Es ist beachtenswert, wie oft in den biblischen Heilungsberichten der Leidende geheißen wird, aufzustehen oder sich zu erheben.
Von dem Propheten Elia ist erzählt, daß ein Engel, ein Gedanke oder ein Bote von Gott, ihn anrührte, als er in der Wüste von Entmutigung und Niedergeschlagenheit versucht wurde, und ihm gebot: „Stehe auf und iß!” Durch seinen Gehorsam gegen diesen erhebenden Gedanken gestärkt, „stand er auf und aß und trank und ging durch Kraft derselben Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes Horeb”. Am Berge Horeb erhielt Mose den Befehl, die Kinder Israel aus Ägypten zu führen, und sowohl Mose als auch Elia hatten sich im geistigen Bewußtsein so erhoben, daß sie das Wort empfangen konnten, das sie bei der Ausführung der ihnen zugewiesenen Arbeit leitete.
Da Elia durch seine vorausgegangene Erfahrung gelernt hatte, daß er in der göttlichen Gegenwart geschützt und gestützt war, ließ er sich am Berge Horeb in einen vorübergehenden Sinn der Sicherheit einlullen und hätte gern eine Zeitlang ausgeruht und Obdach gesucht. Aber dies war nicht die göttliche Absicht. Er war der große Vorläufer des Messias, dessen Verkündigung der Wahrheit in unserer Zeit durch Mary Baker Eddys Offenbarung in der Christlichen Wissenschaft wieder dargelegt werden sollte. Elias Aufgabe war es, dem damaligen Götzendienst, der Anbetung materieller Götter, mutig entgegenzutreten. Zweifellos hatte ihn sein gehorsames Sicherheben und Teilnehmen an der geistigen Nahrung in der Wüste vorbereitet, eine vollere Offenbarung zu empfangen. Nach den Heimsuchungen durch Erdbeben und Feuer hörte er das „stille sanfte Sausen” der Wahrheit und kehrte zurück, um weitere Arbeit zu vollbringen, einschließlich der Salbung Elisas, der sein Nachfolger werden sollte.
Bei seinem heilenden Wirken hieß der Wegweiser Christus Jesus den Leidenden manchmal „aufstehen”. Und manchmal, wie bei der Auferweckung des Töchterleins des Jairus von den Toten, nahm er das Kind bei der Hand und hieß sie aufstehen. Hierin sehen wir das zärtliche und erbarmungsvolle Mitgefühl mit der leidenden Menschheit, worauf sich Mrs. Eddy bezieht, wenn sie im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 25) schreibt: „Die Göttlichkeit des Christus wurde in der Menschlichkeit Jesu offenbar”.
Bei seiner Befreiung aus dem Gefängnis wurde der Apostel Petrus vom Engel Gottes geheißen, „behende aufzustehen”. Metaphysisch ausgelegt heißt dies, daß er sein Denken zu Gottes Allmacht erheben und keinen Augenblick glauben sollte, daß die Materie oder sogenannte materielle Ermächtigung die Kraft habe, ihn in Knechtschaft zu halten. Wir lesen, daß infolge seines Gehorsams die Ketten, mit denen Haß, Zorn, Feindschaft und Grausamkeit ihn gebunden hatten, von seinen Händen fielen, so daß er frei war. Wir alle sind frei, wenn wir dem Gesetz Gottes gehorsam sind, wenn wir uns in gehobenem Bewußtsein als Gottes Kinder und den Vater als den einzigen Urheber, Lenker und Beschützer — die Quelle unseres Lebens und unserer Stärke — erkennen.
Jede durch die Christuskraft bewirkte Heilung muß immer von einer Erhebung des Denkens, einem Öffnen des Bewußtseins für die göttliche Wahrheit begleitet sein. Die Christuskraft bekundet die Herrlichkeit, die Allmacht und die unendliche Liebe Gottes, und diese Kundwerdung ist der Antrieb zur geistigen Erhebung über Sünde, Krankheit, Leid und Tod. Heilung ist das Ergebnis des Gebets, der Lobpreisung und der Betätigung, der praktischen Anwendung unseres Verständnisses, daß Gott der Schöpfer, der Erhalter und der Heiler ist. Das Kind Gottes, geistig erschaffen, ist ewig unversehrt, vollkommen. Wenn wir Gott verstehen, wachsen wir im Verständnis unserer eigenen geistigen Unversehrtheit.
Unsere Führerin schreibt auf Seite 246 des Lehrbuchs: „Das Vollkommene und das Unsterbliche sind das ewige Gleichnis ihres Schöpfers. Der Mensch ist keineswegs ein materieller Keim, der sich aus dem Unvollkommenen erhebt und danach trachtet, den Geist, der über seinem Ursprung steht, zu erreichen. Der Strom steigt nicht höher als seine Quelle”. Die Christliche Wissenschaft enthüllt die Wahrheit des Seins des Menschen. Sie zeigt, daß ein kranker und sündiger Sterblicher nicht Gottes Gleichnis ist; wenn aber erkannt wird, daß das, was sterblich, sündig, krank ist, kein Teil des wirklichen Menschen oder der geistigen Schöpfung ist, sieht man sein wahres Selbst, wie es wirklich ist. Ist das Denken gehoben, so sind die Beweggründe und Wünsche rein. Dann kann man dem Wegweiser nachfolgen und in dem Maße des eigenen geistigen Verständnisses die heilenden und erlösenden Werke tun, die der Meister seine Nachfolger tun hieß.
Die Erkenntnis der unbegrenzten Kraft des Geistes hebt uns höher und befähigt uns, die Ansprüche der Materialität zu widerlegen. Wir sehen, daß wir uns nicht durch Körperkraft über die Annahmen Versuchung, Sünde, Krankheit und Mangel jeder Art erheben, sondern durch Verlaß auf Gott, auf das Leben, die Wahrheit und die Liebe als das All und durch Vertrauen auf unsere gottgegebene Fähigkeit, Gesundheit, Frieden, Gelassenheit und Heiligkeit widerzuspiegeln.
Vielleicht der erste Schritt, den wir alle unwillkürlich auf unserem Wege aufwärts tun, ist zu beten. Es ist das Dämmern des Verlangens, uns aufzumachen und uns an unsern Vater zu wenden. Es ist das Erheben des Denkens, Gott besser verstehen zu lernen, Ihn zu suchen und zu finden. Dies schließt das stille Bekenntnis in sich, daß wir Ihn brauchen, und daß wir uns nur auf Seine Willigkeit und Fähigkeit, jedes Seiner Kinder zu segnen, verlassen wollen. Gebet, wie es in der Christlichen Wissenschaft verstanden wird, schließt das vertrauensvolle Bejahen unveränderlicher geistiger Tatsachen in sich. Jede anscheinende vorübergehende Not entsteht dadurch, daß wir unser gottgegebenes Erbe Gesundheit, Heiligkeit, Substanz und Freudigkeit nicht voll verstehen und Gebrauch davon machen. Es bedeutet, daß wir uns erlaubt haben, an andere Götter, an eine andere Macht und Gegenwart, zu glauben. Wenn wir aber bereit sind, die Tatsache unseres geistigen Erbes zu erkennen, zu bejahen und zu erklären, öffnen wir der Kundwerdung der Harmonie in unserem Denken und unserem täglichen Leben die Tür. Und obgleich es uns scheinen mag, daß wir von dem vollen Verständnis noch weit entfernt sind, heißt uns die göttliche Liebe, die nichts Böses kennt, mit Zärtlichkeit und mit der Vergebung willkommen, die unsern Glauben an das, was falsch und unwirklich ist, zerstört.
Wahres Gebet schließt Lob und Danksagung in sich und befähigt uns, so zu leben, daß wir unsere Dankbarkeit für die göttliche liebevolle Güte bekunden können. Das dankbare Herz ist in beständiger Gemeinschaft mit Gott. In dieser Gemeinschaft lernen wir, wie wir das erbarmungsvolle Evangelium der Christlichen Wissenschaft zusammen mit dem Beweis ihrer heilenden Kraft denen am besten bringen können, die in vielen Erscheinungsformen menschlicher Schwierigkeiten Trost suchen. So erheben wir uns auf Flügeln der Lobpreisung, im Gehorsam gegen den Christus und folgen dem Meister auf dem Wege nach, den er ging. Bei unserem stufenweisen Fortschreiten hören wir in Demut und befolgen wir mit großer Freude den willkommenen, liebevollen Ruf: „Stehe auf!”