Die Durchschnittsjugend von heute hat es nicht gern, daß man hinsichtlich ihrer Ansicht oder Handlungsweise eine andere Meinung von ihr hat als von ihren Gefährten, und sie sucht zu vermeiden, daß sie für sonderbar gehalten wird. Aus diesem Grunde kann es vorkommen, daß einer gelegentlich von moralischen und ethischen Richtlinien abweicht, was er nicht tun würde, wenn er nicht die Verurteilung seiner Kameraden befürchtete. Eine Mutter entdeckte, daß ihr kleiner Sohn und ein anderer Knabe etwas taten, was sie nicht tun sollten. Der kleine Sohn erzählte ihr, daß ihn der andere Knabe dazu nötigte, indem er sagte, er würde ein Feigling sein, wenn er es nicht täte. Die kluge Mutter erkläte ihrem Sohn, daß er, wenn er es aus Furcht, ein Feigling genannt zu werden, tue, er in der Tat ein Feigling sei, der sich von einem solchen Furchtgrund antreiben läßt. Und zu ihrer Freude durfte sie später sehen, daß ihr Sohn sich weigerte, im Unrechttun mitzumachen, und seine Gründe dem andern Knaben darlegte, der erwiderte: „Gut, laß uns etwas anderes tun!”
Man sollte nicht unrecht tun, nur weil man Tadel oder Spott für Rechttun befürchtet. Handeln wie andere handeln, weil man sich fürchtet, abgesondert zu sein, heißt seine wahre Wesenseinheit als ein Kind Gottes aus den Augen verlieren. Während man die wahre Wesenseinheit nie verlieren kann, weil sie die Widerspiegelung Gottes ist, kann jedoch ihre Bekundung in der menschlichen Erfahrung durch Mißachtung oder Vernachlässigung eine Zeitlang verhindert werden. Ein unschätzbarer Schatz sollte recht angeschlagen werden. Gegenwärtig, wo die Kleidung und die Lebensweise so vieler unserer jungen Leute uniformiert sind, ist es gut, daran zu denken, daß jeder seine eigene Art hat, und daß wahre Eigenart so wenig untergehen oder verlorengehen kann, wie die Sonnenstrahlen dadurch, daß sie sich miteinander vermischen, verlorengehen können, Mannigfaltigkeit und Eigenart wohnen der Natur inne. Keine zwei Blumen sind genau gleich; keine zwei Sonnenuntergänge sind ganz gleich; keine zwei Bäume im Wald sind ganz gleichförmig. So besitzt jedermann Wesenseinheit, von dem einen Gemüt übertragen, und seine Wesenseinheit wird in Gott bewahrt. In seinem ersten Briefe an die Korinther fragt Paulus: „Wer hat dich vorgezogen? Was hast du aber, das du nicht empfangen hast?”
Was wir von Gott und vom vollkommenen, geistigen Menschen wissen, bestimmt die Art unseres Betragens. Eine solche Verhaltungsweise beruht auf persönlicher Wahrnehmung dessen, was rein und heilig ist. Wenn einer mit Gott steht, steht er für sich und bekundet gottgegebene Stärke im Überwinden von Schwäche. Gott regiert und stützt sein Bemühen, recht zu tun.
Die oft angeführte Redensart: „Vergleiche sind widerlich” ist auch mit Bezug auf das Bemühen und das Vollbringen in der Geschäftswelt wahr. Jedermann will erfolgreich sein. Erfolg ist der Ausdruck von Tugenden, die das Gemüt widerspiegeln. Erfolg kann so wenig wie Eigenart verglichen oder durch Wetteifer erstrebt werden. Es ist einer nicht unbedingt erfolglos, weil er nicht ein gewisses Maß materiellen Gewinns erreicht, sondern wenn er nicht der von ihm erkannten höchsten Norm gemäß lebt. Entmutigung entsteht nicht dadurch, daß es einem nicht gelingt, weltliche Güter oder eine Stellung zu erlangen, sondern dadurch, daß man seine eigene Kraft, mit der man geistig ausgestattet ist, nicht anwendet. Eigenart im Denken bedeutet Eigenart im Handeln. Niemand kann einem andern seinen Platz verschaffen oder ihn ausfüllen. Mary Baker Eddy schreibt: „Jeder einzelne muß in Zeit und Ewigkeit seinen Platz selber ausfüllen” (Rückblick und Einblick, S. 70). Seine Mission erfüllen, heißt Gott und seinem wirklichen Selbst treu sein.
Wir sollten unsere Fähigkeiten oder Gelegenheiten nicht mit denen anderer vergleichen; denn der Fortschritt liegt nicht darin. Wir sollten uns bemühen, unsern gegenwärtigen Beweis durch größere geistige Intelligenz, höhere Erkenntnis Gottes und Seiner Idee, zu übertreffen. Gelegenheit schließt ihre Tür nie vor denen, die die unendlichen Fähigkeiten des göttlichen Gemüts kennen. Neue Wege und Verfahren werden sich beständig entfalten, wenn erkannt wird, daß der Mensch Gottes mit unbegrenzter Vision, Erfindungsgabe und Substanz ausgestattet ist, weil die Unendlichkeit keine Grenzen kennt. Das göttliche Gemüt entfaltet auf immer grenzenlose geistige Reichtümer.
Der Ausdruck „Persönlichkeit” findet bei der heutigen Jugend großen Anklang; denn er läßt die Erlangung jener Auszeichnung erkennen, wonach sein Wert bemessen wird. Vom rechten Standpunkt aus betrachtet, kann jedoch gesagt werden, daß der Ausdruck auf unsere wirkliche Eigenart als Gottes Sohn hinweist. Mrs. Eddy schreibt (Christian Science versus Pantheism, S. 10): „Was auch immer vorbildliches Sein, Gesundheit und Heiligkeit fördert, setzt des Menschen Persönlichkeit nicht herab”. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, repräsentiert Persönlichkeit unsere Fähigkeit, für andere zu denken und zu tun, was sie segnet und so ihr Leben zum Guten beeinflußt. Es ist im höchsten Grade selbstlos, ihnen dadurch Gutes zu tun, daß man mit ihnen teilt, was man an himmlischen Schätzen empfängt. Alle, die so geführt werden, arbeiten unaufhörlich zum Wohl anderer, helfen ihnen und segnen sie, selbst wenn es das Aufgeben ihrer eigenen Wünsche und ihrer eigenen Bequemlichkeit erfordert.
Wer auch nur etwas scheinbar Einfaches in eigenartiger Weise tun kann, besitzt wahre Eigenart. Es ist die Fähigkeit, auf persönliche Art etwas zu vollbringen, was von wahrem Wert ist. Einmal kam in die Wohnung eines Wissenschafters ein Mann, um Polstermöbel zu reinigen. Er war so tüchtig, so stolz auf seine Arbeit, daß er sein Geschäft als eine Spezialität, in der er Besonderes leistete, liebte. Wer ihn beobachtete, sah, wie ernst er es nahm und mit welcher Hingebung er arbeitete.
Die Anwendung der geistigen Eigenart führt uns zu eigenartigem Dienst für unsern Mitmenschen. Laßt uns unsere gottgegebenen Fähigkeiten, unsern eigenartigen Ausdruck der Seele, recht anwenden! In einer Unterredung sagte Mrs. Eddy in Beantwortung einer Frage über „die Seele des Menschen” (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 344): „Sie ist nicht der Geist Gottes, eine irdische Hülle bewohnend und dann daraus zurückgezogen, sondern Gott, der die Eigenart und die Persönlichkeit bis ans Ende bewahrt”.