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Das Sittengesetz in der Christlichen Wissenschaft

Aus der Mai 1949-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Jeder achtbare Beruf muß, um seinen Zweck befriedigend zu erfüllen, ein Sittengesetz haben. Baukunst, Buchhaltung, Arzneimittellehre, Ingenieurwesen, Rechtswissenschaft und andere nützliche Berufe haben ihren feststehenden Maßstab, der durch anerkannte Regeln rechten Verhaltens für die in diesen Berufen Tätigen maßgebend ist. Es ist natürlich auch anzunehmen, daß die Christliche Wissenschaft mit ihrem ausgesprochen geistigen Heilverfahren ein Sittengesetz hat, das klar erkannt und streng eingehalten werden sollte. Ohne diesen Schutz ist die Wirksamkeit ihrer auf geistigem Gesetz beruhenden heilenden Bestimmung beeinträchtigt.

Sittenlehre kann erklärt werden als die Wissenschaft sittlicher Pflicht und sittlichen Verhaltens. In der Gesetzgebung des Altertums haben wir ein klares Beispiel eines Sittengesetzes. Das mosaische Gesetz, das wir als die Zehn Gebote kennen, stellte nicht nur Grundsätze auf, die unserem heutigen Strafrecht zugrunde liegen, sondern enthielt auch die vom Standpunkt des Sittengesetzes aus grundlegenden Verhaltungsmaßregeln.

Auf dem weiten Gebiet des Benehmens eines christlich-wissenschaftlichen Ausübers können viele Seiten in Betracht gezogen werden. Es dürfte hilfreich sein, einige zu erwähnen. Im Gesetz der Kirche ist vorgesehen, daß ein Ausüber alles, was ein Hilfesucher ihm an persönlichen Angelegenheiten mitteilt, sowie alle ähnliche Auskunft, die auf Grund dieser Beziehung aus irgend einer Quelle zu ihm kommt, als heilige Vertrauenssache betrachten soll (Kirchenhandbuch von Mary Baker Eddy, Art. VIII, Abschn. 22). Ein Hilfesucher vertraut einem Ausüber manchmal seine heiligsten Erlebnisse und seine geheimsten Gedanken an, und sie sollten auf keinen Fall teilnahmloser Neugier ausgesetzt werden. Was im Vertrauen gesagt wird, sollte streng verschwiegen werden. Dieser heilsamen Vorschrift entsprechend vermeidet ein rücksichtsvoller Ausüber, den Namen seines Patienten andern gegenüber zu nennen; er wird auch nicht ohne Erlaubnis Tatsachen betreffs der Heilung eines Patienten als Zeugnis geben. Außer dem Gebot der Bescheidenheit besteht auch noch der weitere Grund, daß er durch die berufliche Beziehung des Ausübers zum Patienten um diese Dinge weiß. Dies wäre also unverkennbar eine Verletzung des Vertrauens, das der Hilfesucher dem Ausüber entgegengebracht hat, und es kann dadurch leicht jenes hohe Maß des Schutzes verwirkt werden, das der Hilfesucher mit Recht erwarten kann.

Es sei hier mit Bezug auf Heilungen auch noch erwähnt, daß ein Ausüber, wenn er es als hilfreich erachtet, sich über das in einem Fall in Frage kommende ärztliche Gesetz unterrichten kann; daß dieses Recht der Besprechung mit einem Arzt aber nur dem Ausüber zusteht (Handbuch, Art. VIII, Abschn. 23). Unsere Führerin rät sehr davon ab, daß ein Patient eine Krankheit ärztlich feststellen läßt, denn sie sagt uns, daß dies Krankheit eher herbeiführt oder verschlimmert und an und für sich nicht heilend wirkt. Wissenschaftliches Heilen befaßt sich nicht mit dem Körper, sondern mit dem Denken des Patienten und mit der allgemeinen menschlichen Annahme. Mrs. Eddy rät dem Ausüber, dem Patienten gegenüber nicht einmal den Namen der Krankheit zu nennen.

Wer in der Christlichen Wissenschaft Heilung sucht, gibt dadurch seine Absicht zu erkennen, sich von materiellen Mitteln abzuwenden. Da der ernste Ausüber damit beschäftigt ist, geistig Hilfe zu leisten, beschränkt er sich auf sein heiliges Amt und rät nie zu einer Operation, empfiehlt nie Zuflucht zu materiellen Maßnahmen. Seine Pflichten auf rein geistigem Gebiet sind vielseitig und schwierig genug. Um sich diesen hohen Standpunkt zu wahren, sucht er Gerechtigkeit immer besser verstehen zu lernen, wobei er sich stets auf das göttliche Gemüt verläßt, damit er ein lebendiger Zeuge für den Christus, die Wahrheit, sein und den Zaghaften, der Gott sucht, stärken und anspornen kann. Mit Recht können auf das Amt des Ausübers Jesajas Worte angewandt werden: „Auf [ihm] wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Und Wohlgeruch wird ihm sein die Furcht des Herrn. Er wird nicht richten, nach dem seine Augen sehen, noch Urteil sprechen, nach dem seine Ohren hören“ (Jes. 11, 2. 3).

In unserer Zeit, wo Ehen so leicht gelöst werden, gibt unsere Führerin mit erfrischender Klarheit das Losungswort der Christlichen Wissenschaft, wenn sie schreibt: „Rührt nicht an die ehelichen Beziehungen anderer Leute: innerhalb ihres Gebiets sollten sich nur zwei Personen befinden“ (Miscellaneous Writings, S. 290). In dieser wie in andern Angelegenheiten stellt sich der weise Ausüber auf die sittliche Seite, indem er die geistigen Wahrheiten des Seins vertritt und darbietet, so daß der Hilfesucher frei ist, in menschlichen Angelegenheiten nur von Gott regiert zu werden. Die göttliche Macht vernichtet die anmaßende Annahme Trennung und hält die Familien mit ihren Kindern auf der gesunden Grundlage geistiger Einheit zusammen. In der Einheit des göttlichen Gemüts, wo in Wirklichkeit alle vereint sind, gibt es kein Mißverständnis, keine Trennung, keine Spaltung und keinen Streit. Wird die göttliche Liebe bewiesen, so gibt sie der Familie und der menschlichen Gesellschaft Zusammenhalt. Sie zeigt, daß die ewige Einheit der Ideen des Gemüts nicht etwas menschlich Verbundenes, sondern geistig Freies ist; daß es ihr frei steht, die Eigenart der Seele, die Reinheit des Geistes, die Freude der göttlichen Liebe und die Unveränderlichkeit des Prinzips auszudrücken.

Mit Bezug auf das Vorstehende kann gesagt werden, daß man dem Übel Fortdauer gibt, wenn man es persönlich macht, das heißt, wenn man die Person anstatt des falschen Denkens als Übeltäter ansieht; wogegen das Anerkennen des vollkommenen, geistigen Menschen, des Bildes und Gleichnisses Gottes, an Stelle eines unvollkommenen Sterblichen, heilt. Dem Verfasser wurde folgendes erzählt: Eine aufgebrachte Ehefrau saß vor einem Ausüber und erging sich in Schimpfworten über ihren Gatten, der ihr offenbar ein Unrecht zugefügt hatte. Als der Wortschwall nachließ, schlug der Ausüber die Bibel auf und las aus dem Propheten Jesaja (54, 5): „Der dich gemacht hat, ist dein Mann — Herr Zebaoth heißt sein Name.“ Als die Hilfesucherin diese Worte gehört hatte, fragte der Ausüber ernst: „Sagen Sie jetzt auch noch, daß Ihr Mann dies alles tat?“ Die Hilfesucherin verließ das Sprechzimmer still und nachdenklich. Noch vor Ablauf von drei Wochen kam sie mit ihrem Mann Arm in Arm in einen christlich-wissenschaftlichen Vortrag.

Wer die Christliche Wissenschaft ausübt, ist sittlich verpflichtet, durch inbrünstiges Gebet ehrlich seine Pflicht zu erfüllen, sich aufrichtig zu benehmen, im Denken und Handeln Reinheit zu bewahren und sanftmütig zu sein. Dies erfordert jahrelange Arbeit, tägliche und unablässige sorgfältige Selbstprüfung und -vervollkommnung. Sein hohes Amt bedingt ein hohes Streben und ein großes Unterscheidungsvermögen im Aufdecken eigener Neigungen zum Bösen, damit er sie in andern klarer erkennen kann. Der Christliche Wissenschafter, der freundliches Mitgefühl für andere Menschen, taktvolles Verhalten, rücksichtsvolles Betragen, rechtliche Gesinnung und klares Denken als sittliche Forderungen erkennt und erfüllt, wird in den strengeren Forderungen, in Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Selbstlosigkeit, Reinheit und sittlicher Zügelung kaum versagen. Gesegnet ist, wer auf alle diese Eigenschaften einigermaßen Anspruch erheben darf.

Zu dem Gebot der Ehrlichkeit beim Ausüben gehört auch die verstandesmäßige Ehrlichkeit, Mrs. Eddys Lehre in ihrer ganzen Bedeutung und streng ihrem Sinne entsprechend darzubieten. Dies bedeutet, daß man nicht einen Teil, so ansprechend er sein mag, übermäßig hervorhebt, ihn aus dem Zusammenhang herausreißt, seine Bedeutung verunstaltet und das ausgeglichene Ganze entstellt. Die Christliche Wissenschaft ist das ungeteilte Gewand, und man muß sie sich demütig und ehrlich so aneignen, wie ihre Entdeckerin und Gründerin sie dargeboten hat. Der Wissenschafter verharrt in der Moral der Wahrheit, er lehrt sie ehrlich und wendet sie ehrlich an, um ihrer heilenden Kraft nicht verlustig zu gehen.

Das Sittengesetz der Christlichen Wissenschaft kann auch auf die Art und Weise bezogen werden, wie ihre Wahrheit dargelegt wird. Da die Wahrheit in der Bibel und metaphysisch einfach dargelegt ist, kann der Wissenschafter sie andern sehr wohl ebenfalls einfach darbieten, ohne seine Zuflucht zu verstandesmäßig gewürzten Leckerbissen zu nehmen oder sich in philosophischen Untersuchungen zu ergehen, die nichts von dem heilenden Christus in sich haben. Eine sogenannte vorgeschrittene Metaphysik, die das menschliche Gemüt fesselt, heilt an und für sich nicht. Es kann ihr die für das Ausüben so nötige Erleuchtung, das so nötige sittlich Wesentliche fehlen. Die Wissenschaft enthüllt, daß nur das Gute natürlich ist, und ihre Anhänger treten in dieser Einfachheit an sie heran und üben sie auch so einfach aus.

Im Hinblick auf die sittlichen Verpflichtungen der Leser in Kirchen verlangt Mrs. Eddy, daß sie sich nicht von der Welt beflecken, vom Übel berühren lassen, damit ihre Denkart Gesundheit und Heiligkeit und den geistigen Ansporn ausdrücke, der allgemein not tut (Handbuch, Art. III, Abschn. 1). Diese Forderung sollten alle Wissenschafter sorgfältig beachten. Wer wachsam ist, erkennt, daß die Anziehung des Bösen das unbewachte Denken durch die betörende Annahme körperlichen Genusses beraubt.

Jesus stellte in seinen Lehren den höchsten Maßstab der Sittlichkeit, der Rechtschaffenheit und der Reinheit auf, den die Menschen kennen. Die Christlichen Wissenschafter bekennen sich als seine Nachfolger. Unter ihnen befindet sich eine große Anzahl Ausüber, Leser, Lehrer, Kirchenbeamte und -mitglieder, die die Bewegung vor der Welt vertreten. Sie bekennen sich zu viel; es ist daher natürlich, daß die Welt viel von ihnen erwartet. Jesus verurteilte Heuchelei aufs nachhaltigste.

Der wahre Anhänger der Christlichen Wissenschaft erhält die Einigkeit in der Familie und die Heiligkeit der Ehe gewissenhaft aufrecht, er legt an seine persönliche Unbescholtenheit und sein Verhalten den höchsten Maßstab an; denn ohne sie wird der soziale Bau mürbe und zerfällt. Sein persönliches Verhalten ist einwandfrei; sein instinktiver Sinn der Reinheit, den die göttliche Wissenschaft ihm gibt, führt ihn auf Wege, die alle sehen dürfen, die keine persönliche Täuschung, kein verblüffender Wandel zu verhehlen braucht.

Wir sehen also, daß die von rechtem Verhalten und Erfolg untrennbaren sittlichen Grundsätze und Pflichten mit dem Ausüben der Wissenschaft des Gemüts-Heilens verwoben sind. Bei dem Trachten nach Vollkommenheit kann man erkennen, daß ein vorübergehender Mißerfolg nicht unbedingt eine Niederlage ist. Wichtig ist, wie man angemessenen Fortschritt machen kann. Dies beruht auf Gehorsam, und Gehorsam beruht auf Liebe. Wir leisten dem, was wir lieben, gern Folge und Gehorsam.

Auf Grund des uns aufgestellten hohen Maßstabes muß man wachsam vor jenen Gewalten des Bösen auf der Hut sein, die einen von der Höhe hinabstürzen würden. Man muß dem tierischen Magnetismus, der Anziehung zum Tierischen oder Sterblichen, im Denken mit dem entgegentreten, was zum Geistigen erhebt und hinzieht. Durch das Wissen, daß Ursache und Wirkung nicht in der Materie, sondern im göttlichen Gemüt, nicht im Bösen, sondern in Gott zu finden sind, wird sich das Denken nur der Wirklichkeit des Guten bewußt. Dies ist das unfehlbare Heilmittel gegen das Böse. Aber es bedingt ein tägliches diesbezügliches Wissen der Wahrheit, ein Verneinen des Irrtums, und ein Beten um größeres Wachstum in Demut und geistiger innerer Kraft.

Wenn der Wissenschafter diese sittlichen Vorschriften befolgt, machen sie ihn stark im Glauben, im Verständnis und im Ausüben der Christlichen Wissenschaft, die die Lehren und das Verfahren Jesu offenbart und der Gipfel aller Sittlichkeit, aller Sittenreinheit und alles Gesetzes ist.

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