Wenn die Winterkälte dem herannahenden Frühling weicht, schwillt die Knospe, öffnet sich und entfaltet sich zur Blüte. Der Frühling ist eine Zeit der Entfaltung, des Ausdrucks, der Erfüllung lang zurückgehaltener Verheißung.
Im menschlichen Leben kann es Zeiten der Öde, des Leids, der Zurückhaltung geben, und mancher ist sich still gehegter aber noch unentwickelter rechter Wünsche bewußt. Die Christliche Wissenschaft verhilft diesen Wünschen durch das Gesetz des Guten zum vollen Ausdruck, und die Knospe Verheißung sollte während des ganzen Trachtens nach einer höheren Stufe vor eigener oder von außen kommender Härte oder Entmutigung geschützt werden.
Wem es noch nicht gelungen ist, die erstrebte höhere sittliche und geistige Stufe zu erreichen, der muß sein Wachstum dadurch fördern, daß er das göttliche Wesen seines Strebens und dessen gewisse Erfüllung anerkennt. Sein rechtes Verlangen zeigt, daß er begonnen hat, Lichtblicke von der Tatsache zu erlangen, daß Gott, das Gute, unendlich und allerhaben ist. Der Übergang von Mißerfolg zu Erfolg, so langsam er auch sein mag, muß durchweg von liebevoller Geduld und unermüdlicher Ermutigung sowohl im Verhalten des einzelnen gegen sich selber als auch im Verhalten seiner Mitmenschen, die mit der Ausarbeitung ihrer Erlösung schon etwas weiter auf dem himmlischen Pfade sind, begleitet sein. Wenn die Worte zögernd kommen und demütigende Bekenntnisse auf der Zunge liegen, sollte man auf ihre langsame Äußerung warten; denn an diesem Wendepunkte kann eine abfällige Bemerkung oder ein schroffer Rat wie Frost auf eine Knospe wirken. Empfindlichkeit, Selbstbewußtsein und Mangel an Selbstvertrauen mögen hartnäckig zu sein scheinen, und es kann echte Geduld erfordern, sie zu besiegen.
Aber „Liebe”, sagt Mrs. Eddy, „verleiht der geringsten geistigen Idee Macht, Unsterblichkeit und Güte, die durch alles hindurchscheinen, der Blüte gleich, die durch die Knospe hindurchscheint” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 518). Das geringste Anzeichen sittlicher und geistiger Besserung muß gepflegt werden; denn wenn es weiterwächst, werden diejenigen, die sich auf neues Gelände wagen, beständig fortschreiten.
Für den Christlichen Wissenschafter ist es etwas Natürliches, über die göttliche Liebe und über Glaubensfragen zu sprechen. Aber für manchen ist es etwas so Ungewohntes, über Religion zu reden, daß es zu Zurückhaltung oder Unbeholfenheit führt, die irrigerweise leicht für Gleichgültigkeit oder Vorurteil gehalten wird. Vielleicht war jemand gleichsam wie von Eis umgeben, unglücklich in seinem menschlichen Beziehungen, und kann kaum an den Sonnenschein der göttlichen Liebe glauben oder ihrem Ruf folgen. Oder auch Stolz oder Furcht vor schließlicher Enttäuschung kann es manchen Menschen schwer machen, Freundlichkeit uneingeschränkt anzunehmen und ihre erwachende Dankbarkeit zu flüstern. Die Christliche Wissenschaft wandelt dieses beengende Selbstbewußtsein der Sterblichen allmählich in die Empfänglichkeit des geistigen Menschen um, für dessen geistige Sinne das Gute beständig und natürlich ist. Mrs. Eddy schreibt darüber: „Die Sterblichen sollen sich vor dem Schöpfer neigen und durch die Durchsichtigkeit der Liebe betrachtet den Menschen in Gottes eigenem Bild und Gleichnis sehen, indem sie jeden knospenden Gedanken in die Schönheit der Heiligkeit einreihen” (Miscellaneous Writings, S. 330). Dieses Neigen der Sterblichen wird durch Demut, Glauben, Hoffnung, Dankbarkeit, Empfänglichkeit für das Gute beschleunigt. Diese Eigenschaften müssen im stillen gepflegt werden; denn durch ihre Durchsichtigkeit scheint die Schönheit der Heiligkeit ungehindert hindurch. Die zehn frohen Verse des 35. Kapitels des Propheten Jesaja versinnbildlichen den Frühling geistigen Wachstums, wo Seufzen und Sorgen vor dem Kommen von geistigem Schauen, Stärke und Heiligkeit fliehen.
Der Christliche Wissenschafter ist bestrebt, sich vollkommen vom göttlichen Prinzip regieren zu lassen, und Mrs. Eddy zeigt auf Seite 236 in Wissenschaft und Gesundheit, wie wünschenswert es ist, in der Kindheit Gehorsam und Selbstregierung zu lernen. Wird in Kindern durch den Einfluß der christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule und durch das gute Beispiel zu Hause der Sinn für das Rechte entwickelt, so bildet sich die Knospe Selbstregierung. Sie bleiben vor falschen sittlichen und geselligen Einflüssen bewahrt, und ihr Charakter und ihre Laufbahn erblühen gemäß dem Gesetz der Wahrheit und der Liebe in Schönheit. Gehorsam gegen das göttliche Prinzip ist das Ziel der Christlichen Wissenschafter; und in der Kindheit weist Gehorsam gegen die von Eltern und Vormündern ausgedrückte Weisheit den Weg zur Selbstregierung.
Damit das Böse das geistige Wachstum weder verhüllt noch unverhüllt hindere, wurde Mrs. Eddy göttlich geführt, der christlich-wissenschaftlichen Bewegung den Schutz des Kirchenhandbuchs zu geben, über das sie schreibt: „Es steht einzig da und ist ganz besonders dazu geeignet, den sich entwickelnden Gedanken zu bilden und ihn mit göttlicher Liebe zu umgeben” (Handbuch, Art. XXXV, Abschn. 1). Vieles, was dem geistigen Wachstum hinderlich wäre, wird entfernt, wenn wir die große Reichweite der christlich-wissenschaftlichen Bewegung sehen und verstehen lernen, wie unbedingt notwendig liebevolles und wissenschaftliches Zusammenwirken in der Kirchenarbeit ist. Es mag uns nicht immer leicht fallen, Eigenwillen, Machtstolz und persönlichen Einfluß zu beschneiden; wenn aber an ihrer Stelle Zusammenarbeit hervorsprießt und wir sehen, wie unter den Kirchenmitgliedern im großen ganzen größere Einigkeit in Erscheinung tritt, sind wir für das Umgeben mit göttlicher Liebe dankbar.
Die Christliche Wissenschaft offenbart die Allumfassenheit des Guten, und jeder muß dazu beitragen, zu beweisen, daß „Israel blühen und grünen wird, daß sie den Erdboden mit Früchten erfüllen”.
