Zwei Ereignisse in der Geschichte haben tiefen Eindruck auf das menschliche Denken gemacht, obgleich die Menschheit im allgemeinen ihre volle Bedeutung noch nicht schätzen gelernt hat—die Kreuzigung und die leibliche Auferstehung Christi Jesu, des großen Meisters des Christentums. Jesu dreijähriges Wirken hatte ihn zu der Zeit geführt, wo er sein großes menschliches Opfer für die Menschheit bringen sollte, und es war eine Vorbereitung für den ungeheuren Beweis der Wiederherstellung seines menschlichen Leibs gewesen, den die Verfolger seiner erhabenen Lehre für tot erklärt hatten, ein Beweis, dem bald darauf seine Erhebung über alle sinnlich wahrnehmbaren und leiblichen Zustände zum vollen Bewußtsein seiner geistigen Einheit mit Gott folgte.
Jesus hatte erklärt, daß er beabsichtige, seinen Leib nach dessen scheinbarer Zerstörung von den Toten aufzuwecken. Er sagte: „Brechet diesen Tempel, und am dritten Tage will ich ihn aufrichten”. Überdies hatte er erklärt, daß diese Tat notwendig war, damit der Tröster zu seinen Jüngern kommen konnte: „Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden”.
Seine Jünger waren während seines dreijährigen Wirkens bei ihm gewesen. Sie hatten seiner Lehre zugehört und waren Zeugen seiner mächtigen Heilungswerke gewesen; aber sie verstanden seine Botschaft und die geistige Bedeutung von allem, was ihnen mitzuteilen er sich bemüht hatte, immer noch nicht ganz. Nach der Auferstehung, als sie sich freuten, ihren geliebten Meister lebendig zu finden, kam der Tröster, „der Geist der Wahrheit”, zu ihnen, und dann verstanden sie wirklich seine Lehre und konnten sie einigermaßen beweisen.
Um die Mitte des letzten Jahrhunderts, als auf dem Gebiete der Naturwissenschaft große Entdeckungen gemacht wurden, begannen viele Leute die in der Bibel berichteten Heilungen und anderen Werke zu bezweifeln. Wunder wurden für Verletzungen des Naturgesetzes erklärt und daher für unmöglich gehalten. Seit jener Zeit ist man jedoch allmählich zur Anerkennung der geschichtlichen Genauigkeit der Heiligen Schrift zurückgekehrt, was wohl großenteils dem Buch Professors Drummond „Das Naturgesetz in der geistigen Welt” zu verdanken ist. Die Arbeit der Altertumsforscher in biblischen Ländern hat dazu beigetragen, die biblische Geschichte zu bestätigen, und vor kurzem gebrauchte der bekannte Wissenschafter und Schriftsteller Sir Ambrose Fleming in einer öffentlichen Äußerung die Worte: „Die leibliche Auferstehung Christi [Jesu] ist eine der gewissest beglaubigten Tatsachen in der menschlichen Geschichte”.
Für diejenigen, die die Christliche Wissenschaft verstehen, hat Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin dieser Wissenschaft, allen Zweifel an der Genauigkeit der biblischen Berichte beseitigt. Sie hat in ihren Schriften und durch Beweis gezeigt, daß die Christliche Wissenschaft des Meisters Christi Jesu Lehre und Praxis bestätigt, und daß alle wahre Wissenschaft göttlich ist. Mrs. Eddy nennt Jesus in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 313) „dem wissenschaftlichsten Menschen, der je auf Erden gewandelt ist”.
Auf Seite 135 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt sie: „Das Wunder führt keine Unordnung ein, sondern entfaltet vielmehr die ursprüngliche Ordnung, indem es die Wissenschaft des unwandelbaren Gesetzes Gottes bestätigt”. Die Evangelien machen klar, daß der Verrat, das Verhör und die Kreuzigung Jesu Erfahrungen waren, die er mit Geduld und Mut ertrug, da er eines mächtigen Sieges gewiß war, der nicht nur für ihn und seine Jünger, sondern für die ganze Menschheit von ungeheurer Bedeutung war. Das Kreuz wäre ohne die herrliche Auferstehung, die ihm folgte, für die Menschheit von geringer Bedeutung gewesen. Daher können die Kreuzigung und die Auferstehung nicht voneinander getrennt werden; sie gehören zusammen.
Viele, die sich zum Christentum bekennen, sind immer noch geneigt, sich an das Kreuz zu klammern, es als etwas ganz vereinzelt Dastehendes zu betrachten, und haben das Bild unseres Erlösers in seiner dunklen und kurzen Prüfungsstunde beständig vor Augen. Das Kreuz hat gewiß für uns alle eine tiefe Bedeutung, und das große Opfer unseres Meisters ist seinen Nachfolgern eine Inspiration und ein Beispiel, indem es ihnen die Notwendigkeit zeigt, einen bloß materiellen Sinn des Lebens aufzugeben und Geistigkeit zu gewinnen. Mrs. Eddy hat geschrieben (Wissenschaft und Gesundheit, S. 54): „Jesu Wunsch, seine teuer erkauften Schätze reichlich in leere oder sündenerfüllte menschliche Schatzkammern hineinströmen zu lassen, war die Inspiration zu seinem großen menschlichen Opfer”. Laßt uns aber, wenn wir das Beispiel Jesu betrachten, eingedenk sein, daß das Kreuz und die Siegeskrone bei uns wie bei ihm ineinandergewoben sind. Die Nachfolger Christi Jesu müssen das Kreuz auf sich nehmen, indem sie die Materie, den materiellen Sinn und materielles Gesetz verneinen. So werden sie die Allheit Gottes, des Geistes, beweisen, die von allen wahren Christen geforderten Heilungswerke vollbringen und die Krone der Geistigkeit und des Sieges gewinnen.
Ein Thema der Lektionspredigten im Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft, die an den Sonntagen in allen christlich-wissenschaftlichen Kirchen gelesen werden, lautet „Das Sakrament”. Der Sonntag, an dem diese Lektion gelesen wird, ist in allen Zweigkirchen der Kommunionssonntag. In dieser Lektion wird die Geschichte des Abendmahls unseres Herrn im Evangelium gelesen, und gewöhnlich folgt ihr die Geschichte des freudigen geistigen Morgenmahls, das unser Meister nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern am Ufer des Galiläischen Meeres hielt. So ist in den christlich-wissenschaftlichen Gottesdiensten das traurige Abendmahl von dem freudigen Morgenmahl nicht getrennt. In diesem Zusammenhang schreibt unsere Führerin (Wissenschaft und Gesundheit, S. 34): „Welch ein Gegensatz zwischen dem letzten Abendmahl unseres Herrn und seinem letzten geistigen Morgenmahl mit seinen Jüngern bei der freudigen Zusammenkunft in den hellen Morgenstunden am Ufer des Galiläischen Meeres! Seine Traurigkeit war in Herrlichkeit und seiner Jünger Kummer in Reue übergegangen—die Herzen waren geläutert und der Stolz zurechtgewiesen worden”.
Sollten wir eine Zeit der Anfechtung, des Ringens oder der Schwierigkeit durchmachen, so laßt uns an die starke, ruhige Geduld des Meisters denken. Eine Anfechtung ist nur eine Forderung an uns, mehr vom materiellen Sinn aufzugeben durch das Verständnis unserer Gottessohnschaft, unserer geistigen Einheit mit Gott, von dem der Mensch nie getrennt ist. Daher kann die Krone des geistigen Sieges immer gerade dort bei uns sein, wo das Kreuz der Anfechtung zu sein scheint. Wir müssen wachsam sein, daß wir unser Denken durch eine Anfechtung und die scheinbar damit zusammenhängenden Zustände nicht so mesmerisieren lassen, daß uns nur das Problem wie eine einzelne schroffe Bergspitze beständig vorschwebt. Das Kreuz ist in dem Bild „Der Weg” in Mrs. Eddys Gedicht „Christ and Christmas” nicht allein. In diesem Bilde steht das Kreuz im Vordergrund im Schatten; etwas weiter zurück ist das Kreuz mit Blumen umwunden, und noch weiter zurück ist die Krone. Das Abwenden des Denkens vom materiellen Sinn inmitten einer scheinbaren Anfechtung und das Verneinen ihrer Wirklichkeit vor der großen geistigen Tatsache der Allheit Gottes enthüllt die Gegenwart des Trösters. Mrs. Eddy hat heute durch ihre Schriften vielen Tausenden ihrer Nachfolger in der ganzen Welt den Tröster gebracht. Sie selber nahm fest entschlossen das Kreuz auf sich und gewann die Krone des Vollbringens und des Sieges.
Laßt uns gewiß sein, daß der Tröster, die göttliche Wissenschaft, stets gegenwärtig ist, und daß es immer einen Weg aus einer Schwierigkeit heraus gibt! Jesus mußte drei Tage im Grabe arbeiten, um die Lösung seines Problems zu finden. Laßt uns daher nicht entmutigt sein, wenn es ein wenig Zeit erfordert, die Lösung des Problems, womit wir zu kämpfen haben mögen, zu finden! Wir können versichert sein, daß das Erlangen von mehr geistigem Verständnis und einer klareren Erkenntnis unserer Einheit mit der göttlichen Wahrheit und Liebe die Lösung enthüllen und uns zeigen wird, daß die Siegeskrone bereits unser harrt.
