Es ist leicht zu sehen, warum die Gestalt des Hirten so oft in der christlichen Literatur auftritt und sich als so nützlich erwiesen hat. Einem guten Hirten liegt nicht nur das Wohl seiner Schafe am Herzen, sondern er hat auch die Intelligenz, die sie nötig haben, und die ihnen zu fehlen scheint. Er weiß besser als sie, wo gutes Gras und gutes Wasser reichlich vorhanden sind, und er sieht drohende Gefahren und die geeigneten Schutzmittel, die sie nicht sehen. Da er dies alles weiß, sorgt er für die Bedürfnisse der Schafe, oft ehe sie sich ihrer bewußt sind. Daher „mangelt” ihnen nichts.
Der Verfasser des 23. Psalms wies auf die Tatsache hin, die in der Christlichen Wissenschaft völlig klar ist, daß der Herr oder Gott unser vollkommener Hirte ist, da Er von Natur vollkommen für die Seinen sorgt. Diese Wissenschaft zeigt, daß Er das göttliche Prinzip, die Liebe ist, und daß Er daher ganz und gar gütig und standhaft ist. Er ist immer gegenwärtig. Er ist unendliche Intelligenz oder das unendliche Gemüt. Und Seine Hilfsmittel sind nicht begrenzt. „Die Seele hat”, wie die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, auf Seite 60 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt, „unendliche Mittel, mit denen sie die Menschheit segnet, und das Glück würde schneller erlangt werden und sicherer in unserem Besitz bleiben, wenn wir es in der Seele suchten”.
Der Schüler der Christlichen Wissenschaft lernt daher bald verstehen, daß Gott alles in sich schließt und gibt, was sein Bedürfnis befriedigt, was dieses auch sei und ob er es kenne oder nicht. Selbst wenn es dem menschlichen Sinn unmöglich scheint, daß das Bedürfnis befriedigt wird, sieht der Wissenschafter trotzdem, daß die göttliche Liebe es befriedigen kann. Wahre geistige Ermutigung kommt in natürlicher Weise durch Erkenntnis dieser Tatsache in der Wissenschaft, und mit der Ermutigung kommt gewöhnlich Heilung. Aber die Wirkung einer solchen Erkenntnis ist nicht auf Befreiung von Besorgnis und Krankheit oder anderen betrübenden Zuständen beschränkt. Tätige und fortschrittliche Nützlichkeit und Befriedigung, die ebenfalls unverkennbare Bedürfnisse der Menschheit sind, entspringen ebenso natürlich dem wahren Gottesverständnis. Hinsichtlich dieser und aller anderen Bedürfnisse sieht der Christliche Wissenschafter sofort, daß er mit Überzeugung erklären kann: „Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln”.
Nun ist es klar, daß bei allem, was die Menschen zu tun wünschen, zwei Dinge nötig sind: Gelegenheit und Fähigkeit. Was antwortet die Christliche Wissenschaft auf die allgemeine menschliche Klage, daß bedauerlicherweise oft entweder Gelegenheit oder Fähigkeit oder gar beide nicht vorhanden oder begrenzt seien? Daß der Mensch, wie er wirklich ist, mit beiden in unbegrenztem Maße versehen ist, und daß dies jedermann durch das Verständnis Gottes in der Wissenschaft beweisen kann.
Die Grundlage eines solchen Beweises ist die geistige Wahrheit, daß sowohl Gelegenheit als auch Fähigkeit uneingeschränkt Gott gehören. Natürlich kommt für Gott nicht ein bloßer menschlicher Sinn der Gelegenheit in Betracht, sondern die Seinem Wesen innewohnende unbeschränkte Gelegenheit, zu sein, was Er ist, und das unendlich Gute ewig auszudrücken. Er ist auch die Allmacht, die unendliche und unaufhörliche Macht, die mit der göttlichen Intelligenz eins ist und die unendliche Fähigkeit bildet. Und in der Christlichen Wissenschaft wird erkannt, daß Gott, der diese Kennzeichen in sich schließt, durch den wirklichen, geistigen Menschen auf ewig vollständig und vollkommen ausgedrückt wird.
Die Erfahrung hat gezeigt und zeigt in stets zunehmendem Maße, daß der Schüler der Christlichen Wissenschaft, der diese Tatsachen in sich aufnimmt, dem menschlichen Sinn faßliche Beweise von ihnen hat. Die Gelegenheit und die Fähigkeit, die er in menschlichen Angelegenheiten nötig hat, kommen für ihn ans Licht. Durch solche Beweise erfreuen sich heute unzählige Christliche Wissenschafter besserer Gesundheit, eines besseren Urteils und besserer Geschicklichkeit, besserer Beziehungen zu ihren Mitmenschen, eines besseren Geschäfts, eines besseren und nützlicheren Lebens; und sie erwarten natürlich noch größere Beweise.
Es ist klar, daß die Gelegenheit und die Fähigkeit, die dem Menschen auf ewig verliehen sind, die Gelegenheit und die Fähigkeit sind, das Wesen Gottes, des unendlichen Lebens, der unendlichen Wahrheit und Liebe ans Licht zu bringen, und daß es keine wirkliche Gelegenheit oder Fähigkeit gibt, etwas anderes zu tun. Der Christliche Wissenschafter sieht, daß jedes selbstische Bestreben, jeder Versuch, sich auf Kosten eines andern zu bereichern oder etwas anderes zu tun, als das Wesen Gottes auszudrücken — was auch die augenblicklichen Vorteile zu sein scheinen mögen — seinen Sinn der Gelegenheit und Fähigkeit nur trübt und begrenzt. Wenn man sich aber dem wahren Verständnis der Liebe zuwendet und vorbehaltlos bestrebt ist, in seinem Denken und Leben dieses göttliche Prinzip zum Ausdruck zu bringen, sieht man Schritt für Schritt die wahre und unbegrenzte Fähigkeit und Gelegenheit in Erscheinung treten.
Unsere Führerin wies klar auf diese Wahrheit und deren große Bedeutung für die Menschheit hin, als sie in ihrer geistigen Auslegung des 23. Psalms (Wissenschaft und Gesundheit, S. 578) schrieb: „[Die göttliche Liebe] ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln”.