Es ist allgemein bekannt, daß viele nachdenkliche Leute keineswegs gewiß gewesen sind, daß die Wahrheit auch nur vorwiegend gut ist. Sie haben gefürchtet, daß die das Weltall regierende Macht den Menschen im wesentlichen ungünstig sein könne, daß sie sie trotz ihrer größten Anstrengungen überwältigen und zerstören könne. Selbst diejenigen, die Christi Jesu klare Lehre des Sieges für die Menschheit und für jeden einzelnen sorgfältig beachtet haben, haben zuweilen gezweifelt. Weil sie seine Lehre nicht recht erfaßt und angewandt haben, haben sie sich oft veranlaßt gesehen, wie die Apostel zu beten: „Stärke uns den Glauben!”
Der große Dienst, den die Christliche Wissenschaft denen erweist, die schon Christen gewesen sind, und denen, die es nicht gewesen sind, ist, daß sie ihren Glauben stärkt. Sie stärkt den Glauben des Wissenschafters, bis er kein bloßer Glauben mehr ist, sondern unbedingte, wissenschaftliche Gewißheit wird—die Gewißheit, daß die das Weltall regierende Macht vollständig gut und nicht im entferntesten ungünstig ist, sondern den Menschen, allen Menschen tätig und hinlänglich günstig ist.
Diese Überzeugung dämmert den Christlichen Wissenschaftern auf verschiedene Art, je nach der Verschiedenheit ihres Herantretens an diesen Gegenstand. So wurde sie jemand z.B. zuerst während seines wiederholten Lesens des Kapitels Gebet im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy klar. Als er sich in dieses Kapitel vertiefte, wurde er eine neue Art Frieden, eine zunehmende stille Überzeugung gewahr, daß das Prinzip oder die Ursache alles Seins, Gott genannt, intelligent und gütig ist. Er begriff die wissenschaftliche Wahrheit, daß die Sorgen und Ungewißheiten der Menschheit nicht in der Art der Dinge liegen, wie er gefürchtet hatte, sondern Erscheinungen ungenügenden Verständnisses sind, die alle durch ein besseres Verständnis berichtigt werden können.
Zu gleicher Zeit wurde ihm—und dies ist selbst für einen Neuling keine ungewöhnliche Erfahrung—unverkennbar bewiesen, was er lernte. Er selber war im Verständnis gewachsen, und eine Schwierigkeit verschwand tatsächlich für ihn. Eine Krankheit, an der er jahrelang gelitten hatte, und die durch beständige ärztliche Behandlung nicht geheilt worden war, verschwand über Nacht durch keine andere Behandlung als das Lesen von Wissenschaft und Gesundheit. Etwas später konnte er klar sehen, daß die gewonnene Befreiung von alten Besorgnissen die Heilung bewirkt hatte. Natürlich stärkte die Heilung seine Überzeugung von der Macht und der Anwendbarkeit des Guten.
Zwischen dem menschlichen Jesus und dem Christus, der Wahrheit, die er vertrat und bewies, unterscheidend, schreibt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 332): „Jesus wurde von Maria geboren. Christus ist die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein redet”. Der Christus—das, was dem Werk des Meisters solche Kraft und Wirksamkeit gab—war und ist also nicht etwas, was einem einzelnen ausschließlich gehört. Der Ausdruck ist besonders mit Jesus verknüpft und mit Recht, weil er alles, was der Ausdruck in sich schließt, so herrlich bewies. Aber tatsächlich bezeichnet der Ausdruck einfach die wahre Idee des Seins, die allen zu Gebote steht —„die wahre Idee, die das Gute verkündet”.
Diese wahre Idee, die damals völliger enthüllt und bewiesen werden sollte, rechtfertigte in so reichem Maße die Engelsbotschaften—jene frohen Innewerdungen—die die Geburt Jesu begleiteten. „Fürchtet euch nicht”, sagte einer der Engel, „siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird”. Und die himmlischen Heerscharen sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!” Kein Wunder! Die geistige Idee war zur Hand, alle Zweifel und Bedrängnisse der Menschen gerade durch den Augenschein der Güte und Allmacht Gottes zu vertreiben.
Wie kommt es, daß „die wahre Idee, die das Gute verkündet”, so eine heilende Wirkung hat? Wie vollbrachte Jesus seine großen Werke? Und wie werden heute die ähnlichen Werke der Christlichen Wissenschaft vollbracht? Man kann antworten, daß das Verkünden des Guten durch den Christus kein bloßes Andeuten des Guten oder Reden über das Gute, sondern das unmittelbare Dartun des Guten ist. Und das so erscheinende Gute ist nicht begrenzt; es ist Gott, das unendlich Gute. So ist die wahre Idee das unmittelbare Erscheinen des vollkommenen und unangreifbaren Lebens; der vollkommenen und unbegrenzbaren Substanz; der unaufhörlichen, mühelosen und harmonischen Tätigkeit; der unendlichen Intelligenz, der Wahrheit und der Liebe. Im „Verkünden des Guten” zeugt daher die wahre Idee für alles, was diese Ausdrücke bezeichnen. Und sie zeugt dafür unumgänglich in unbegrenzter Weise. Denn der Ausdruck Gottes kann so wenig begrenzt sein wie Gott.
Aber wie hat dies seine Wirkung auf den unharmonischen materiellen Zustand, wie er zu sein scheint? Wie erreicht es einen solchen Zustand? Die Wissenschaft zeigt klar, daß der Zustand nicht materiell ist, wie es scheint. Der Zustand ist in jeder Gestalt, sei es Sünde, Krankheit, Tod oder ein anderes Übel, eine Trugvorstellung der materiellen Sinne, die nur wirklich scheint, wenn das einzelne Bewußtsein sie als wirklich annimmt. Daher berichtigt die wahre Idee das Übel, wenn sie im einzelnen Bewußtsein dämmert. Die scheinbar materiellen Anzeichen des Übels werden dadurch geändert und beseitigt, weil sie an sich nur der äußere Anblick der Trugvorstellung sind.
Dies alles versetzt den Christlichen Wissenschafter in eine besonders glückliche Lage. Hört er von etwas, was im gewöhnlichen Menschenleben Besorgnis und Leiden hervorrufen würde, so ist er in der Lage zu erkennen, daß gerade dort, wo es zu sein scheint, in Wirklichkeit „die wahre Idee ist, die das Gute verkündet”. Was für Gutes? Genau das Gute, das not tut. Sollte ein gestörter Zustand irgend welcher Art vorliegen, so könnte er freudig und mit voller wissenschaftlicher Gewißheit wissen, daß gerade dort, wo die Schwierigkeit zu sein scheint, in Wirklichkeit ununterbrochene und vollkommene Harmonie, die Harmonie des Gemüts, des Geistes, herrscht, und daß in Wirklichkeit nichts anderes dort zu sehen ist. Denn die wahre Idee duldet nichts, was ihr unähnlich ist. Er könnte auch wissen, daß vollkommene Tätigkeit und nichts, was ihr unähnlich ist, dort ausgedrückt ist. Es ist bewiesen worden, daß das Wissen solcher Wahrheiten die entgegengesetzten Trugvorstellungen vertreiben und die nötige Heilung bewirken kann.
Derselbe Vorgang ist, wie der Wissenschafter weiß, genau so auf jede Krankheit, auf jeden gestörten Zustand anwendbar, ob nur ein Mensch oder eine Menge Menschen dabei in Betracht kommen. In jedem Falle vertreibt die Wahrheit in dem Maße, wie sie erkannt wird, die Trugvorstellung. In dieser Weise werden, wie der Christliche Wissenschafter sieht, alle Leiden der Welt in dem Maße vertrieben, wie die Menschen an Verständnis zunehmen.
Es ist nicht befremdlich, daß Jesaja, der das vollere Erscheinen der Christus- idee im menschlichen Bewußtsein vorhersah, geschrieben hat: „Er heißt Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst. Seine Herrschaft wird groß und des Friedens kein Ende werden”.
