Vor einigen Jahren brach an einem Ende der sechs Morgen großen Holzüberdeckung eines städtischen Reservoirs Feuer aus, das sich mit Windeseile über die ganze mit Kreosot durchtränkte Fläche verbreitete. Immer höher stiegen die Flammen und der Rauch; sie kamen schon über die schmale Straße gegen die dort stehenden Häuser. Eine Christliche Wissenschafterin blickte vom Eingang ihres Hauses auf die ihr liebgewordenen Möbel, Bilder und Bücher zurück. Vor den Fenstern loderten die Flammen. Von dem Augenblick an, wo sie dieses schreckenerregende Bild der Zerstörung erblickt hatte, hatte sie nachdrücklich die Wahrheit erklärt. Sie wußte, daß das Bild eine Trugvorstellung war, und daß das geistige Bewußtsein keine solche Unwahrheit zugeben konnte.
Als die Feuerwehr anordnete, das Haus zu verlassen, kam die angreifende Einflüsterung: „Alle diese liebgewonnenen Dinge werden verbrennen!” Aber trotz der lodernden Flammen, der Wut des sterblichen Gemüts, war sie sich der Erleuchtung geistiger Entfaltung bewußt, die bezeugte: Sowohl alle diese Häuser als auch der persönliche Besitz bestehen nur als Beweise des Denkens. Das Denken überwältigt nicht. Heimat, Himmel, Harmonie, Beschützung, Schönheit, Fülle verbrennen nicht, weil der Geist ihre unzerstörbare Substanz ist. Die Vergegenwärtigung, daß das Weltall nicht als Materie besteht, sondern daß alles in und aus dem Geist besteht, ist gesegnet. „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.”
Mit einem Gefühl der Sicherheit verließ die Wissenschafterin das Haus und ihren Besitz ohne die leiseste Regung, auch nur einen kleinen Wertgegenstand mitzunehmen. Bald war die ganze Reihe Häuser in Rauch gehüllt und Funken sprühten über die Dächer. Die Feuerwehr arbeitete mutig und weise und sandte Wasserstrahlen hinter die Gebäude. Dann sah die Wissenschafterin zwei Regenbogen, die vor ihr bis auf den Boden reichten, sich in den schwarzen Rauch wölben, der die Häuser verbarg. Es fielen ihr die schönen Zeilen aus Mrs. Eddys Gedicht „Liebe” ein (Gedichte, S. 7):
„Was verjagte die Wolken?
Es war die Liebe, deren Finger deutlich
Einen Bogen der Verheißung auf die Wolke zeichnete.”
Was für eine Versicherung, daß alles geborgen war! Bald darauf traten aus den Rauchwolken die Umrisse der Häuser hervor — ganz, unversehrt, unbeschädigt von den Flammen.
Viele andere wandten sich damals an Gott, als ein Teil der Stadt in großer Gefahr zu sein schien. Sicher fand jedermann sein Bedürfnis befriedigt. Für die Wissenschafterin war es ein sehr großer Augenblick, nicht wegen des riesigen Feuers, denn „der Herr war nicht im Feuer”, sondern weil das „stille sanfte Sausen” die Substanz geistigen Denkens und seine Wirkungen und die daraus folgende Machtlosigkeit der Materie enthüllte. Mrs. Eddy schreibt in „Unity of Good” (S. 10): „Das Weltall und der Mensch sind die geistigen Erscheinungen dieses einen unendlichen Gemüts. Geistige Erscheinungen laufen nie nach etwas anderem als nach der unendlichen Gottheit hin zusammen. Ihre Stufenfolgen sind geistig und göttlich; sie können nicht zusammenbrechen, noch in ihr Gegenteil verfallen; denn Gott ist ihr göttliches Prinzip. Sie leben, weil Er lebt, und sie sind ewig vollkommen, weil Er vollkommen ist und sie in der Wahrheit der göttlichen Wissenschaft regiert, deren Anfang und Ende, deren Mittelpunkt und Umkreis Gott ist.” So wurde der Wissenschafterin gezeigt, daß das Erste und Wichtigste die große Tatsache ist, daß es nicht zwei Welten gibt, eine materielle, die verbrennen kann, und eine nebelhaft geistige, sondern nur eine völlig greifbare und geistige, die Liebe, Leben, Sicherheit, Freude und Harmonie bekundet.
Die erste der Seligpreisungen gibt die einzige Grundlage für die Stellungnahme. Die Allheit des Geistes und nichts außer ihm ist die Grundtatsache, das bestehende Himmelreich. Was heißt dann „geistlich arm” sein? Heißt es materielle Armut erleben, oder heißt es die Notwendigkeit zunehmender Geistigkeit empfinden? Vom Gesichtspunkt des sterblichen Gemüts heißt keine Materie haben arm sein. Aber der Geist ist nie arm. Die wahre Art des Geistes ist seine Allheit und Allumfassenheit. Durch das Verständnis der völligen Unwirklichkeit eines vermeintlich negativen materiellen Weltalls nehmen wir die allumfassende Fülle des Gemüts wahr, wenn wir alles in die Substanz des Himmelreichs, des Geistes, zurückübertragen.
Jesus sagte zu dem reichen Jüngling, der so musterhaft in allen Dingen war, ausgenommen das eine, daß er seinen materiellen Besitz liebte: „Eines fehlt dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben.” Der Jüngling ging traurig weg. Er liebte seinen sogenannten weltlichen Reichtum als Materie und konnte ihn als Materie nicht aufgeben. Die Christliche Wissenschaft verlangt von niemand, seinen Besitz aufzugeben, sondern seinen materiellen Begriff davon aufzugeben. Jesus sagte: „Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr des alles bedürfet.” Wenn einmal erfaßt wird, daß Nahrung, Kleidung, Kraftwagen, Häuser — alles in der menschlichen Erfahrung — nur Gedanken ausdrücken, muß das Verlangen nach der Erkenntnis erwachen, daß das Weltall geistig ist, daß es aus unzerstörbaren geistigen Ideen besteht.
Der Zweck des Lebens ist nicht, mehr Materie zu erwerben, sondern den Geist auszudrücken. In dem Verhältnis, wie materielles Denken wie Furcht, Mangel, Neid, Habgier, Haß durch Glauben, Fülle, Freigebigkeit, Anerkennung und Liebe ersetzt wird, bestimmen diese geistigen Eigenschaften die Form und Färbung eines reicheren Lebens. Wer „geistlich arm”, wahrhaft demütig im Denken wird, wird den Segen der ersten Seligpreisung erleben. Solche Menschen werden in das Himmelreich eingehen und mit Mrs. Eddy sagen können (Miscellaneous Writings, S. 86): „Die Erde ist jetzt für meinen Blick geistig schöner als damals, wo sie für Evas Augen irdischer war. Die angenehmen Empfindungen der menschlichen Annahme von Form und Farbe müssen vergeistigt werden, bis wir den verherrlichten Sinn von Substanz wie im neuen Himmel und der neuen Erde, der Harmonie von Körper und Gemüt, erreichen.”
Was das Leben wunderbar macht, was das Leben lebenswert macht, ist das Wissen, daß wir in einer Welt leben, die uns braucht, und daß wir mit Gottes Hilfe diesem Bedürfnis gerecht werden können.