Auf Seite 238 in „Miscellaneous Writings” erklärt Mary Baker Eddy: „Wer kann für alle sorgen? Es genügt, sagen sie, für einige zu sorgen. Trotzdem spornen das getane Gute und die Liebe, die mehr zu tun vorhersieht, zur Menschenfreundlichkeit an und sind ein immergegenwärtiger Lohn”.
Dies ist die Lehre des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, wie Jesus es darbot. Dieser große Menschenfreund wurde gelobt, weil er nicht einem Freund, nicht einmal einem Landsmann, sondern einem ganz Fremden zu Hilfe kam. Diesem, der verwundet, beraubt und verlassen am Wege lag, brachte er geistigen Trost. Er brachte ihm die Lehre wahrer Brüderschaft; aber er war ihm auch in seiner menschlichen Not sofort und praktisch behilflich. Er „ging zu ihm”, wie der Meister sagte.
Ebenso hieß Jesus seine Jünger dem Volk helfen, das ihm in die Wüste nachgefolgt war. „Gebt ihr ihnen zu essen”, sagte er. Er befürchtete nicht, daß sie ermutigt werden könnten, ein andermal eher um der Brote und der Fische als um der geistigen Nahrung willen zu kommen. Er begann sofort für das zu sorgen, was diejenigen beruhigen und versorgen sollte, die nicht für sich selber sorgen konnten. Die Absicht des Christus ist, die menschliche Notdurft zu stillen, Barmherzigkeit zu erzeigen, Erbarmen auszudrücken. Die „Liebe, die mehr zu tun vorhersieht”, ist die Liebe unbegrenzten Dienens zugunsten der Bedürftigen. Sie erhört, wo immer es möglich ist, den Ruf um menschliche Hilfe. Sie geht wie der barmherzige Samariter dorthin, wo die Leute sind, nicht wo wir erwarten oder wünschen mögen, daß sie seien. Sie geht nicht an ihnen vorüber, weil wir uns in einer günstigeren Lage befinden oder ein größeres metaphysisches Verständnis haben, das uns unserer Ansicht nach des Dienstes zu ihren Gunsten enthebt.
Jesus wandte sich von der menschlichen Notlage des Volks in der Wüste nicht ab. Er „ging nicht vorüber”, weil für ihn die Gefahr, unter ihren Annahmen zu leiden, nicht bestand, und weil er wußte, daß in Wirklichkeit ihr Müdigkeits- und Mangelgefühl tatsächlich unwahr war. Er hielt es nicht für genügend, ihnen zu sagen, daß das rechte Verständnis des Gesetzes Gottes sie speisen und beruhigen würde, obgleich er wußte, daß dies Tatsache war. Denn dort, wo sie waren, bedurften sie seiner Menschlichkeit, sie vor dem Verschmachten am Wege zu bewahren. Er überließ es nicht anderen, ihnen in ihrer menschlichen Not zu helfen. Er setzte diese große Speisung, deren Gastgeber er war, ins Werk. Dann nahm er das Brot, dankte und brach es und gab es den Jüngern zur Verteilung. So erfüllte er in geistiger Erhabenheit und mit menschlichem Verstehen die Mission des Christus.
Auf Seite 442 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” hat unsere Führerin Mrs. Eddy geschrieben: „Christus, die Wahrheit, gibt den Sterblichen zeitliche Nahrung und Kleidung, bis das Materielle durch das Ideale verwandelt ist und verschwindet und der Mensch geistig gekleidet und genährt wird”. Dieser im menschlichen Bewußtsein ununterbrochen stattfindende Vorgang, der das Materielle durch das Ideale verwandelt, kommt nicht durch eine auf bloße menschliche Güte gegründete Form der Menschenfreundlichkeit zustande. Die Jünger, die das Volk in Gruppen einteilten und bedienten, waren in jenem Augenblick, als sie die Anweisungen ihres Meisters ausführten, ebenso fähig, Ausüber zu sein, wie wenn sie die Kranken geheilt und das Evangelium gepredigt hätten. In der Erfahrung der Umwandlung, wenn das Materielle verschwindet und das Ideale erscheint, wird jeder einzelne, der den Befehlen des Gemüts gewärtig ist, seine höchste Nützlichkeit in geistig fortschrittlichem Dienen finden. Seine Arbeit ist, zu beweisen, daß er in sich—in seinem geistigen Verständnis—das hat, was, weil es ihn geistig kleidet und speist, ihn auch menschlich erhält und versorgt. Wer aber die wahre Bedeutung der Menschenfreundlichkeit erkennt, wird sich im Denken und Handeln nicht von dem Christus trennen, der „den Sterblichen zeitliche Nahrung und Kleidung gibt”.
„In Liebe zum Menschen gewinnen wir den einzigen und wahren Sinn der Liebe zu Gott, dem praktisch Guten, und erheben uns daher immer mehr zu Seinem Bild und Gleichnis und werden Teilnehmer an dem Gemüt, dem Ursprung des Weltalls”, sagt uns unsere Führerin (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 287). Unsere Liebe zum Menschen wird nicht nur ein stets wachsendes Verlangen in uns wecken, geistig so wachsam zu sein, daß die vielen, die menschlicher und geistiger Ermutigung bedürfen, zu uns kommen können, und wir ihnen zu essen geben können, weil wir Gottes unendliches Versorgungsgesetz verstehen, sondern es wird uns Christliche Wissenschafter auch davor bewahren, diejenigen zu richten, die aus Erbarmen bereitwillig anderen in der Not in einer Weise helfen, die ihnen als die beste und praktischste erscheint. Dessen können wir gewiß sein, daß solange es Menschen gibt, die unterwegs überfallen, ihrer Kleider beraubt und verwundet liegen gelassen worden sind, der barmherzige Samariter nötig sein wird. Es liegt uns nicht ob zu schließen, daß, wer ihnen so menschlich dient, nicht auch Öl und Wein eingießen soll. Wir sollten lieber Gott für diejenigen danken, die durch Gedanken oder die Tat nicht „vorüber gehen”.
