Der Beweis der Fürsorge Gottes liegt nicht einfach darin, daß man sich menschlicher Behaglichkeit, leiblicher Gesundheit und des Wohlergehens erfreut, obgleich das sterbliche Gemüt gern haben möchte, daß wir es glauben. Mary Baker Eddy wirft überraschendes Licht auf einen der Beweise der Fürsorge Gottes, wenn sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 66): „Prüfungen sind Beweise der Fürsorge Gottes”. Der ernste Schüler der Christlichen Wissenschaft denkt oft über diese Erklärung nach, von der er zuerst geglaubt haben mag, sie stehe im Widerspruch mit dem in allen Schriften Mrs. Eddys betonten Grundgedanken, daß die göttliche Liebe ihrem Sprößling nur Gutes verleiht, und daß alles Böse das Ergebnis irriger Begriffe ist.
Die schulmäßige Theologie pflegte das Leiden zu verherrlichen, indem sie es mit einer gewissen Würde und einem Wert in sich ausstattete, als ob es von Gott komme und von Ihm geleitet werde. Die Christliche Wissenschaft tut dies nicht. Sie lehrt, daß das Leiden—das nie von Gott auferlegt, sondern selbstbetrübend, das Ergebnis der Unwissenheit und der Furcht oder der vorsätzlichen Übertretung der Gesetze Gottes ist—den einzigen Zweck hat, die Menschen zu der geistigen Wirklichkeit, worin es keine Sünde und kein Leiden gibt, aufzuwecken. Der Wissenschafter, der als Ergebnis des Irrtums leidet und willens ist, diesen aufzugeben, hält sich mit den Fehlern oder seinem Anteil an ihnen nicht länger auf, als um seine Lehre aus ihnen zu ziehen und sich klug vor ihrer Wiederholung zu hüten. Wer seine Zeit mit Selbstbedauern oder Groll zubringt, lernt nicht. Wer über das Böse nachdenkt, sich mit Furchtgedanken quält und sein Los beklagt, findet die „Beweise der Fürsorge Gottes” nicht. In jeder Erfahrung, mag sie zuerst auch noch so menschlich betrübend scheinen, müssen wir die sofortige, mutige, entschiedene Aufforderung sehen, zu beweisen, daß die Gegenwart und die Macht der Liebe jedem sterblichen Problem, in das die Annahme der Sterblichkeit das Menschengeschlecht verwickelt hat, gewachsen, ja überlegen sind.
In dem größten Verhör der ganzen Geschichte, als Jesus vor einem Richter stand, in dessen Händen die Entscheidung zu liegen schien, ob er leben oder sterben sollte, sagte Pilatus zu ihm: „Weißt du nicht, daß ich Macht habe, dich zu kreuzigen, und Macht habe, dich loszugeben?” Das für die Welt folgenschwerste und in seinem Beweis der Fürsorge Gottes auch das dramatischste Verhör! „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von obenherab gegeben”, erwiderte Jesus. Wer sein Machtbewußtsein dort gründet und bewahrt, wo Jesus es tat, wird das Mittel finden, das Böse zu vernichten und das Gute aufzurichten. Er wird fortschreitenden Beweis der Fürsorge Gottes finden. So wird man jede Anfechtung nicht als etwas sehen, was man ergeben hinnimmt, wovor man sich fürchtet, oder was man, wenn möglich, umgeht, sondern als etwas, was man gelassen und vertrauensvoll meistert. Auf Seite 276 in „Miscellaneous Writings” schreibt unsere Führerin: „Aus der Düsterkeit heraus kommt die Herrlichkeit unseres Herrn, und in Trübsal findet man Seine göttliche Liebe. Wenn ein falscher Sinn leidet, kommt der wahre Sinn zum Vorschein, und der Bräutigam erscheint. Dann werden wir mit einer reineren, höheren Liebe und einem reineren, höheren Ideal verbunden”.
Ist der Menschen Liebe auf den Kreis ihrer rein persönlichen Beziehungen beschränkt, die ihnen den Sinn der Gelassenheit und teurer Freundschaft bringen? Haben sie kein höheres Ideal als das, was das Leben behaglich, anziehend, erfolgreich macht? Dann erweisen sich die Anfechtungen, die sie aus solcher Behaglichkeit, aus solch gierigem Trachten, aus einem solchen oft selbstischen Besitz herausführen, in der Tat als „Beweise der Fürsorge Gottes”. Denn in der Raubgier des Eigennutzes, im Wohlgefühl der Selbstzufriedenheit gibt es keine Herrlichkeit, erscheint der Bräutigam nicht, bleibt der Beweis der Fürsorge Gottes unbeachtet und daher ungenützt.
Der Glaube, daß Anfechtungen das Erbteil des Menschengeschlechts seien, entstammt dem Adamstraum. Aber der Beweis der Fürsorge Gottes ist ohne Anfang und ohne Ende. Sie hat den Menschen nie versagt, wenn sie wahrhaft gesucht wurde, wie das Alte und das Neue Testament bezeugen. Wir haben heute den ewigen Augenschein davon. Zu Männern und Frauen in der ganzen Welt kam und kommt Herrlichkeit aus scheinbar undurchdringlicher Düsterkeit, kam das Verblassen dessen, was falsch war, das Dämmern dessen, was wahr ist. Die Menschen lernen erkennen, daß Krankheit und Mangel, Sünde und Leiden nicht anzunehmen, sondern zurückzuweisen sind; daß Macht nicht im Bösen, sondern im Guten, nicht in der Kreuzigung, sondern in der Auferstehung liegt. So wandeln sie Hand in Hand mit Gott. „Gott sei gedankt”, erklärte Paulus in seinem Bewußtsein dieser Allgegenwart, „der uns allezeit Sieg gibt in Christo”.
Solange sich die Menschen vor ihren eigenen Anfechtungen fürchten oder gegen die Anfechtungen anderer gleichgültig sind, fehlt die Verbindung mit einer „reineren, höheren Liebe und einem reineren, höheren Ideal”, die nötig ist, damit die göttliche Liebe an Stelle des Leidens tritt. In jedem Herzen harren die Eigenschaften Hoheit und Tapferkeit des irdischen Geborenwerdens. Auf Seite 303 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” (Zeile 29–32) schreibt Mrs. Eddy: „Wir brauchen viel Demut, Weisheit und Liebe, um die Funktionen des Vorheranzeigens und Vorherempfindens des Himmels in uns zu erfüllen. Diese Herrlichkeit wird in dem Feuer der Trübsal geschmolzen”.
In jeder Düsterkeit, in jeder vorübergehenden Anfechtung kann sowohl der einzelne als auch das Volk den Beweis der Herrlichkeit des geistigen Seins, d.h. jener Kraft finden, die, weil sie Gott gehört, auch Seinem Menschen und Seinem Weltall gehören.
