Wir lesen im 5. Kapitel des Evangeliums des Johannes, daß Jesus nach seiner Ankunft in Jerusalem einmal viele Kranke am Teiche Bethesda liegen sah, und daß ihm einer besonders auffiel. An diesen richtete der Meister die bedeutsame Frage: „Willst du gesund werden?”
Bekanntlich antwortete der Kranke nicht mit einem unumwundenen Ja, sondern wagte einzuwenden, daß gewisse nach seiner Ansicht für seine Wiederherstellung wesentliche Bedingungen nicht erfüllt seien. Ließ Jesus dies als Hindernis für die Heilung des Menschen gelten? Keineswegs. Durch die Zweifel und das körperliche Unvermögen des Menschen am Teiche hindurchschauend und ihre Unwirklichkeit erkennend, stellte er die Gesundheit des Menschen wieder her mit dem Gebot: „Stehe auf, nimm dein Bett und gehe hin!”
Ein Schüler der Christlichen Wissenschaft, dem durch richtiges Anwenden der Christlichen Wissenschaft viele Beweise ihrer Heilkraft zuteil geworden waren, schien trotz seiner Überzeugung, daß das, was Mary Baker Eddy der Welt gegeben hatte, eine göttliche Offenbarung und ein Segen für die Welt war, nicht willens, jenes unbedingte Vertrauen auf Gott zu setzen, das zur Beseitigung alles dessen, was geistigen Fortschritt hindert, unerläßlich ist. Er glich ganz denen, an die Mrs. Eddy in dem Kapitel Gebet im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 9) die Frage richtet: „Seid ihr willens, alles um Christi, um der Wahrheit willen, zu verlassen und so unter die Sünder gerechnet zu werden?”
Da Mrs. Eddy die Umtriebe des sogenannten menschlichen Gemüts kannte, beantwortete sie ihre Frage selber mit einem entschiedenen „Nein”. Dann weist unsere verehrte Führerin diejenigen, die lange Gebete verrichten und dem Wegweiser doch nicht folgen, mit der bedeutungsvollen Erklärung (S. 10) zurecht: „Beten heißt, danach verlangen, im Lichte zu wandeln, und es dann auch wirklich tun, insoweit wie wir das Licht empfangen, sei es auch mit blutenden Fußtapfen, und dem Herrn die Erfüllung unserer wirklichen Wünsche anheimstellen, während wir geduldig Seiner harren”.
Als der oben erwähnte, Schüler bei sich immer wieder nach einem verborgenen Grund suchte, warum ein gewisser irriger Zustand trotz Behandlung nicht weichen wollte, mußte er sich gestehen, daß seine eigenen gedanklichen Vorbehalte die erwartete heilende Wirkung der für ihn geleisteten Arbeit des Ausübers verhinderten. Es lag nicht etwa daran, daß der Schüler nicht geheilt werden wollte, sondern er wollte sich nicht rückhaltlos auf Gott verlassen, und das verzögerte das Überwinden der Schwierigkeit. Ohne völliges geistiges Zusammenarbeiten des Patienten und des Ausübers ist Heilung von Krankheit und Umwandlung von Sündern kaum zu erwarten.
In dem Maße, wie Schüler der Christlichen Wissenschaft willig sind, die liebevollen Ermahnungen der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft und Verfasserin des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs zu beachten, sind sie fähig, dem Sturm und Drang des täglichen Lebens standzuhalten. Anderseits ernten diejenigen, die nicht willens sind, sich gehorsam und gewissenhaft in die Christliche Wissenschaft zu vertiefen und die von Mrs. Eddy in ihren verschiedenen Schriften niedergelegten Regeln zu beachten, nur ihrem Säen entsprechend. Bereitwilligkeit und Gehorsam mögen nicht dasselbe bedeuten; aber ihre Verwandtschaft tritt in der Bibel und in den Werken unserer Führerin klar hervor. Die Bereitwilligkeit, allem nachzukommen, was in einer gegebenen Lage erforderlich sein mag, muß dem Gehorsam vorangehen.
Ein Ausüber muß ein selbstloses geistiges Verständnis der Liebe, die nimmer aufhört, haben, um dem Patienten die Wahrheit zu sagen, die das schlammige Gewässer aufrührt und so zu Läuterung und Wiedergeburt führt; denn oft wird die Ermahnung nicht sehr gern gehört.
Wer das Verlangen hat, aus der Finsternis des sterblichen Denkens herausgeführt zu werden, sollte nicht murren, wenn ihm zu seinem Besten liebevoll die Wahrheit gesagt wird. Wir wissen, was den Kindern Israel widerfuhr: ihre Widersetzlichkeit hinderte sie am Fortschritt auf ihrer Wanderung nach dem gelobten Land. Doch befolgten sie, wie wir im 2. Buche Mose lesen, bereitwillig das Gebot Mose’s, das er auf dem Berge Sinai empfangen hatte, und brachten Gold und Silber und andere Kostbarkeiten zum Bau der Stiftshütte dar. „Es brachten aber”, wie es im 35. Kapitel des 2. Buchs Mose heißt, „beide, Mann und Weib, wer’s willig tat”.
Der Geist der Bereitwilligkeit ist für die Heilung jedes die Menschheit bedrängenden Unbehagens bahnbrechend. Aber der Ausüber sollte dem Patienten die in einem Falle nötige Wahrheit ebenso bereitwillig sagen, wie der Patient sie anhören sollte. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 570, 571): „Viele sind willig, die Augen der Leute für die dem göttlichen Gemüt innewohnende Kraft des Guten zu öffnen, aber sie sind nicht so willig, auf das Böse in dem menschlichen Denken hinzuweisen und die mentalen Schleichwege des Bösen bloßzustellen, auf denen Schlechtigkeiten vollbracht werden”.
Auf der Grundlage der Erklärung unserer Führerin muß es der christlich-wissenschaftlichen Arbeit unfehlbar gelingen, das Leben derer zu erneuern, die in die Abirrungen des sterblichen Gemüts vom rechten Wege verstrickt worden sind.
