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Der Bettler und der Apostel

Aus der Mai 1935-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Eine Bettler, der von Geburt an lahm war, ließ sich täglich vor „die schöne” Tür des Tempels tragen. Zweifellos hatte er den Augenschein der Sinne für wahr gehalten und in der Annahmen, daß Gold und Silber die Quelle und Substanz der Versorgung seien, geglaubt, er besitze wenig oder nichts, während andere in Überfluß lebten. Da er geistige Werte und den Reichtum wahren Charakters nicht kannte, erwartete er offenbar seine Versorgung von Personen und vom Geld. Mit welch bedauernswerter, sehnsüchtiger Besorgnis er die in „Purpur und köstliche Leinwand” Gekleideten beobachtet haben muß! Wie bitter er enttäuscht und wie ungewiß die Befriedigung seiner Bedürfnisse gewesen sein mußte, solange er sich auf die veränderlichen Launen der Vorübergehenden verließ und darauf wartete, daß sie ihm ein paar Pfennige zuwarfen! War es bei solch falschem Verlaß befremdend, daß er lahm blieb und nicht auf seine Füße stehen konnte?

Aber eines Tages geschah etwas Wunderbares. Der eine von zwei Vorübergehenden, die der Bettler um ein Almosen bat, sah ihn forschend an. Er gab ihm kein Geld, sagte aber, er wolle ihm geben, was er habe. Dann faßte ihn der Apostel Petrus an der rechten Hand und gebot ihm im Namen Christi: „Stehe auf und wandle!” Und wir lesen: „Alsobald standen seine Schenkel und Knöchel fest”. Der Bettler stand aufrecht, gerade! In einem Augenblick war der lahme Arme in einen tätigen Menschen umgewandelt! Kein Wunder, daß der durch den Geist belebte und befreite Mensch unwillkürlich in einen Freudensturm ausbrach, wandelte und sprang und Gott lobte!

Als der Apostel dem Bettler seine Hilfe anbot, schenkte er offenbar dem Zustand seiner Füße oder seiner Armut keine Beachtung, sondern sah ihn mit durchdringendem geistigem Scharfblick forschend an, als blicke er durch die gebrechliche Persönlichkeit hindurch in das Bewußtsein des wahren Menschen hinein.

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