Die Engelsbotschaft an die Hirten auf den Bergen Judäas in jener Nacht vor neunzehn Jahrhunderten: „Siehe, ich verkündige euch große Freude; ... denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids”, verkündigte der Menschheit ein bewunderungswürdiges Geschenk von Gott. Die Geburt des Kindleins in Bethlehem verkündigte der Menschheit eine umfassendere Offenbarung der Unendlichkeit Gottes und Seiner Schöpfung, des Menschen und des Weltalls, die sie noch mehr aus dem Fluch des Materialismus und der Stumpfheit eines falschen Sinnes des Daseins aufwecken sollte. Solcherart war das Kommen dessen, der für die Menschen der Erretter von falschem Denken, der Erlöser von Sünde und Krankheit und der Befreier vom Tode werden sollte.
Zu allen Zeiten haben sich die Menschen nach dem Kommen eines solchen Messias oder Erlösers gesehnt, und gewisse Verfasser im Alten Testament hatten die Möglichkeit eines solchen Ereignisses gesehen und es vorausgesagt. Das orthodoxe Christentum hat jedoch Jesus und den Christus miteinander verwechselt. Es hat gelehrt, daß der menschliche Jesus der Christus sei und hat ihn angebetet.
Die Christliche Wissenschaft zeigt den Unterschied zwischen dem persönlichen Jesus und dem unpersönlichen Erlöser, dem Christus. Sie erklärt das Geheimnis des Zusammentreffens des körperlichen Jesus mit der geistigen Idee oder dem Christus. Der Mensch Jesus war menschlich. Christus ist die Ausstrahlung oder der Ausdruck Gottes, der ewige Sohn Gottes, der immerdar als Seine geistige Idee besteht. Jesus bekundete den Christus; aber der Christus wurde nicht in oder von der Materie geboren. Auch ist der Christus, die Wahrheit, nicht auf Jesus und seine Tage und seine Zeit beschränkt. Jesus bot einen geistigeren Begriff vom Idealmenschen dar, als er je vorher gegeben worden war. Als er zum Manne heranwuchs und die Kraft des Geistes in zunehmendem Maße bekundete, wurde seine göttliche Art dem menschlichen Begreifen klarer. Durch seine Siege über das Fleisch befähigte er die Menschheit, des Menschen göttliche Art zu erkennen. In ihm konnten die Menschen den ewigen Menschen—den todlosen, alterlosen, geistigen Menschen—sehen, der zugleich mit Gott besteht.
Im Alten Testament ist gezeigt, daß viele vorbildliche Männer den Christus teilweise wahrnahmen, wie z.B. Noah. Als dieser die göttliche Wahrheit des unsterblichen Seins erkannte und ihr gehorchte, wurde sie sein Erlöser; denn sie bewahrte ihn und seine Familie. Auch Mose nahm den Christus wahr; und er bewies es durch seine mächtigen Werke wie die Teilung des Roten Meeres, die Versorgung mit Wasser aus dem Felsen und die Heilung Mirjams vom Aussatz, wodurch er die immergegenwärtige Anwendbarkeit der Wahrheit bestätigte.
Aber der Meisterchrist Jesus bewies den Christus, wie es niemand vor ihm je getan hatte. Er bewies seine Gottessohnschaft durch Heilung körperlicher Leiden aller Art und durch Überwindung sogenannter Naturgesetze, als er z.B. auf dem Wasser ging und den Sturm stillte. Er überwand diese sogenannten materiellen Gesetze für andere, und brachte schließlich seinen eigenen Körper aus dem Grabe hervor. Dann legte er alle Materialität ab—erhob er sich—und bewies so sein Einssein mit dem Vater durch seine Erhebung über die Materie oder das Fleisch.
Während die Christenheit die Lehre des Meisters annahm, verwechselte sie nach und nach den Christus mit der Persönlichkeit Jesu. Jahrhundertelang war das Verständnis des Christus verdunkelt, und die Welt wußte nichts von seiner Anwendbarkeit, bis die Wahrheit Mary Baker Eddy geoffenbart wurde.
Bei ihrem Forschen nach dem göttlichen Prinzip alles Seins schloß sich unsere Führerin von der Welt ab, vertiefte sich in die Heilige Schrift, horchte auf die Engelsbotschaft, die das Erscheinen des von Jesus, dem Meister, verheißenen Trösters verkündigte, und schrieb sie nieder. Die ihrem gehobenen Bewußtsein zuteilgewordene Offenbarung gab sie der Welt in der Christlichen Wissenschaft. Mrs. Eddy schreibt über dieses Erscheinen (Miscellaneous Writings, S. 370): „Zu verschiedenen Zeiten nimmt die göttliche Idee je nach den Bedürfnissen der Menschheit verschiedene Formen an. In unserer Zeit nimmt sie intelligenter als je zuvor die Form christlichen Heilens an. Dies ist das Kindlein, das wir lieb und wert halten sollen. Dies ist das Kindlein, das seine Arme liebevoll um den Hals der Allmacht schlingt und unendliche Fürsorge aus Seinem liebenden Herzen hervorruft”.
Was tut nun dieses Kindlein, dieses Geschenk, diese göttliche Idee, für die Menschheit in unserer Zeit? Wie kann man sie sich zunutze machen und sie praktisch anwenden? Wenn ein demütiges Herz sie in Augenblicken der Sanftmut beherbergt, ist die Weissagung Jesajas erfüllt: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter”. Diese Idee des christlichen Heilens flüstert den Mühseligen und Beladenen zu, daß Freiheit des Menschen geistiges Geburtsrecht ist, daß sein Einssein mit Gott, dem Vater-Mutter, unzerstörbar ist. Sie macht uns mit des Menschen Vollkommenheit, seiner Herrschaft und seinem Einssein mit seiner göttlichen Quelle vertraut. Sie lenkt das Denken von einer materiellen Grundlage des Seins weg und auf das göttliche Prinzip des Seins hin. Sie beweist uns die Nichtsheit der Materie und die Allheit Gottes, indem sie den Irrtum, der sein Haupt gegen die Allmacht erhebt, zerstört. Keine Lage ist zu hoffnungslos, um durch den ewigen Christus, die Wahrheit, gesegnet zu werden, die Freude und Fröhlichkeit bringt.
An einem Weihnachtsmorgen wurde zwei Christlichen Wissenschaftern ein unvergeßlicher Heilungsbeweis zuteil. Mehrere Tage lang hatte der eine so schwer gerungen, daß es schien, als ob „der letzte Feind” über das geistige Verständnis, das beide besaßen und anwandten, siegen würde. Trotz ihres unerschütterlichen Festhaltens an der Wahrheit schien ihre Arbeit die Irrtumsflut nicht aufzuhalten. Schließlich brach in dem Augenblick, als das Böse zu siegen schien, die Kraft der Wahrheit durch den Mesmerismus des materiellen Sinnenzeugnisses hindurch; die göttliche Gegenwart wurde erkannt und die Verheißung erfüllt: „Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit und Heil unter ihren Flügeln”.
So schnell verschwand dann der Irrtum, daß es schien, als ob eine mächtige Hand in die Lage eingegriffen und jeden üblen Zustand daraus vertrieben und Qual durch Harmonie und Schmerzen durch Frieden ersetzt hätte. Wahrlich, dies war das Erscheinen des Christus, das Geschenk Gottes, das des Menschen geistiges und ewiges Dasein als wirklich und vom Geist erhalten enthüllte. Sie verbrachten die folgenden Stunden jenes gesegneten Tages mit stillem und lautem Lobpreisen für das Erscheinen des Erlösers. Grenzenlos war die Freude und die Dankbarkeit dieser Wissenschafter für das geistige Verständnis, das die Christliche Wissenschaft ihnen gab.
Für die wirkliche Weihnacht kann es keine jährliche Feier geben. Es ist leicht verständlich, daß das wirkliche und wahre Weihnachtsfest täglich und stündlich kommt, wenn man sich die Gegenwart des Christus, der Wahrheit, klar macht. Unsere Führerin schreibt über ihre Art, Weihnachten zu feiern, folgendes (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 262): „Ich feiere Weihnachten mit meiner Seele, meinem geistigen Sinn, und gedenke so des Kommens des Christus in das menschliche Verständnis”; und sie spricht ferner darüber als von „der Geburt der Wahrheit, der Dämmerung der göttlichen Liebe, die über das Dunkel der Materie und des Bösen mit der Herrlichkeit des unendlichen Seins hereinbricht”.
