder frei bleiben möchte, wachsam sich enthalten sollte, irgend welche Annahmen oder Eindrücke, die scheinbar zu seelischer und leiblicher Unordnung führen, zuzugeben oder zu beherhergen. Ferner sollte ein Patient, der einen Ausüber um Hilfe bittet, diesen nicht dadurch hindern, daß er ihm über die irrige Seite des Falles mehr erzählt, als er zu hören wünscht. Eine Mitteilung des Patienten kann dem Ausüber beim Wahrnehmen des Irrtums oder der Irrtümer, die anscheinend ursächlich geworden sind, helfen; aber er braucht und wünscht kein eindruckvolles Bild schlimmer Zustände.
Was ein christlich-wissenschaftlicher Ausüber braucht, um einen Fall wirkungsvoll zu behandeln, ist, daß er sich der unbedingten Tatsachen des Falles lebendig bewußt ist; er muß die die unbedingte Wahrheit über die Lage enthaltenden besonderen Ideen klar erfassen. Diese Darlegung leitet eine weitere Hilfe beim Heilen ein, die auch zum Fortschritt verhilft. Wir sollten die Fähigkeit pflegen, Ideen klar und treffend auszudrücken. Wir sollten uns nicht damit zufrieden geben, daß wir bloß allgemein über Gott oder unbestimmt und unklar über den Menschen denken. Mrs. Eddy hat gesagt, daß „der Mensch so bestimmt und ewig ist wie Gott” (Unity of Good, S. 49). Sie hat auch zu verstehen gegeben, daß wir den wahren Begriff oder das wahre Verständnis vom Menschen erlangen und uns ihm angleichen sollen (vgl. Wissenschaft und Gesundheit, 259:32–10; 259:13; 247:19; 248:14–34; 407:27; 409:22). Der Irrtum peinigt uns viel mehr mit falschen Vorstellungen vom Menschen oder von uns selber als mit falschen Vorstellungen von Gott. Daher müssen wir genau wissen, was der Mensch ist, und was seine Eigenschaften sind. Wir sollten also die Fähigkeit pflegen, nicht nur hinsichtlich Gottes sondern auch hinsichtlich des Menschen und des wirklichen Selbst klar, treffend und bestimmt zu sein.
