Es ist nicht anzunehmen, daß Jesus das Geben von Geld oder von materiellen Dingen meinte, als er sagte: „Gebet, so wird euch gegeben”. Da er gerade vorher seine Zuhörer ermahnt hatte, ihre Feinde zu lieben, barmherzig zu sein und nicht zu richten, ist es sehr wahrscheinlich, daß er das Geben freundlicher, guter und hilfreicher Gedanken meinte. Und obgleich der Meister in diesem Falle fortfuhr: „Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüßig Maß wird man in euren Schoß geben”, ist nicht anzunehmen, daß er seine Jünger lehrte, nur in Erwartung einer Belohnung zu geben.
Entschädigung ist von selbstlosem Geben unzertrennlich; aber die Hoffnung auf Belohnung ist nicht der wahre Antrieb. Ja, der wahre Geist des Gebens treibt einen an, Zeit und Dienst bereitwillig zu geben, ohne an Bezahlung in gleicher Münze oder sonstwie zu denken. Solches Geben hat zwar oft Vergütung — sogar Entschädigung — zur Folge; aber der wahre Beweggrund des Gebens ist nicht das Verlangen nach Bezahlung.
Einmal — es war als Jesus seine Jünger aussandte — gebot er ihnen: „Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, treibt die Teufel aus. Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch”. Dennoch fuhr er fort: „Ihr sollt nicht Gold noch Silber noch Erz in euren Gürteln haben. ... Denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert”. Daraus geht hervor, das; Jesus trotz seiner Erwartung, daß seine Schüler bereitwillig von ihrem geistigen Reichtum geben sollten, das Gesetz der Vergütung als gerechtes Gesetz anerkannte.
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