Die Christliche Wissenschaft lehrt, und ihre Anwendung beweist, daß Gott nicht eine Person im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern das unbedingte und ewige göttliche Prinzip ist, und daß das Wirken des Prinzips in unaufhörlichem, unfehlbarem Gesetz zum Ausdruck kommt. Das Wirken dieses Gesetzes wird weder durch Zeit, Raum, Umstand noch durch irgend etwas, was ein menschliches Wesen sagt oder tut, beeinflußt. Mrs. Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 2): „Gott läßt sich durch den Odem des Lobes nicht bewegen, mehr zu tun, als Er bereits getan hat, noch kann der Unendliche weniger tun als alles Gute spenden, da Er unwandelbare Weisheit und Liebe ist”.
Da nun nichts das Wirken des Gesetzes, wodurch Gott Seiner Schöpfung immerdar unbegrenzt Gutes verleiht, ändern kann, da Lob Ihn nicht beeinflussen kann, mehr zu tun, als Er bereits tut, warum werden wir dann durch die ganze Bibel hindurch und in der ganzen christlichen Lehre ermahnt, Gott zu preisen, Ihn zu verherrlichen, Lob- und Danklieder zu singen? Und warum legen die Christlichen Wissenschafter so großen Wert darauf, in ihren Mittwochabendversammlungen Dankbarkeit auszudrücken? Zweifellos muß die Bekundung dieser Gefühle einem guten Zweck dienen, wenn sie auch Gottes Beziehung zu Seiner Schöpfung nicht zu ändern vermögen. Und wenn wir diesen Zweck ergründen und die Grundlage und das Wesen wahren Lobes und wahrer Dankbarkeit besser verstehen, werden wir finden, daß das Üben dieser Tugenden natürlicher, freudiger und sogar wirksamer als je zuvor werden wird.
Unsere Führerin schreibt ferner (Miscellaneous Writings, S. 208): „Die Sterblichen brauchen sich nur dem Gesetz Gottes zu fügen, in Übereinstimmung damit zu kommen und Seinen Willen geschehen zu lassen”. Die Erfahrung zeigt, daß wir in dem Maße, wie es uns gelingt, diesen Grundsatz in die Tat umzusetzen, beweisen, daß wir immer freier werden von den verwirrenden Problemen menschlicher Erfahrung, von Furcht und Streit, von Armut und Schmerz, und dafür nach und nach mehr Freude, Frieden, Glück und Gesundheit genießen, d.h. uns eines reicheren Lebens erfreuen. Natürlich segnet uns alles, was uns hilft, mit Gottes Gesetz in Übereinstimmung zu kommen; und wenn wir dies erreichen, werden wir leicht sehen, daß Dankbarkeit und Lob in der Tat wirksame Mittel sind. Mit andern Worten, wenn auch Dankbarkeit und Lob das Wirken des Gesetzes Gottes uns gegenüber nicht ändern können, tragen sie doch viel dazu bei, uns damit in Übereinstimmung zu bringen. Daher sind sie unerläßliche Schritte bei unserem Fortschritt himmelwärts.
Dankbarkeit bedeutet „dankbar sein für empfangene Wohltaten”. Gewöhnlich wird sie nach Empfang solcher Wohltaten und zugleich als Empfangsbestätigung geäußert. In der Regel wird für vorenthaltene oder aufgeschobene oder bloß erhoffte Wohltaten kein Dank erwartet. Wir sind selten für etwas, was wir zu einer unbestimmten künftigen Zeit zu erhalten hoffen, was also noch nicht in unsern Besitz gelangt ist, heute schon tatsächlich dankbar. Ein aufgeschobenes Geschenk ruft weder Anerkennung noch Lob hervor. Nur für bereits empfangene Wohltaten glauben wir ehrlich anerkennend und dankbar sein zu können. Daher sollten wir eingedenk sein, daß wir, geistig verstanden, die wahren Wohltaten, für die wir dankbar sind, bereits empfangen haben.
Es ist angebracht, zu erkennen, daß die Menschen Dankbarkeit in verschiedenen Wärme- oder Stärkegraden empfinden. Ein ehrliches Herz empfindet jedoch für jede freundliche oder höfliche Handlung Dankbarkeit. Durch die Dankes- bezeugung anerkennt man den Wert des empfangenen Guten. Es liegt nichts Selbstsüchtiges oder Unpassendes darin. Es ist ehrlich und gerecht. Aufrichtige Dankbarkeit jedes Grades ist also nicht oberflächlich, grundlos oder das Ergebnis bloßer Gefühlserregung, des Aberglaubens, oder geheimer Furcht, Anstoß zu erregen; sie ist nicht die Haltung des Schmeichlers oder Bettlers. Sie ist intelligentes und bewußtes Anerkennen und Schätzen empfangener Wohltaten.
Lasset uns nun den höheren Begriff von Dankbarkeit, wie Anerkennung bereits empfangener geistiger Wohltaten, auf unsere richtige Haltung gegen Gott, wie wir Ihn in der Christlichen Wissenschaft verstehen lernen, anwenden! Lasset uns damit beginnen, daß wir einige der bekannten Tatsachen über Gott, über den Menschen als Gottes Bekundung und Ebenbild und über die unaufhörliche Beziehung Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott aufzählen! Lasset uns bestimmt und klar verstehen, daß diese göttlichen Daseinszustände nicht aufgeschoben sind, um uns zu einer künftigen Zeit oder an einem weitentfernten Ort verliehen zu werden, sondern daß wir sie hier und jetzt in ihrer ganzen Vollkommenheit und Vollständigkeit genießen können. „Wir sind nun Gottes Kinder”. Jetzt ist Gottes Schöpfung vollkommen und vollständig; jetzt ist Gottes Reich gekommen; jetzt ist Gottes Weltall das einzige Weltall, Gottes Sein das einzige Sein, Gottes Gesetz das einzige Gesetz und Gottes Mensch der einzige Mensch. Jetzt ist uns in Wahrheit alle Gesundheit, alle Freude und alles Glück, Friede, Fülle und Freiheit verliehen. Als Gottes Kinder haben wir jetzt in unbegrenztem Maße den ganzen Reichtum, die Schönheit, die Lieblichkeit und die Glückseligkeit des Reiches Gottes. Die Macht und Majestät, die Schönheit und Erhabenheit Seiner Gegenwart sind jetzt bei uns, und nichts als Gott und Seine Schöpfung hat Gegenwart oder Wirklichkeit.
Wir brauchen nicht auf etwas Wirkliches und Gutes zu warten. Wir brauchen Freiheit und Glück nicht erst von einer künftigen Welt oder zu einer günstigeren Zeit oder von einem günstigeren Umstande zu erhoffen. Wir brauchen nicht darauf zu warten, daß Gott durch Äußerungen der Dankbarkeit oder des Lobes bewegt werde, etwas für uns zu tun, was Er nicht schon getan hat; denn Er hat allen schon alles Gute verliehen. Das Gute ist also schon gegenwärtig, schon verliehen und schon empfangen. Und nicht nur sind die Unendlichkeit, die grenzenlose Freiheit, die Harmonie und der Segen des göttlichen Bewußtseins zur Hand und dem Menschen, dem Bild und Gleichnis Gottes, bereits verliehen, sondern wir sollten auch erkennen, daß kein gegenteiliger Zustand, der an Unvollkommenheit, Widerwärtigkeit, Mißklang oder Gottunähnliches erinnert, wirkliches Dasein oder Gegenwart hat. Zustände, die das menschliche Dasein zu beunruhigen scheinen, sind nicht, was sie zu sein scheinen, sind keine bösen Tatsächlichkeiten, sondern bloß falsche Ansprüche ohne Wesenheit oder Wirklichkeit. Da Gott das All ist, und da es keine andere Gegenwart, Wesenheit, Macht und kein anderes Bewußtsein gibt, gibt es überhaupt keinen Gemütszustand, kein Bewußtsein, das sich des Bösen oder des Irrtums in irgend einer Form bewußt wäre. Für das Gemüt besteht nicht einmal ein Sinn oder eine Annahme des Bösen. Das eine Gemüt, Gott, kennt keine falschen Annahmen, macht keine Fehler, nimmt keinen Irrtum wahr, wird nie irregeführt oder getäuscht. Daher gibt es keinen falschen Glauben, keinen Glauben an etwas Falsches. Ein solcher Glaube ist nur ein vermeintlicher Zustand eines vermeintlichen Bewußtseins, sterbliches Gemüt genannt. Er ist eine bloße Annahme, keine Tatsächlichkeit.
Könnte es etwas Wunderbareres als die Vollkommenheit des Seins geben? Könnte dem Menschen ein größerer Segen verliehen werden als der, der ihm bereits verliehen ist und immer verliehen war? Könnte man sich einen größeren Reichtum wünschen oder vorstellen als den, den der Mensch schon dauernd besitzt? Könnte Lob oder Dankbarkeit bewirken, daß uns etwas Besseres zuteil werde als die Tatsache, daß Vollkommenheit stets die Wirklichkeit des Seins war, und daß das Böse nie bestand?
Wenn wir über diesen Begriff vom Sein nachdenken, wenn sich die Vollkommenheit, die Größe, die Freigebigkeit und die Herrlichkeit des wahren Daseins in unserem Denken entfaltet, und besonders, wenn wir zu der Überzeugung kommen, daß diese Dinge hier und jetzt schon gegenwärtig sind, muß uns unvermeidlich und unwiderstehlich tiefe und echte Dankbarkeit für Segnungen ergreifen, die wir in unbegrenztem Maße bereits empfangen haben. Und diese Dankbarkeit entspringt nicht bloßer religiöser Innbrunst oder oberflächlicher Empfindung, sondern intelligenter Erkenntnis und dem Verständnis des geistigen Seins, des Tatsächlichen, das mit dem Materiellen oder Angenommenen nichts gemein hat.
Und an diesem Punkte beginnt die praktische Wirksamkeit des wissenschaftlichen Sinnes der Dankbarkeit sich zu bekunden, weil diese zu echter Dankbarkeit führende Wahrnehmung und Anerkennung geistiger Tatsächlichkeit auf den Christus, die tatsächliche Gegenwart und das Wirken der Wahrheit, die Offenbarwerdung des Gemüts hinweist. Unsere Führerin schreibt (Unity of Good, S. 7): „Das Anerkennen der Vollkommenheit des unendlichen Unsichtbaren verleiht eine Macht, wie nichts anderes sie verleihen kann”. Wahre Dankbarkeit ist Anerkennung der Vollkommenheit und Allheit Gottes und Seiner Schöpfung. Daher ihre Wirksamkeit als Heil- und Erlösungsmittel.
Ehe Jesus den Lazarus aus dem Grabe auferweckt hatte, hob er seine Augen empor und sagte: „Vater, ich danke dir, daß du mich erhöret hast. Doch ich weiß, daß du mich allezeit hörest”. Dadurch drückte Jesus seine Anerkennung der Vollkommenheit und Allheit Gottes aus und äußerte seine Dankbarkeit für Segnungen, die, wie er wußte, dem Menschen von dem göttlichen Prinzip des Seins schon verliehen waren. Diese Anerkennung der Wahrheit befähigte ihn, den menschlichen Sinn des Todes mit unbestrittener Gewißheit zu berichtigen; und er gebot: „Lazarus, komm heraus! Und der Verstorbene kam heraus”.
Lasset uns daher bestrebt sein, unsern Sinn der Dankbarkeit und unsere Lobpreisung auf eine höhere Stufe als bloßes Anerkennen menschlich empfangener Segnungen in Form von zeitlichen oder materiellen Gütern zu erheben! Lasset uns ihn zu einer klaren, beständigen geistigen Wahrnehmung der aus Gott und dem Menschen, dem vollen Ausdruck Gottes, bestehenden unbedingten göttlichen Wirklichkeit erheben! Dieser wissenschaftliche Sinn der Dankbarkeit, dieses Erkennen und „Anerkennen der Vollkommenheit des unendlichen Unsichtbaren” hebt uns mit unfehlbarer Gewißheit empor zum Erbringen höherer und immer höherer Beweise der Herrschaft über den Irrtum, unseres wahren Selbst als Söhne und Töchter Gottes.
