Einem, der sich nicht gern mit Wörtern abgibt, sich nicht in sie vertieft, um ihre Ableitung und ihre oft überraschenden Bedeutungen kennen zu lernen, entgeht viel. Wer sich vollständige Wörterbücher und Bibelkonkordanzen zu vertrauten Gefährten macht, betritt ein neues und ergötzliches Land, das mit „einem Land” verglichen werden könnte, von dem es in der Bibel heißt, „da du Brot genug zu essen hast, ... ein Land, des Steine Eisen sind, da du Erz aus den Bergen hauest”. Betrachten wir z.B. das einfache Wort „heben”. Läßt man sich durch unsern guten und weisen Freund, das Wörterbuch, mit ihm geziemend bekannt machen, so kann man nicht umhin, schon über die erste angeführte Begriffsbestimmung angenehm überrascht zu sein: „In der der Richtung der Schwerkraft entgegengesetzten Richtung bewegen” (Webster). Der mit den Schriften seiner Führerin Mary Baker Eddy vertraute Christliche Wissenschafter wird zweifellos in diesem Zusammenhang finden, daß er sich sofort ihrer fesselnden Erklärung in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 265) erinnert: „Die Sterblichen müssen zu Gott hinneigen, ihre Neigungen und Ziele müssen geistig werden — sie müssen sich den umfassenderen Auffassungen vom Sein nähern und etwas von dem eigentlichen Sinn des Unendlichen gewinnen — um Sünde und Sterblichkeit ablegen zu können”.
Was für ein entzückendes, originelles Wortbild Mrs. Eddy hier malt —„zu Gott hinneigen”! Der große Lehrer von Nazareth führt dieses Thema wunderbar weiter aus, wenn er erklärt: „Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen”. Hier zeigt er die erfreuliche und unvermeidliche Wirkung des Emporhebens des menschlichen Bewußtseins. Nicht nur wird der, der zum Geist hinneigt, erhöht und gesegnet, sondern die unwiderstehliche Anziehung der Liebe erhebt, stützt und inspiriert auch alle, die unter ihren wohltätigen Einfluß kommen.
Man beachte z.B. das große Vorrecht, das der tätige Christliche Wissenschafter täglich hat. Von dem Augenblick des Aufwachens an sollte er bestrebt sein, sein Denken zu Gott zu erheben, seine Freude zu beanspruchen und zu beten, daß er an diesem Tage nur im Geschäft des Segnens erfunden werden möge. Wohin er mit dieser Erhebung geht — auf die Straße, in den Zug, den Laden, das Büro oder die Fabrik — geht auch der Christus, das selige, heilende Bewußtsein, das den erdgebundenen Herzen so sehr not tut. Es ist ein freudiges, sich lohnendes Geschäft, dieses Geschäft des Erhebens, des Hinneigens zu Gott. Versuch es, wenn du seine echte Glückseligkeit nicht gekostet und seine unwandelbaren Früchte nicht gesammelt hast! Jeder traurig aussehende, uninspirierte Sterbliche, dem du begegnest, kommt dann mit dem Licht des Christus, der Wahrheit, das du widerspiegelst, in Berührung, und nie wieder wird die Finsternis für ihn so undurchdringlich sein. Vielleicht ist ganz in deiner Nähe in deiner Arbeitsstätte eine unangenehme Person — ja, eine überaus unangenehme, verdrießliche und mürrische Person. O geh nicht leichtfertig oder eilig an ihr vorüber! Was für Leid, Vereitelung oder Enttäuschung an der Wurzel eines solchen verdrießlichen Wesens wohl liegen mag! Vielleicht ist es das Gefühl, weit entfernt von der Liebe und vom Geliebtwerden zu sein, und ist nur Heimweh.
„Ein freundlich Wort, wie wohl tut’s dem Gemüt,
Das irrend unter Haß und Neid verdorrt!
Es hat vielleicht vergeblich sich gemüht,
Gewinn es wieder durch ein freundlich Wort”.
Bist du im Kriegsdienst deines Vaterlandes, so kommst du zweifellos mit vielen, die nicht deine Sprache sprechen, in Berührung, d. h. mit Leuten, deren Erziehung, Ausbildung, Gewohnheiten und Religion von den deinen ganz verschieden sind. Einige deiner vorgesetzten Offiziere mögen wahre Zuchtmeister, ungebührlich streng oder sehr von ihrer eigenen Wichtigkeit eingenommen zu sein scheinen. Dann mußt du sehr sicher sein, daß du dein Denken über diese unschönen Bilder der materiellen Sinne erhebst. Laßt uns nie vergessen, daß der, der lieblos ist, der Liebe bedarf, des Erhebens des Christus bedarf! Strenge, unnachgiebige Verdammung fördert nur die fleischliche Hinneigung. Eine ganze Kompanie, nein, ein ganzes Bataillon kann das Erheben des Denkens und des Muts fühlen, weil Rechtdenkende, deren Gedanken zu Gott hinneigen, an ihnen vorbeigegangen sind.
Nimmt die Zahl der Besucher der Gottesdienste in unseren Kirchen in diesen arbeitsreichen, schwierigen Tagen ab? Scheint die Inspiration in den Gottesdiensten nachzulassen? Hier wird jeder wachsame Wissenschafter aufgefordert, sein Licht mehr als je zuvor leuchten zu lassen. In ihrem ausnehmend schönen und gütigen Brief an einen Ersten Leser (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 247) faßt Mrs. Eddy die uns gestellte Aufgabe in die einfache aber tiefgründige Erklärung zusammen: „Christus ist Sanftmut und die auf den Thron erhobene Wahrheit. Ziehen Sie die Gewänder Christi an, so werden Sie erhoben werden und alle Menschen zu sich ziehen”. Weiter unten fragt sie dann: „Kommen Sie zu Ihrer kleinen Herde so voll göttlicher Nahrung, daß Sie Ihr Brot auf das Wasser werfen?” Wie schön es wäre, wenn die Leser unserer Kirchen über diese inspirierende Botschaft nachdächten, ehe sie vor Beginn der Sonntagsgottesdienste oder der Mittwochabendversammlungen zum Rednerpult gehen! Wenn es einen Platz gibt, wo um Erhebung, um geistige Hinneigung, um die Inspiration des Heiligen Geistes gebetet werden sollte, so ist es das Rednerpult einer christlich-wissenschaftlichen Kirche. Und wenn du eine Kirche findest, in der nicht nur die Leser, sondern auch viele Hörer des Worts tätig, bewußt die christlichen Gewänder „Sanftmut und die auf den Thron erhobene Wahrheit” anziehen und daher von der Erde erhoben werden, wird eine solche Kirche zweifellos die Kranken, die Sünder und die nach dem Brot des Lebens Hungernden zu ihren empfangsbereiten Türen ziehen.
Wenn diejenigen, die gewählt sind, das erhebende und heilende Wort der Wahrheit zu lesen, ihr großes Vorrecht des Erhebens des Denkens der Gemeinde zu geistigen Höhen fühlen, können ihre Zuhörer nicht umhin, die Freude der himmlischen Harmonien, die sie mitteilen, zu erfahren. Nichts ist erhebender als echte Freudigkeit, nichts trübseliger als die Erdenlasten ihres Gegenteils. Hast du je von dem trostlosen Mann gehört, der versuchte, sich durch das Singen des Liedes: „Horch, von den Gräbern ein trauriger Ton” aufzuheitern?
Jeder Christliche Wissenschafter sollte sich fragen: Bin ich bestrebt, mich und meinen Mitmenschen höher zu heben? Bin ich meiner Kirche eine Verbindlichkeit oder ein Gewinn? Was tue ich in diesem großen Werk des Erhebens des Christus im menschlichen Bewußtsein, wodurch alle Menschen zum Prinzip, zu der Wahrheit und der Liebe hingezogen werden? Bleibt der niederziehende Hang zur Tadelsucht, zur Gleichgültigkeit und zur Geistesträgheit ungerügt? Würdest du dich Tag für Tag wissentlich von jemand mit falschem Geld betrügen lassen? Gewiß nicht! Wir sollten uns aufrütteln und nachdrücklich gegen die mesmerische religiöse Lauheit der Zeit protestieren, die uns um unser gottgegebenes Erbe wahrer geistiger Hinneigung, Nützlichkeit und freudiger Tätigkeit betrügen möchte! Durch die Jahrhunderte hindurch ertönt der Posaunenruf des lieblichen Sängers Israels: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe”!
