Als Jesus bei seiner Pilgerfahrt auf Erden durch die Wüste der menschlichen Annahmen wanderte, bezeichneten die Früchte des Geistes den Pfad, auf dem er gewandelt war. Er zeigte die Schönheit und Kraft des Christus, so daß, wo er auch immer hinging, Heilung und Wiedergeburt ihn begleiteten. „Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal“, schrieb der Dichter, in allegorischer Sprache auf den Christus hinweisend (Hohesl. 2:1). Der Prophet Jesaja nahm diese Idee auf und führte sie weiter aus, als er sang: „Die Wüste und Einöde wird lustig sein, und das dürre Land wird fröhlich stehen und blühen wie die Rose.“ (Nach der engl. Bibelübersetzung.)
Als Gleichnisse wählte der Sänger zwei Gegenstände, die gänzlich verschieden voneinander waren: eine Wüste und eine Rose. Heute blüht die Rose von Saron, der Christus, in der Wüste der sterblichen Annahmen. Die Christliche Wissenschaft oder Christuswissenschaft übt einen heilenden und umwandelnden Einfluß aus in unserm Leben.
Gar manche von uns mögen sich gewiß noch an die Zeit erinnern, als unsre menschliche Existenz kaum mehr als eine Wüste von Furcht, Krankheit, ja hoffnungsloser Verzweiflung war. Vielleicht hungerten und dürsteten wir nach einer Erlösung vom Leiden, doch wo wir uns auch hinwandten, trafen wir nichts an als die gleichen dürren Einöden. Manchmal folgten wir einer scheinbar anziehenden Theorie über Religion oder Medizin, nur um dann zu entdecken — wie der durstige Mensch in der Wüste, der eine Fata Morgana sieht und ihr zu folgen sucht — daß sie trügerisch und nichts als leerer Schein war.
Dann wurde eines Tages eine geistige Erleuchtung geboren, eine kleine Blume der Hoffnung sproßte in unserm Herzen. Der Same hierfür war vielleicht von der Kunde gesät worden, daß ein Nachbar in der Wissenschaft geheilt worden war. In einem Fall wurde eine scheue Bitte um weitere Aufklärung geäußert, und die Antwort kam in Form eines abgenutzten Exemplars des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy.
Das Studium dieses Buches wurde mit großem Eifer aufgenommen, und von dem Augenblick an begann eine große Entfaltung. Die Hoffnung entwickelte sich bald zum Glauben; und mit einem festeren Glauben an das Gute kam auch ein erster Schimmer geistigen Verständnisses. Die Wirkung hiervon war Heilung. Die Rose von Saron begann in unsrer Wüste zu blühen; der Christus hatte angefangen, seine heiligen Ziele in unserm Herzen zu entfalten.
Bei unsern ersten Schritten in der geistigen Entwicklung erleben wir die neue Geburt, von welcher der geistige Sinn Zeugnis ablegt. In „Wissenschaft und Gesundheit“ schreibt Mrs. Eddy (S. 298): „Der geistige Sinn, der den materiellen Sinnen widerspricht, schließt Intuition, Hoffnung, Glaube, Verständnis, reife Fülle und Wirklichkeit in sich.“ Ist das nicht gerade wie eine Leiter, die von der Erde zum Himmel führt, ein beglückender Schimmer geistigen Verständnisses, der den Menschen mit Gott verbindet. In ihrem inspirierten Gedicht „Weihnachtsmorgen“ (Gedichte, S. 29) schreibt sie:
„Lebend'ger Liebe holder Strahl,
Weißt nichts von Tod !
Urew'ge Wahrheit, — hoch entrückt
Der Menschennot,
Dem Dogmengeist, dem ird'schen Sinn:
Oh, füll uns heut
Und immerdar mit Deinem Wesen —
Heiligkeit.“
Christus Jesus zeigte in seinem Gleichnis von dem Säemann, daß der in guten Boden gesäte Samen gute Früchte bringt. Er schränkte diese Erklärung in keiner Weise ein: — „Etliches fiel auf gutes Land und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig.“
Der schlafende Sünder, der noch von der Sinnenlust träumt, der Furchtsame, der von Phantomen verfolgt wird, der Selbstgefällige und Unachtsame, der die Annäherung des Diebes nicht bemerkt, — sie alle sind Typen derer, die Gott „erzürnten in der Wüste und entrüsteten in der Einöde“. Zu solchen muß der Christus kommen. Die Wahrheit muß in ihren Herzen knospen und blühen wie die Rose. In ihrem Gedicht „Christus und Weihnachten“ schreibt Mrs. Eddy:
„Die Rose von Saron muß knospen und blühen
Im menschlichen Herzen.“
Die Entfaltung der Früchte des Christus, die sich in der Heilung offenbaren, ist unaufhaltbar, wenn der Boden für die Saat bereit ist. Nur diejenigen, die von Vorurteil verblendet sind, die festhalten am Bösen, scheuen sich, ihre falschen Stützen aufzugeben, und sind nicht imstande, ihre selbsterrichteten Schafotte niederzureißen, — so verfehlen sie den Weg der stets gegenwärtigen Erlösung, den die Christliche Wissenschaft offenbart. In seinem zweiten Brief an die Korinther erklärt der Apostel Paulus: „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.“
Das hin und her schwingende Pendel der Hoffnungs- und der Furchtgefühle, die ständig zwischen Vertrauen und Zweifel, Handlung und Reaktion hin und wider schwanken, wird durch die Gewißheit gefestigt, die das Verständnis vom göttlichen Prinzip bringt. Wenn der Christus in der Kraft des göttlichen Gesetzes und der Schönheit der göttlichen Liebe in unserm Herzen zu blühen beginnt, so folgt die Heilung mit unwiderstehlicher Macht.
Der englische Dichter Gray schrieb in seiner bekannten Elegie: „Gar manche Blume sproßt, um ungesehen zu verblühn, und vergeudet ihren süßen Duft im Wüstenwind.“ Doch der Duft des Geistes wird niemals vergeudet. Er durchdringt die Atmosphäre des menschlichen Gemüts, läutert unsre Motive, erhebt unser Wünschen und Sehnen und leitet uns in unserm Leben. Wir können jedwedes Wüstenerlebnis durchmachen, ohne Schaden zu leiden, wenn die Rose von Saron in unserm Herzen blüht. Wenn wir fortschreiten von den Sinnen zur Seele hin, so lösen sich die Nebel auf, und wir werden uns einer Umwandlung in unsrer Umgebung bewußt. Was wir für eine Wüste hielten, ist zu einem fruchtbaren Feld geworden. Was wir als eine dürre Einöde betrachteten, ist jetzt ein Land voll Sonnenschein und Blumen. Es ist zwar dasselbe Land, doch es ist anders geworden. Der geistige Sinn offenbart das Land der Christlichen Wissenschaft, das Land der Verheißung, das Gelobte Land. Hier wird die Inspiration erneuert, Leben und Liebe werden wiederhergestellt, die Morgensterne singen miteinander und alle Kinder Gottes jauchzen vor Freude.
