Was ist Fortschritt? In der heutigen weltumwälzenden Zeit sind wahrscheinlich viele von uns versucht zu glauben, daß tatsächlich sehr wenig Fortschritt sichtbar sei. Wir mögen uns sogar gefragt haben, ob das, was wir für unsere vortreffliche heutige Zivilisation gehalten haben, nicht nur eine leere Hülle ist, die hinter anscheinend neuen und vorgeschrittenen Arten, menschliche Schwierigkeiten zu handhaben, dieselbe alte, unverbesserte Bosheit des sterblichen Gemüts verbirgt. Von einem materiellen Standpunkt gesehen scheint im allgemeinen vieles einen solchen Schluß zu erhärten. Dies sollte uns Christliche Wissenschafter veranlassen, Beweise des Fortschritts „in einem besseren, nämlich einem himmlischen Vaterland”, wie die Bibel sagt, zu suchen.
„Fortschritt”, sagt uns Mary Baker Eddy auf Seite 181 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany”, „ist geistig. Fortschritt ist die reifende Vorstellung von der göttlichen Liebe; er beweist das wissenschaftliche, sündlose Leben des Menschen und den schmerzlosen Übergang des Sterblichen von der Materie zum Geist, nicht durch den Tod, sondern durch die wahre Idee des Lebens,— und zwar des Lebens nicht in der Materie, sondern im Gemüt.”
Eine Ortsveränderung oder eine andere Tätigkeit bedeutet an und für sich nicht unbedingt Fortschritt. Wenn wir bloß an einem andern Platz arbeiten oder in eine andere Stadt ziehen, aber dieselben begrenzten und begrenzenden Annahmen über uns und unsere Fähigkeiten mitnehmen, sind wir in Wirklichkeit dem wahren Begriff des Lebens, der uns von einer materiellen zu einer geistigen Daseinsauffassung führen muß, nicht näher gekommen. Es ist leicht, äußerlich eine Änderung vorzunehmen und zu erwarten, daß dies einen neuen Menschen aus uns machen wird, der bereit ist, eine glänzende neue Welt zu erobern, deren Gesichtskreise viel verlockender scheinen als unser gegenwärtiger, begrenzter Wirkungskreis. Was verbürgt uns aber, wenn wir in unserer gegenwärtigen Tätigkeit die falschen Annahmen, die sich unser Denken nennen, nicht erkannt und überwunden haben, daß wir es in einer neuen Lage tun werden? Davids Treue im Hüten der „wenigen Schafe in der Wüste” und sein tägliches Beweisen dort, daß Gott sie „von dem Löwen und Bären” erretten konnte, befähigte ihn, Goliath mit einem aus bewiesenem Verständnis geborenen ruhigen Vertrauen entgegenzutreten und ihn zu besiegen.
Dem Christlichen Wissenschafter ist nicht der materielle Ort das Wichtigste, und sein Fortschritt hängt in keiner Weise davon ab, daß er in eine neue Tätigkeit berufen wird, die ihn in ferne Länder führt. Jenes „himmlische” Land, von dem die Bibel spricht, ist rein mental — unser eigenes Bewußtsein des Seins, und hier müssen wir fortwährenden und ewigen Fortschritt suchen und erwarten. Es ist leicht möglich, daß die heutzutage „daheimgebliebenen” Arbeiter, die dem Wunsche nach einer Änderung widerstanden und ihre Beweggründe im Licht der Wahrheit geprüft haben, finden, daß sie gründlichen und befriedigenden Fortschritt machen, wenn sie willens waren, standhaft an die in ihrem Leben noch nicht gelösten Probleme heranzutreten. Dadurch können sie einen reichen Ertrag an geistigem Wachstum ernten.
Wenn wir in Lagen kommen, wo alle menschlichen Stützen fehlen, bleibt uns nur göttliche Hilfe. Viele Menschen sind heute gezwungen, sich rückhaltlos an Gott, den Geist, zu wenden, und sie finden dadurch, daß der ausgestreckte Arm der Allmacht immer zu helfen und zu retten bereit ist. Ist es schon eine unaussprechliche Freude, Gottes Hilfe in diesen äußersten Notlagen zu erleben, so ist es klar, daß die Gewohnheit, uns die Gelegenheiten unseres Alltagslebens als Weg zu einer „reifenden Vorstellung von der göttlichen Liebe” dienen zu lassen, beständig und dauernd Freude bereitet.
Die Christliche Wissenschaft macht klar, daß das höchste Gute des Daseins darin besteht, daß man sich des Einsseins des Menschen mit Gott bewußt wird. Durch ihre Lehren lernen wir unsere Unzertrennlichkeit von unserem Schöpfer beweisen. Das Überwinden alltäglicher Kleinigkeiten zeigt uns, daß wir die göttliche Liebe besser verstehen lernen, mögen wir dann in einem Büro, einem Flugzeug, in der Schule oder zu Hause sein. Wenn wir einen persönlichen Sinn von uns und unserem Nächsten beständig durch Gottes Begriff vom Menschen ersetzen — ihn sehen, wie Er ihn sieht — können wir sicher sagen, daß wir „die wahre Idee des Lebens — und zwar des Lebens nicht in der Materie, sondern im Gemüt” erlangen.
Wenn wir einen höheren, geistigeren Standpunkt erreichen, geben wir alte Muster und Ideale, die wir einst für gut genug gehalten haben mögen, unvermeidlich auf oder vervollkommnen sie. Das Erlangen dieses Himmelreichs in uns erinnert uns an Jesu Worte: „Darum ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorträgt.” Die herrlichen neuen Lichtblicke der Güte Gottes spornen uns zum Fortschritt an, aber vielleicht nicht mehr als die alten Schätze, die wir im Licht des Geistes neu sehen. Unser Fortschritt entspricht unseren eigenen Anschauungen, er ist persönlich, ganz unabhängig vom Platz oder der Stellung oder äußeren Umständen. Nur unser eigener Mangel an Bereitwilligkeit, seinen Forderungen zu entsprechen, kann unsern Fortschritt verzögern oder ihn uns vorenthalten. Der Fortschritt für die Welt hängt davon ab, wie treu wir die wissenschaftliche Wahrheit über Gott und den Menschen, die die Christliche Wissenschaft uns enthüllt hat, beweisen. Unsere Führerin sagt uns auf Seite 94 in „Rückblick und Einblick”: „Da wir diese wissenschaftliche Tatsache früher als andere wahrgenommen haben, schulden wir uns selbst und der Welt die Anstrengung, sie zu beweisen.”