Mrs. Eddy anerkannte Jesu Machtbefugnis als von Gott verliehen und vollständig, und diese Gewißheit geht aus allen ihren Schriften hervor. Das in den Evangelien so oft berichtete „ich sage euch” des Nazareners zeigt, sogar dann, wenn seine Worte die anerkannten Lehren der Juden widerlegten, eine unverkennbare Gewißheit der Machtbefugnis. Es klingt wahr, weil er seine Worte durch seine Werke bewies. Viele Zuhörer Jesu waren sich der Wahrhaftigkeit seiner Lehren bewußt; denn die Tiefe seiner eigenen Gewißheit wirkte überzeugend. Die Bibel berichtet, daß „das Volk sich über seine Lehre entsetzte; denn er predigte gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten”. Nicht durch Behaupten unbewiesener Glaubenssätze und Glaubenslehren überzeugte er seine Zuhörer, sondern dadurch, daß das, was er sagte, aus bestimmtem und genauem Wissen, aus vollem Verständnis und aus tiefstem Herzen kam. Jesu Machtbefugnis war unanfechtbar, weil er die Wahrheit seiner Worte bewies.
Woher kam diese anerkanntermaßen auf göttlicher Ermächtigung beruhende Gewißheit? Was war ihre Quelle, und wie erwarb sie Jesus? Das sind Fragen, die jeder ehrliche Sucher sich stellt. Die Quelle seiner Machtbefugnis lag in seinem vollkommenen Verständnis der Art und des Wesens Gottes, des wirklichen Menschen als des Sohnes Gottes, der Schöpfung, und in seinem aus diesem Verständnis hervorgehenden vollständigen Gottvertrauen. Jesus wußte, daß sein wahres Selbst die Widerspiegelung und der Ausdruck der Gottheit war. Er wußte, daß er der Sohn Gottes war, und dieses Verständnis entfaltete sich, indem er fortschritt, dermaßen, daß er sich der Macht und Gegenwart Gottes immer bewußt war—sich immer bewußt war, daß Gott sowohl allmächtig als auch allgegenwärtig ist. Dieses bestimmte Wissen befähigte ihn, recht zu beten, so wissenschaftlich zu beten, daß seine Gebete ausnahmslos erhört wurden.
Hätte ihn etwas anderes als erhabene Gewißheit der Allmacht Gottes befähigen können, zu seinen Jüngern zu sagen: „So ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so mögt ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von hinnen dorthin! so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein”? Auf Grund seines klaren Bewußtseins der Gegenwart und Macht Gottes rügte Jesus den Unglauben seiner Jünger, als sie den Geistesgestörten nicht heilen konnten. Die tiefe Überzeugung, mit der er sprach, überzeugt uns, daß sein „ich sage euch” mit der höchsten Ermächtigung, mit der je ein Mensch sprach,—mit göttlicher Ermächtigung—gesprochen war.
War diese Machtvollkommenheit nur Jesus verliehen? muß jeder Nachdenkende sich unwillkürlich fragen. Die Christliche Wissenschaft erklärt nachdrücklich, daß alle, die durch bestimmte Gotteserkenntnis Gottvertrauen erlangen, sie erwerben können. Mrs. Eddy gründete ihre göttliche Machtbefugnis auf ihre bewußte Gemeinschaft mit Gott. Sie betont wiederholt die Notwendigkeit, daß ihre Schüler das Verständnis erwerben, das diese Machtbefugnis übermittelt, und in ihren Schriften gibt sie ihnen das Mittel an die Hand, wodurch sie es erlangen können. Die Arbeit eines Christlichen Wissenschafters besteht also u.a. darin, daß er durch Erlangen bestimmter Gotteserkenntnis sein Gottvertrauen entwickelt. So erwirbt man die Gewißheit, die einen befähigt, mit Vollmacht zu sprechen.
Volles Gottvertrauen erlangt man nur, wenn man aus den auf Seite 465 in Wissenschaft und Gesundheit gegebenen sinnverwandten Ausdrücken für Gott: „Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit und Liebe” die göttliche Art und das göttliche Wesen verstehen lernt. Eingehendes Nachdenken über diese sieben Ausdrücke für Gott, die die Vollständigkeit der Gottheit beschreiben, entfaltet im Bewußtsein eine beständig wachsende Würdigung jedes Wortes für sich und in seiner Beziehung zu allen anderen. Dieses Entfalten geht vielleicht nicht schnell vor sich, sondern durch viel Nachdenken und ernstes Gebet. Um auf Gott ganz zu vertrauen und uneingeschränkt an Ihn zu glauben, müssen wir genaue und bestimmte Kenntnis des göttlichen Wesens haben, müssen mit Seinen Eigenschaften, Seinen Merkmalen und Seiner Macht vertraut werden. Dies ist keine unmögliche Aufgabe, sondern ein gesegnetes Vorrecht; denn es führt zu jener Erlösung, die ewiges Leben ist. Durch das Erlangen einer bestimmten Gotteserkenntnis lernen wir überdies verstehen, daß der wirkliche Mensch, der Sohn Gottes, Gottes Ebenbild, keine Eigenschaft hat, die nicht von Gott stammt.
Diese Erkenntnis Gottes und des Menschen entfaltet die Wahrheit, die alle falschen Vorstellungen von Gott und Seinem Sprößling, d.h. von Gott und Seinem Ebenbild, dem Menschen, zerstört. So wird Machtbefugnis dadurch aufgerichtet, daß man „Christi Sinn” erlangt.
Gottes Wesen erkennen bedeutet also auch des Menschen Wesen und seine Beziehung zu Gott verstehen, und dieses Verständnis ist eine unanfechtbare und dauernde Machtbefugnis. Es ist die Machtbefugnis, die Jesus befähigte, Mißklang jeder Art zu zerstören, und die heute allen, die sie erwerben, dieselbe Kraft verleiht. Mrs Eddy schreibt darüber auf Seite 395 in Wissenschaft und Gesundheit: „Gleich dem großen Beispielgeber sollte der Heiler zu der Krankheit sprechen wie einer, der Gewalt über sie hat, und sollte es Seele überlassen, den falschen Augenschein der körperlichen Sinne zu meistern und die Ansprüche der Seele der Sterblichkeit und Krankheit gegenüber geltend zu machen”.
Ganze Hingebung an ein rechtschaffenes Streben verbürgt dessen Erfüllung. Und was einem möglich ist, können alle erstreben. Die Erkenntnis des göttlichen Ursprungs des Menschen, der höchsten Tatsache, daß der wirkliche Mensch durch Widerspiegelung jetzt sich aller Eigenschaften und Merkmale Gottes bewußt ist und sie besitzt, gibt einem Vollmacht, alles dem göttlichen Wesen Unähnliche zu verwerfen. Beanspruchen wir diese Eigenschaften hier und jetzt als zum Menschen gehörend, so erleben wir sie nicht nur in dem Verhältnis unserer Erkenntnis der Tatsache, sondern wir leugnen dadurch auch, daß etwas, was nicht von Gott ausgeht, zum Menschen gehört. Durch regelmäßiges und anhaltendes Sichvergegenwärtigen der göttlichen Natur und Gegenwart und der Einheit des Menschen mit Gott wachsen wir im Glauben und im Verständnis. Der Mensch, der wirkliche Mensch, ist der Sohn Gottes, und diese Sohnschaft bildet des Menschen göttliches Erbe. Die Erkenntnis dieser Tatsache befähigt uns, die uns von Gott verliehene Machtbefugnis erfolgreich geltend zu machen.
„Ich sage euch” kann also immer mit zuversichtlicher Machtbefugnis gesprochen werden, wenn Gott verstanden wird und des Menschen Beziehung zu Gott im Bewußtsein aufgerichtet ist. Da das Reich Gottes inwendig in uns ist, erklärt Mrs. Eddy (Pulpit and Preß, S. 3): „Wisse also, daß du unumschränkte Macht hast, recht zu denken und recht zu handeln, und daß nichts dich dieses Erbes berauben und die Liebe mißbrauchen kann”. Diese von Gott verliehene unumschränkte Macht rüstet uns alle mit der Fähigkeit aus, mit der göttlichen Machtvollkommenheit zu sprechen, die alles dem Guten Unähnliche zerstört. Groß ist diese Verleihung und gesegnet die Belohnung ihrer richtigen Anwendung.
