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Gelegenheit

Aus der Juli 1936-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


An einen Schüler der Christlichen Wissenschaft wurde einmal die Frage gerichtet: „Sie und der Arzt, der materielle Heilmittel anwendet, haben doch dasselbe Ziel — die Heilung des Kranken. Warum können Sie dann nicht zusammenarbeiten?” Die richtige Antwort auf diese Frage schlägt genau den Grundton der Christlichen Wissenschaft an, indem sie deren unbedingt geistiges Wesen betont. Das Ziel des Arztes ist die Wiederherstellung der leiblichen Gesundheit oder des Wohlbefindens in der Materie, während das Ziel der Christlichen Wissenschaft ist, die Menschheit mit Gott und mit des Menschen geistigem Wesen vertraut zu machen und so den „mitfolgenden Zeichen” beim Heilen die Tür zu öffnen. Der Arzt ist gewöhnlich damit zufrieden, den normalen leiblichen Zustand des Patienten wiederherzustellen. Der Christliche Wissenschafter öffnet diesem das Verständnis der Tatsachen des Seins — ewiger Tatsachen, die seinem erwachenden Bewußtsein neu sind.

Krankheit und widrige Zustände wie Leid und Mangel scheinen also die beste Gelegenheit zu bieten, diese Tatsachen zu einer Zeit anzubringen, wo der unter Widerwärtigkeit Leidende am ehesten bereit ist, sich helfen zu lassen. In einer solchen Stunde ist er am ehesten geneigt, die Unsicherheit materieller Annahme, die Unzulänglichkeit des Lebens, wie das sterbliche Gemüt es auffaßt, zu erkennen. Wenn er an diesem Punkte dazu geführt wird, sich den „ewigen Wahrheiten” zuzuwenden, von denen Mrs. Eddy spricht (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 110), wird er mit ihr sagen können, daß „Verlust Gewinn ist” (Gedichte, S. 4), da die dunkle Stunde, wie der sterbliche Sinn sie bezeichnen würde, zu einer denkwürdig hellen werden kann. Dann verschwindet nicht nur die Krankheit, sondern es dämmert ein neues Bewußtsein des Guten, ein nie vorher gekannter Sinn der Freude und des Wohlbefindens auf. Kurz, man hat einen über den Sinn des persönlichen Selbst hinausgehenden Beweis oder Augenschein der göttlichen Gegenwart erlangt, die einem in der Stunde der Not zur Verfügung steht. Dies eröffnet unzählige Ausblicke. Man muß daher unbedingt viel mehr über diesen wohl gar nicht erwarteten Segen verstehen lernen.

So erfassen wir die bemerkenswerte Tatsache, daß es im Lichte der Christlichen Wissenschaft keinen widrigen Umstand gibt, der nicht, richtig betrachtet, als eine herrliche Gelegenheit, Gottes Heilkraft zu beweisen, erfunden werden kann. Es ist anregend und erhebend, zu erkennen, daß die Liebe „gerade den Umstand, den dein leidender Sinn für schreckensvoll und quälend erachtet, ... zu einem Engel machen kann, den du ohne dein Wissen beherbergst”, wie es in Wissenschaft und Gesundheit (S. 574) so schön ausgedrückt ist. Schnell verlaufende oder langwierige Krankheit, Familien- oder Geschäftsschwierigkeiten, Kummer, Mangel — alle diese scheinbar widrigen Zustände können so gehandhabt werden, daß die erkannte Wahrheit unser Wohlergehen erhöht; denn echtes Gedeihen besteht nicht im Fortbestehen der Täuschungen eines falschen Daseins, sondern darin, daß man in die Freude und die Kraft und die Befriedigung des ewigen Lebens eingeht.

Es gibt kein von Gott getrenntes Leben, und je bälder wir göttlich zu dieser Erkenntnis getrieben werden, desto besser. Heißt das, daß Gott Schwierigkeiten sende, um uns zu fördern? Nein! Aber der Irrtum tritt zuweilen, wenn er sich dem Punkte der Selbstvernichtung nähert, stärker hervor und bekundet sich dann nicht als Annehmlichkeit sondern als Schmerz; und an diesem Punkte ist man am ehesten geneigt, sein Herz der durch die Wahrheit und die Liebe zu erlangenden Befreiung zu öffnen.

Diese Erkenntnis, daß Trübsal Gelegenheit bietet, die Wahrheit zu empfangen, ist in folgenden Seligpreisungen in Jesu Bergpredigt besonders klar ausgesprochen: „Selig sind, die da geistlich arm sind; ... Selig sind, die da Leid tragen; ... Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; ... Selig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen; ... Seid fröhlich und getrost”. Ohne geistige Einsicht betrachtet, könnte es scheinen, als ob diese Stellen auf die nachteilige Seite menschlicher Erfahrung Wert legen; und dieses Mißverständnis hat manchmal einen düsteren Schatten auf die Theologie geworfen, indem es das Christentum mit einem trübseligen Dasein verglichen hat, das mit wirklicher Freude, Ausdrucksmöglichkeit und Erfüllung unvereinbar sei.

Aber die Welt braucht nur die Lehren der Christlichen Wissenschaft zu prüfen, um zu erfahren, daß das nicht der Fall zu sein braucht. Mit dem „Schlüssel” zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy haben viele den christlichen Schatz erschlossen und solche Schätze beispielloser Freude, Freiheit und Anregung gefunden, daß sie sich freuen, die frohe Botschaft mit denen zu teilen, die bereit sind, sie zu empfangen. Sie sind hoch begeistert von dieser „guten Botschaft”; ihre Gedanken erstrahlen davon; sie wissen, warum die Leidtragenden oder die im materiellen Sinne Mangel Leidenden gesegnet sind; denn sie standen einst selber elend an einem solchen Punkte und erlebten dort die unbeschreibliche Freude der Erlösung von Leiden. Die Seligpreisungen weisen auf jenes Aufgeben des Weltlichen hin, das dem Kommen des Himmelreichs im Bewußtsein Platz macht.

Materielle Werte werden in der Christlichen Wissenschaft glatt umgekehrt, nicht aus Gründen der Sittlichkeit, der Zucht oder der Geringschätzung, sondern aus dem bestimmten Grunde, daß das unbegrenzbare göttlich Gute vor der Tür des menschlichen Bewußtseins steht und Heilung hineinbringen will. Der Sterbliche, der selbstzufrieden und arglos in der Trugvorstellung des materiellen Daseins dahinlebt, ist nicht mit wahrer Freudigkeit, Wohlfahrt oder Gesundheit gesegnet, da sein Begriff von diesen Gaben auf einer falschen Grundlage beruht, die jeden Augenblick versagen kann. Sein Sinn von Besitz wird vielleicht von der Furcht vor Verlust verfolgt, und überdies ist die Erfahrung des materiellen Lebens nicht einmal in seinen ruhigsten Augenblicken mit der Erfahrung des göttlichen Bewußtseins oder des als hier und jetzt genießbaren ewigen Lebens zu vergleichen.

Wenn das sterbliche Gemüt klagt: „Es mangelt mir, ich leide”, können wir über die göttliche Tatsache frohlocken, durch die wir sofort nicht nur die Lüge von Leben in der Materie sondern auch die besondere Lüge verdrängen können, die behauptet, sie könne die betreffende Lage entstellen oder begrenzen. Die Wahrheit ist, daß wir durch Widerspiegelung alles Gute haben und ewig an dem Punkte der Vollkommenheit stehen. Alles, was besteht, stammt von Gott, dem Guten, und die Kenntnis dieser Tatsache ist imstande, jeden Irrtum zu verdrängen, der sich in unser Bewußtsein einzudrängen und sich uns anzuheften sucht.

Diese Vergegenwärtigung der unbedingten geistigen Art des Menschen segnet den körperlichen Sterblichen mehr als irgend ein ihm zu Gebot stehendes materielles Mittel. Das göttliche Gemüt verleiht dem empfänglichen Gedanken Harmonie, Ordnung und Rechtlichkeit und vertreibt dadurch Widerwärtigkeit, Unordnung und Irrtum. Die wohltätige Wirkung des auf das menschliche Bewußtsein einwirkenden göttlichen Gemüts ist Wiedergeburt. In diesem Sinne stellt das göttliche Gemüt den normalen Zustand eines Menschen wieder her. Und durch diesen Vorgang wird es ihm intelligent verständlich, daß seine höchste Normalität oder Eigenart Wesenseinheit mit dem geistig Guten ist.

Irrtum, Sünde, Krankheit, Tod, Mangel, Widerwärtigkeit und Mißerfolg sind Trugvorstellungen; sie sind das Zeichen und Sinnbild eines trügerischen Anspruchs von Leben in der Materie. Es ist das Vorrecht des Christlichen Wissenschafters, sich die Wahrheit des Seins zunutze zu machen und diesen neuen und tatsächlichen Sinn der Dinge durch Überwindung von Leiden immer wieder zu beweisen. Aber der Christliche Wissenschafter soll sich nicht damit abfinden, daß Widerwärtigkeit ein unentbehrliches Erziehungsmittel sei. Bei unserem Erwachen zu der Unwirklichkeit alles Leidens sollten wir die erhebende Gelegenheit ordnungsmäßigen und harmonischen Fortschritts durch bewußtes geistiges Verständnis ergreifen.

Die Christliche Wissenschaft ist uns gegeben, daß wir sie anwenden sollen. Schon der Name ist ein Weckruf zu geistigem Wachsein. Wir haben das Gesetz vor uns; es ist unverkennbar unsere Aufgabe, es anzuwenden, und wir sind mit der Kenntnis eines ganz bestimmten Verfahrens dazu ausgerüstet. Unter diesen Umständen sollten wir in der Kraft des Beweisens Fortschritt machen. Das Vertiefen unseres Glaubens, das Läutern unserer Liebe und das Wachsen des Verständnisses sollte uns immer mehr von Mangel und Leid befreien, damit wir uns ungehindert einem höheren Wirken widmen können. Wenn uns aber unsere Erfahrung durch das läuternde Feuer führt, können wir dennoch frohlocken; denn die allein wirkliche Erfahrung steht über den Wechselfällen — sie ist harmonisch, rein und freudig, die Erfahrung des unveränderlichen Guten.

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