Hiob sagte: „Ich hatte von dir mit den Ohren gehört; aber nun hat mein Auge dich gesehen”. Es sollte jedoch nicht angenommen werden, daß Hiob Gott mit den körperlichen Augen sah. Er hatte seine Freunde und wohlmeinenden Tröster viel über ihren Begriff von Gott reden hören; aber dieser Begriff war endlich und fehlerhaft. Er vermittelte dem geduldigen Hiob kein Verständnis der wahren Art Gottes. Als er sich aber eines geistigeren Begriffs von Gott bewußt wurde, konnte er sagen: „Nun hat mein Auge dich gesehen”, was natürlich heißt, daß Hiob in seiner Erfahrung an dem Punkte angelangt war, wo er die Wahrheit über Gott als das allmächtige und allwissende Wesen geistig einigermaßen wahrnehmen konnte.
In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 586) definiert Mary Baker Eddy „Augen” als „geistiges Erkennen—nicht materiell, sondern mental”. Wahres Sehen ist also geistig mental, unabhängig von den sogenannten Sehorganen, die, so vollkommen sie ihre Aufgabe anscheinend auch erfüllen mögen, nicht das Mittel sind, durch das man die Wahrheit über den Geist, das Gemüt und sein Ideenweltall sieht, erkennt oder begreift.
Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 140): „Niemand kann wahrhaft behaupten, daß Gott ein körperliches Wesen sei. Die Bibel schildert Ihn als einen, der da sagt: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich siehet‘. Nicht auf materiellem, sondern auf geistigem Wege erkennen wir Ihn als das göttliche Gemüt, als Leben, Wahrheit und Liebe”. Da das Gemüt von den Ideen, durch die es ausgedrückt wird, nicht getrennt werden kann, so ergibt sich folgerichtig, daß niemand die Ideen, die das geistige Weltall des Gemüts—das einzige wirkliche Weltall—bilden, mit den materiellen Sinnen sehen, kennen oder erkennen kann. Daher ist das, was die leiblichen Augen anscheinend sehen, nicht die göttliche oder geistige Wirklichkeit, sondern nur ein endlicher, materieller Begriff von dem, was wirklich ist.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, darüber nachzudenken, daß das, was als körperliches Sehen bezeichnet wird, nur eine mentale Erfahrung ist. Und wenn es völliger verstanden würde, daß sogar der Vorgang des menschlichen Sehens ein mentaler Vorgang ist, der nicht von körperlichen Organen abhängt, würden wir finden, daß das Sehen von Sehorganen unabhängig ist. Diese Erkenntnis sollte einem schon an sich helfen, sich weniger davor zu fürchten, was dem sogenannten Sehorganismus zustoßen könnte.
Die Sterblichen glauben, daß sie zwei Augen brauchen, um klar zu sehen, während Augen „geistiges Erkennen” sind, wie die Christliche Wissenschaft lehrt; und es sollte klar sein, daß es nur ein geistiges Erkennen, ein wirkliches Sehen, ein wahres Gesicht gibt. Das eine wahre geistige Gesicht, das in seiner Art allumfassend ist, wird von allen Söhnen Gottes in gleicher Weise widergespiegelt und genossen. Daher ist der Glaube, daß einer ein besseres Gesicht habe als ein anderer, ohne Grundlage in der Wahrheit. Auch der Glaube, daß das Gesicht einmal besser sei als ein andermal, ist ebenso falsch, d.h. vom Standpunkt der unbedingten Wahrheit über Gesicht oder Sehen aus betrachtet. Ferner schließt die Tatsache, daß das wirkliche Gesicht, die wirkliche Wahrnehmung oder das wirkliche Erkennen als Kundwerdung des unsterblichen Gemüts ewig und unzerstörbar ist, die Möglichkeit des Glaubens aus, daß das Gesicht durch irgend welche sterbliche Annahmen der Einwirkung von Alter, Unfall oder Krankheit geschwächt, vermindert oder zerstört werden könne.
Der Glaube, daß das Sehen durch künstliche Mittel verbessert werden könne, ist nur eine andere Form der Annahme, daß das Gesicht von den die Sehorgane bildenden Linsen, Muskeln, Nerven usw. abhänge. Während es eine bessere Annahme sein mag, lieber durch den Gebrauch mechanischer Mittel klarer zu sehen als nur unbestimmt sehen zu können, bleibt es Tatsache, daß Sehen wie Hören in Wirklichkeit eine Fähigkeit des göttlichen Gemüts und normal und unzerstörbar ist. Die Erkenntnis dieser Tatsache und der Beweis der ihr zugrunde liegenden Wahrheit hat schon viele Christliche Wissenschafter befähigt, die Brille abzulegen, nachdem sie sie jahrelang getragen hatten; und manche konnten sie ablegen, nachdem sie sie wegen vorgerückten Alters oder aus anderen Gründen eine Zeitlang gebraucht hatten.
Als Christus Jesus die beiden Blinden heilte, die ihm auf dem Wege nachriefen, und als er dem Blindgeborenen das Gesicht wieder gab, wußte und bewies er die Wahrheit, daß das Gesicht eine Eigenschaft des göttlichen Gemüts ist. So verherrlichte er Gott als den einzigen Gesetzgeber und bewies, daß es kein sogenanntes Gesetz der Materie gibt, das Macht hat, einen Sinn der Blindheit angeborener oder anderer Art zu verursachen oder fortbestehen zu lassen.
Wir haben Berichte über Heilungen von Blindheit durch die Kraft Gottes, des Geistes, des Gemüts, wie sie in der Christlichen Wissenschaft geoffenbart und erklärt ist. Die so geheilten Fälle werden an Zahl zunehmen, wenn es völliger verstanden wird, daß das Gesicht geistig ist und keineswegs von der Materie oder sogenannten materiellen Gesetzen abhängt. Wahres Gesicht ist unabhängig von materiellen Zuständen, noch wird es durch sie begrenzt. Wirkliches Sehen reicht über den Horizont sterblicher Annahme hinaus und erhebt sich darüber. Es ist unbegrenzt und ungehindert.
In der Offenbarung schreibt Johannes: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging”. Unsere Führerin legt diese Stelle aus wie folgt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 572): „Der Offenbarer hatte noch nicht das Übergangsstadium der menschlichen Erfahrung durchgemacht, das Tod genannt wird, und doch sah er schon einen neuen Himmel und eine neue Erde. Durch welchen Sinn kam dem Johannes diese Vision? Nicht durch die materiellen Sehorgane des Gesichts; denn die Sehwerkzeuge sind unzureichend, um ein so wunderbares Bild in sich aufzunehmen”. Und auf der nächsten Seite fährt sie fort: „Der Offenbarer war noch auf unserer Daseinsebene und erschaute dennoch das, was das Auge nicht sehen kann—was für den uninspirierten Gedanken unsichtbar ist”. Hieraus geht klar hervor, daß einer, der wie Johannes mit dem wahren geistigen Blick ausgerüstet ist, schon hier die göttlichen Tatsachen des Seins sehen kann, wie sie jetzt im göttlichen Gemüt bestehen und immer bestanden haben. Und das ist wahres Gesicht!
