Als Jesus kurz vor seiner Himmelfahrt mit seinen Jüngern sprach, machte er die ermutigende Erklärung: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende”. Mit dieser Feststellung bezog er sich offensichtlich nicht auf seine persönliche Anwesenheit, sondern auf den Christus, dessen Verfügbarkeit zur Befriedigung jedes menschlichen Bedürfnisses er so klar bewiesen hatte. Wie diese Verheißung in der Erfahrung der unmittelbaren Jünger Jesu in Erfüllung ging, erfahren wir aus der Apostelgeschichte, wo berichtet ist, daß sie nach der Ausgießung des Heiligen Geistes auszogen und wunderbare Heilungswerke vollbrachten.
Im Anschluß an diese Erfahrung schreibt Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 46, 47): „Alsdann empfingen seine Schüler den Heiligen Geist. Das heißt: durch alles, was sie erlebt und erlitten hatten, wurden sie zu einem erweiterten Verständnis der göttlichen Wissenschaft erweckt, ja, zu der geistigen Deutung und Erkenntnies der Lehren und der Demonstrationen Jesu, welche ihnen einen schwachen Begriff von dein Leben gaben, das Gott ist”. Und sie fügt hinzu: „Nachdem sie die wahre Idee von ihrem verherrlichten Meister gewonnen hatten, wurden sie bessere Heiler, da sie sich nicht mehr auf die Materie, sondern auf das göttliche Prinzip ihrer Arbeit stützten”.
Wir bedürfen heute ebensosehr der Versicherung der Allgegenwart des Christus wie die Jünger, als ihr Meister nicht mehr bei ihnen war. Auch wir scheinen finstere Zeiten durchzumachen, wenn nicht nur unsere eigenen Angelegenheiten sondern auch die der Welt häufig auf dem Spiel zu stehen und Licht und Gewißheit fast unerreichtbar scheinen. Aber in der Christlichen Wissenschaft wissen wir, daß der Christus, die Wahrheit, immer gegenwärtig ist.
Im 1. Briefe des Johannes heißt es: „Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis”. Gott teilt beständig geistiges Licht mit, und der Mensch, Gottes Bild und Gleichnis, empfängt dieses Licht des Gemüts und spiegelt es wider. Nicht einen Augenblick hört der Mensch auf, dies zu tun, sonst würde Gott nicht völlig widergespiegelt. Die materiellen Sinne mögen einwenden, daß man blindlings taste, daß man des geistigen Lichts und der Inspiration ermangle; aber dies ist vom wirklichen Menschen nicht wahr. In „Nein und Ja” (S. 19) schreibt unsere Führerin: „Der materielle Mensch und die körperlichen Sinne empfangen keine geistige Idee und empfinden kein Gefühl der göttlichen Liebe; der geistige Mensch dagegen und seine geistigen Sinne nehmen die Art und das Wesen des individuellen Unendlichen in sich auf”. Daher können wir wissen, daß Gott jetzt und immerdar alles Gute, alle Inspiration, deren wir bedürfen, ausgießt, und daß keine angreifenden Einflüsterungen oder falschen Ansprüche des Bösen unser bewußtes Widerspiegeln dieses geistigen Lichts hindern können, das genügt, jedes besondere menschliche Problem zu meistern.
Eine Wissenschafterin gewann einen Lichtblick dieser großen Tatsache. Wochenlang hatte sie sich anscheinend in der Finsternis abgemüht, als plötzlich die Worte zu ihr kamen, fast wie wenn jemand sie gesprochen hätte: „Inspiration ist so allgegenwärtig wie Gott”. Was für ein fesselnder Gedanke! Gleichviel, wie düster unser mentaler Himmel zu sein scheinen mag, Gott ist allgegenwärtig, des sind wir gewiß. So sind auch geistiges Licht und geistige Inspiration allgegenwärtig; denn Gott erleuchtet und leitet ewig Seine eigene geliebte Schöpfung.
Ort und Zeit haben nichts mit geistiger Erleuchtung zu tun. Im vorerwähnten Falle hatte die Wissenschafterin einen christlich-wissenschaftlichen Gottesdienst besucht und die Kirche mit einem Gefühl der Enttäuschung verlassen, daß ihr die erhoffte Inspiration während des Gottesdienstes nicht zuteil geworden sei. Doch auf dem Heimwege kam zu ihr jene Botschaft, die ihr damals und so oft seither so großen Trost gebracht hat. Paulus und Silas waren im Gefängnis, ihre Füße waren in den Stock gelegt; als sie aber sangen und Gott lobten, wurden nicht nur sie, sondern auch die anderen Gefangenen plötzlich befreit.
Inspiration und Befreiung kommen jedoch nicht immer plötzlich zum menschlichen Bewußtsein. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 281): „Die göttliche Wissenschaft tut nicht neuen Wein in alte Schläuche”, und sie fügt hinzu: „Die alte Annahme muß ausgetrieben werden, sonst wird die neue Idee verschüttet, und die Inspiration, die unsern Standpunkt ändern soll, wird verlorengehen”. Die meisten von uns wissen nur zu gut, daß unser ganzer Standpunkt oder die Art, wie wir das Leben und seine Probleme betrachten, sich nicht in einem Augenblick vollständig ändert. Fortschritt ist eine Sache des Wachstums und der Entfaltung, wobei jede besondere Erleuchtung unser Bewußtsein für die Empfängnis von mehr Licht vorbereitet.
Obwohl den Jüngern Jesu am Tage der Pfingsten und auch Paulus geistige Erleuchtung augenblicklich zuteil wurde, ist sie doch oft ein allmählicher Vorgang wie das Kommen einer schönen Morgendämmerung nach einer sternenlosen Nacht. Daß aber auf dem ganzen Wege Engelsbotschaften zu uns kommen, ermutigt uns, weiter geduldig aber tätig auf den vollen Strahlenglanz der Wahrheit zu warten. Wir haben die biblische Verheißung: „Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis”. Und von der Erkenntnis, nach der wir verlangen, ist geschrieben: „Ob sie aber verzieht, so harre ihrer: sie wird gewiß kommen und nicht verziehen”.
Können wir auf unserer ganzen geistigen Wanderschaft nicht Glauben und Vertrauen üben? Selbst wenn Zeiten zu kommen scheinen, wo wir sichtlich kein geistiges Licht widerspiegeln, wo in unserer Ungewißheit über den nächsten zu unternehmenden Schritt unser Glaube fast versagt und Gott weit entfernt zu sein scheint, laßt uns Mut fassen und tief dankbar sein für die Lichtschimmer, durch die wir erkennen, daß die Wahrheit noch auf unsern aufwärtsführenden Weg scheint und uns Gottes Güte, Seine liebevolle Freundlichkeit und Seine Allheit immer klarer zeigt! Dann wissen wir gewiß, daß die Mühsamkeit unserer Wanderschaft durch die Reichhaltigkeit der vollen Erkenntnis Gottes und des Menschen in Seinem Bilde vergessen sein wird.