Heute, wo das Böse verzweifelt nach Oberherrschaft trachtet, ist das Bemühen natürlich mehr auf die Zerstörung seiner unmittelbar vorliegenden Formen gerichtet. Wenn diese erst einmal ausgerottet sind, denkt man, dann wird schon alles recht werden. Doch ist dies, so wichtig diese Gewißheit ist, nicht das ganze Bild. Die Erfahrung und die Geschichte, besonders die Geschichte der Zeit nach dem letzten Krieg, zeigen, daß es nicht genügt, das Böse zu unterdrücken. Der unbedingte und aufbauende Sinn des Guten muß an die Stelle des Bösen treten.
Im 12. Kapitel des Evangeliums des Matthäus befindet sich das Gleichnis von dem Menschen, aus dem ein unsauberer Geist ausgetrieben worden war. Als der unsaubere Geist seinen vorherigen Aufenthaltsort „leer, gekehrt und geschmückt” fand, kam er zurück mit „sieben anderen Geistern, die ärger sind denn er selbst”, so daß „es mit demselben Menschen hernach ärger wird, denn es zuvor war.”
Abgesehen von den Maßnahmen, die sich für die unmittelbare Handhabung des Bösen und seiner Umtriebe als nötig erweisen mögen; abgesehen von der mit Recht geforderten Gerechtigkeit und Umwandlung, liegt die schließliche Rettung der Menschheit in dem tieferen und weitgehenderen Erfassen der Tatsache, daß Gott das allumfassende Gute und der Mensch, wie die Bibel lehrt, zu Gottes Bild geschaffen ist und so erhalten wird. Die Christliche Wissenschaft erläutert diesen wahren Zustand des Seins. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, legt ihn auf Seite 492 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” kurz und bündig dar, wenn sie schreibt: „Das Sein ist Heiligkeit, Harmonie und Unsterblichkeit.” Nur in dem Maße, wie sie das menschliche Bewußtsein erfüllen, können wir Anmaßung, Verzweiflung, Furcht, Haß und ähnliche Zustände aus uns und aus anderen verbannen; kann der eindringliche Rat des Apostels Paulus befolgt werden: „Laß dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.”
Hier kommt gar nicht in Betracht, daß man einer Frage ausweicht, die Haltung zaghaft nachgiebigen Schlichtens einnimmt, oder den Kopf in den Sand der Untätigkeit steckt. Man darf sich dem Bösen nicht unterwerfen, sondern muß ihm entgegentreten und es auf die einzig wirksame Art überwinden.
Von einem Christlichen Wissenschafter wird erzählt, daß er seine Tochter das Lenken eines Kraftwagens zu lehren suchte. Sie wanden sich durch ein sehr verkehrreiches Gebiet hindurch, und der Vater warnte seine Tochter fortwährend: Tu das nicht oder tu jenes nicht. Als sie wohlbehalten hindurchgefahren waren, sagte die Tochter ruhig: „Lieber Vater, wenn du mir nur das eine sagtest, was ich tun soll, anstatt der hundert Dinge, die ich nicht tun soll, würde ich sicher schneller lernen.”
Erkennt und berichtigt, wenn man es überlegt, der Rechner Fehler nicht durch seine Kenntnis der Zahlenlehre? Läßt nicht das Vertrautsein mit dem echten Geldschein den Kassierer eine Nachahmung erkennen und zurückweisen? Das Böse ist immer eine Nachahmung des Guten in irgend einer Form. Der Sünder ist erst dann nachhaltig geheilt, wenn er wie der verlorene Sohn vor alters einen Schimmer des wohltätigen Lichts des Guten erblickt hat, so daß er sich schämt, dem Bösen zu frönen, und sich anstrengt, das Ziel Freiheit zu erreichen. Ebenso sollte in Weltangelegenheiten eine Wertschätzung der Eintracht, der Wirksamkeit und der Allgenüge des wahren Seins, woran jedes Volk und jeder Mensch seinen Anteil hat, entwickelt werden, damit die Uneinigkeit stiftenden Übel Selbstsucht, Habgier, Unduldsamkeit und Haß ausgerottet werden können. Unsere Führerin Mrs. Eddy hat auf Seite 201 in Wissenschaft und Gesundheit geschrieben: „Um den Irrtum aus dem sterblichen Gemüt zu entfernen, muß man die Wahrheit durch Fluten der Liebe einströmen lassen.”
Nur diejenigen, die über die wahre Art der Liebe und des Menschen und das ihm zustehende Wohlergehen belehrt sind, und diejenigen, die den Forderungen des Prinzips nachkommen, sind ausgerüstet, eine unheilvoll an Tod und Zerstörung und ein Heer geringerer Übel gewöhnte Welt zu heilen. Nachkriegsverfahren werden sich, so ideal sie scheinen mögen, als vergeblich erweisen, wenn sie nicht die Liebe anwenden und üben, die „nimmer aufhört”, und die die göttliche Anordnung ausführt. Das Volk, dem am Wohl der Welt im großen ganzen gelegen ist; das Großgewerbe, das die rechtmäßigen Bedürfnisse der Gemeinwesen, denen es dient, in den Vordergrund stellt; der Arbeitgeber, der es sich zur Hauptaufgabe macht, auf das Wohlergehen und Glück seiner Angestellten bedacht zu sein; der Mensch, der die Goldene Regel zu leben sucht — sie alle werden finden, daß für das, was ihnen not tut, wunderbar gesorgt ist, so mächtig und weitreichend sind Dankbarkeit und Wohlwollen, und so unvermeidlich führt ihr Fehlen zum Mißlingen, so geschickt auch Erfolg geplant sein mag. Es handelt sich in Wirklichkeit immer darum, ob man mit der Strömung oder gegen die Strömung der göttlichen, harmonischen Ordnung der Dinge arbeitet.
Unser Verständnis der Liebe muß sich so erweitern, daß es die ganze Menschheit umfaßt. Dies bedeutet kein eifriges Zurechtsetzen der Welt; es bedeutet, daß man in seinem eigenen Denken Disharmonie, den Glauben, daß es in dem unwandelbaren Plan der Liebe Fehler oder Fehlschlag geben könne, durch das Bewußtsein des immer wirkenden Guten ersetzt. Dies erfordert entschlossene Selbstprüfung; man muß dabei Furcht durch Glauben; Selbstüberhebung durch Demut; Eigenwillen durch Gehorsam; Trägheit durch Wachsamkeit; Verurteilung oder Gleichgültigkeit durch einen großzügigen Ausblick; die ungewissen Begriffe des menschlichen Gemüts durch „Christi Sinn”; die ruhelose Sinnlichkeit des Fleisches durch den lebendigen Antrieb des Geistes ersetzen — kurzum, man muß erkennen, was man ist, anstatt sich irrigerweise für etwas zu halten, was man nicht ist und nie gewesen ist.
Das Beweisen, daß das wahre Selbst die ungehemmte und ungestörte Bekundung des einen wohltätigen Gemüts ist, nicht irgend ein persönlicher Sinn des Wohltuns, der Weisheit oder des Besitzes rüstet uns aus, uns und unseren Mitmenschen in der Erkenntnis zu helfen, daß jede einzelne Idee der Liebe gerade da, wo sie ist, gesegnet und gestützt ist. Nur durch die Überzeugung, daß es in dem freudigen, vollständigen und immergegenwärtigen Weltall der Liebe keine schlimmen Zustände zu heilen, keinen Haß zu begegnen, keine kummervolle Menschheit zu trösten, keine Hilfsbedürftigen zu versorgen und keine schwierigen Probleme zu lösen gibt, kann, so widerspruchsvoll es klingen mag, die Verfügbarkeit von allem, was nötig ist, um eine Lage harmonisch zu gestalten, ans Licht gebracht werden. Das Böse kann im Licht der strahlenden geistigen Vollkommenheit tatsächlich ausgemerzt werden.
Mrs. Eddy drückt dies erhebend aus auf Seite 571 in Wissenschaft und Gesundheit: „Zu allen Zeiten und unter allen Umständen überwinde Böses mit Gutem. Erkenne dich selbst, und Gott wird dir die Weisheit und die Gelegenheit zu einem Sieg über das Böse geben. Bist du mit dem Panzer der Liebe angetan, so kann menschlicher Haß dich nicht erreichen. Der Zement eines höheren Menschentums wird alle Interessen in der einen Gottheit vereinen.”