In seiner aufsehenerregenden Erklärung: „Ehe denn Abraham ward, bin ich”, nahm Christus Jesus nicht nur auf die Ewigkeit der allumfassenden Wahrheit Bezug, sondern auch auf seine eigene Präexistenz als individueller Sohn Gottes, als einzelne göttliche Widerspiegelung. Es ist leicht zu sehen, daß diese Worte ebenso auf alle einzelnen Söhne Gottes anwendbar sind, wie sie es auf Jesus, den Christus, waren.
Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 267): „Es wird allgemein zugegeben, daß Gott der Vater ist, daß Er ewig, selbstschöpferisch, unendlich ist. Wenn dem so ist, muß der Ewig-Vater schon vor Adam Kinder gehabt haben. Der große Ich Bin hat alles gemacht, ‚was gemacht ist.‘ Folglich bestehen der Mensch und das geistige Universum zugleich mit Gott”. Aber die Tatsache des ewigen Daseins des Menschen, der ewigen Fortdauer seines Seins als der bewußten Widerspiegelung des göttlichen Gemüts oder des Geistes bedeutet weder ein früheres materielles Dasein noch frühere oder nachfolgende Verkörperungen oder Wiederverkörperungen endlicher Seelen oder Geister. Ein solcher Glaube ist nicht wissenschaftlich christlich.
Die Frage, wie oder warum man scheinbar in dieses sogenannte menschliche Dasein, diesen Sterblichkeitstraum mit seinen Wechselfällen hineingekommen ist, ist nicht so wichtig wie die Frage, wie man daraus herauskommen kann. Was wir daher vom gegenwärtigen Augenblick unserer bewußten Erfahrung an, von heute an, wo uns die Christliche Wissenschaft findet, brauchen, ist, unsern Daseinsausblick auf die Zeit gerichtet sein zu lassen, wo wir durch das Verständnis und den Beweis des Christus in der Christlichen Wissenschaft völlige Befreiung von dem Glauben, daß das Leben sterblich sei, erlangt haben werden. Daher sollten wir uns nicht verleiten lassen, vergeblich darüber nachzudenken, warum wir uns scheinbar in einem Zustand oder einer Erfahrung befinden, wovon wir erlöst zu werden brauchen, sondern sollten unser Denken immer mehr auf die von unserer Führerin auf Seite 428 in Wissenschaft und Gesundheit dargelegte große Tatsache richten, daß „der Mensch vollkommen und unsterblich ist, nicht sein wird”.
Ebenso sollten wir Mutmaßungen bezüglich des sogenannten zukünftigen Lebens, des Hiernach, einer Prüfungszeit jenseits des Grabes vermeiden. Was werde ich wohl sein, wenn ich die Todesannahme durchschritten habe? scheint für viele eine faszinierende Frage zu sein; sie ist aber im neutestamentlichen Bericht über Jesu Erfahrung nach seiner Auferstehung und in der uns von Mrs. Eddy in unserem Lehrbuch und in ihren anderen Schriften gegebenen Erklärung jener Erfahrung genügend beantwortet.
Nichts von allem, was hierüber gesagt werden kann, so sehr es auch unsere Neugier befriedigen mag, kann uns bei der Ausarbeitung unserer Erlösung von der Sterblichkeit von größerem Werte sein als die tröstliche Versicherung im ersten Briefe des Johannes: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder”. Warum? Weil „Gottes Kinder”, die Ideen des göttlichen Gemüts, offenbar mit diesem Gemüt, das das ewige Leben ist, zugleich bestehen. Die Kinder Gottes wurden nie in eine menschliche, sterbliche Erfahrung hineingeboren und brauchen daher nicht daraus herauszukommen.
Was wir beim Ausarbeiten unserer Erlösung von den Annahmen des Bösen, den Befürchtungen, den Aufregungen der menschlichen Erfahrung brauchen, ist das Verständnis, daß wir uns tatsächlich nie in einer solchen Erfahrung oder einem solchen Zustand befanden. Das Einzige, was uns von diesem Scheinzustand der Sterblichkeit je erretten kann, ist, so sonderbar es scheinen mag, das Verständnis, daß wir in Wirklichkeit nie darin waren. Was uns also am meisten nottut, ist, daß wir unser Denken mehr auf die Fortdauer des Seins richten. „Ehe denn Abraham ward, bin ich”!
Wenn man schläft und träumt, besonders wenn man einen bösen Traum hat, tut einem am meisten not, aufgeweckt zu werden. Ist man ganz wach, so beunruhigen einen die Erfahrungen des Traumes im Schlafe nicht mehr, erschreckt einen die wunderliche Entsetzlichkeit des bösen Traumes nicht mehr. Wir erkennen, daß der Traum kein Teil unseres wachen Bewußtseins ist, und daß der böse Traum nie ein Teil unseres normalen Wohlbefindens war. So müssen wir in diesem Traumdasein scheinbarer Sterblichkeit mit seinen bösen Träumen von Krankheit und Sünde vor allem zu dem wahren Sinn des Lebens erweckt werden. Jenes unsterbliche Leben, das ohne Anfang und ohne Ende ist, schließt für uns jetzt und immerdar in reichem Maße Gesundheit und Harmonie in sich.
„Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten”. Wachet auf! alle, die den Traum der Materialität träumen! In dem Maße, wie wir uns über die unvermeidliche Sterblichkeit des Traumes erheben, gibt uns der Christus, die geistige Idee Gottes, das Licht der göttlichen Intelligenz, wodurch wir das Leben und seine sündlose Freude erkennen und ergreifen. Dadurch werden wir uns voll bewußt, daß wir mit dem göttlichen Sein, das Gott ist, zugleich bestehen; und das ist todloses Leben.
Nur für den falschen, endlichen, menschlichen, materiellen, sterblichen Sinn derer, die sich auf „dieser Daseinsebene”, wie wir sie zu nennen belieben, befinden, scheint man überhaupt geboren zu werden oder zu sterben. Aber in Wirklichkeit gibt es keine zwei oder mehr „Ebenen” des Daseins. Es gibt nur die eine geistige Ebene, und der wirkliche Mensch hatte sein Dasein nie auf einer andern Ebene. Der einzige Mensch, den es je gab oder je geben wird, ist der geistige, unsterbliche Mensch. Er ist das, was er als Widerspiegelung Gottes weiß. Auf Seite 266 in Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Der Mensch ist todlos, ist geistig. Er ist über Sünde oder Schwachheit erhaben. Er schreitet nicht über die Grenzen der Zeit in die unermeßliche Ewigkeit des Lebens, sondern er besteht zugleich mit Gott und dem Universum”.
Nichts ist gewisser als die Unverrückbarkeit und Unvergänglichkeit des zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen, und nichts ist gewisser, als daß wir in Wirklichkeit jetzt dieser Mensch sind. Warum sollen wir also Zeit vergeuden mit müßigem Fragen, was wohl aus dem sterblichen Menschen werden möge, der kein Teil der Wirklichkeit des Seins ist, nie ein Teil davon war noch sein wird? Der menschliche Sinn möchte geltend machen, daß wir ein Doppelwesen sind: ein sterbliches und ein unsterbliches Selbst, eine materielle und eine geistige Person. Aber in Wirklichkeit gibt es nicht zwei, sondern eins, das Rechte, das Geistige, das Sündlose; und dies Eine ist jetzt, war immer und wird immer eins mit dem unsterblichen Leben sein.
