Schon seit langer Zeit befassen sich Naturwissenschafter mit Theorien über das Atom und die Möglichkeit seiner Zertrümmerung, um dadurch unabsehbare Naturkräfte frei zu machen. Fast 50 Jahre, ehe Versuche, das Atom zu spalten, in der Atombombe Ausdruck fanden, gab Mary Baker Eddy der Welt das Thema für 26 Bibellektionen, die zum erstenmal im Juli 1898 im Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft erschienen. Auffallenderweise lautet das Thema einer dieser Lektionen: „Hat sich das Weltall, einschließlich des Menschen, durch atomische Kraft entwickelt?“
Hinweise auf das Bestehen des Atoms und seines Wirkungsvermögens gehen tatsächlich bis auf das Jahr 425 vor Christi zurück. Diese Beobachtungen gewannen an Triebkraft, bis die Versuche um das Jahr 1890 einen Umfang erreichten, von dem Uneingeweihte kaum etwas wußten, dann um das Jahr 1930 ihrer Vollendung entgegengingen, und im Jahr 1945 ihren Höhepunkt in den Bomben erreichten, die einen großen Krieg zum Aufhören brachten. Nichts Geringeres als das Geheiß des Gemüts kann unsere Führerin veranlaßt haben, das Gegenmittel gegen die der Atomspaltung innewohnenden Gefahren in Gestalt einer Lektionspredigt zu geben, in der zweimal jedes Jahr die Macht jenes ewigen Einsseins, die in der Einheit des Gemüts mit der Idee des Gemüts besteht, gezeigt ist. Beachtenswert ist der Vergleich, daß die Nachahmung der göttlichen Macht auf der Annahme der Spaltung oder Teilung beruht, während Mrs. Eddy in einer ihrer Bibellektionen in „Miscellaneous Writings“ (S. 190) schreibt: „Atomische Tätigkeit ist Gemüt, nicht Materie. Sie ist weder die Kraft der Materie, die Folge von Organisation, noch das Ergebnis eines der Materie eingeflößten Lebens: sie ist der unendliche Geist, die Wahrheit, das Leben, die dem Irrtum oder der Materie Trotz bieten.“ Diese Begriffsbestimmung beruht auf der ewig unteilbaren Einheit, die zwischen Gott und Seiner Idee besteht. Die materielle Nachahmung steht zu der geistigen Tatsache immer genau im Gegensatz.
Wenn die Spaltung des Atoms Kräfte zu unglaublicher Zerstörung befreien kann, sollten Christliche Wissenschafter immer mehr zur Erkenntnis der Macht geistiger Einheit erwachen. Gott ist das große unteilbare Ganze, und Seine Ideen sind untrennbar mit Ihm verbunden. Christus Jesus kannte und bewies diese Einheit mehr als irgend jemand auf Erden. Er bewies, daß atomische Tätigkeit „der unendliche Geist, die Wahrheit, das Leben ist, die dem Irrtum oder der Materie Trotz bieten“, als er „den Wind und das Meer bedrohte; da ward es ganz stille“ (Matth. 8, 26). Keine Voraussage der Anwendungsmöglichkeiten atomischer Kraft zur Beförderung in Friedenszeiten kann dem Beweis Jesu über Entfernung, wie Johannes ihn beschrieben hat, gleichkommen. Er lautet: „Und alsbald war das Schiff am Lande, da sie hin fuhren“ (Joh. 6, 21).
Man mag von der unmittelbaren Gegenwart und der Allmacht Gottes überzeugt sein; aber die große und einzige Frage ist: Wie kann diese Macht zugänglich und angewandt werden? Man findet tatsächliche geistige Macht in dem Verständnis, daß Gott das Prinzip, der Geist, ist, den man sich nicht anders als das unbegrenzbare, unumschränkbare Gemüt denken kann, das keine Grenzen kennt und keiner Freisetzung und keines Freiwerdens bedarf. Warum sollten wir dann ein Verfahren erwägen, wodurch dieses völlig uneingeschränkte Gemüt befreit werden kann, um zu vollbringen, was Gott in Seiner eigenen Ungehemmtheit doch ewig tut? Manche Leute wenden ein, warum, wenn Gott wirklich allmächtig und immer gegenwärtig ist, Seine Macht nicht ewig in einer Weise wirke, daß man sie nicht anzurufen braucht; sie fragen, warum es überhaupt eine Sünden- oder Krankheitsannahme gebe, die behandelt werden muß, damit man geheilt werde.
In der unbedingten Wahrheit, im rein geistigen Sein gibt es kein Übel, das behandelt zu werden braucht. Aber solange sich uns ein falscher Sinn von Leben darzubieten scheint, brauchen wir ein Verfahren, wodurch uns die Macht, die diesen falschen Sinn zerstört, zugänglich wird. In derselben Bibellektion in „Miscellaneous Writings“, in der Mrs. Eddy atomische Tätigkeit als „Gemüt, nicht Materie“ erklärt, befindet sich auch folgende Aufklärung (S. 189): „Die Annahme, daß die Seele oder das Gemüt der Materie eingehaucht werde, ist eine pantheistische Lehre und stellt eine falsche Daseinsauffassung dar, die der belebende Geist beseitigt und an dessen Stelle die Macht und Vollkommenheit einer befreiten Auffassung vom Leben in Gott und von dem Leben, das Gott ist, offenbart.“
Die Erklärung ist einfach dargelegt; um sie aber zu beweisen, muß man irrige materielle Begriffe beständig durch die entgegengesetzten Christus-Eigenschaften ersetzen. Durch Demut wird „der belebende Geist“ frei, während Hochmut ihn ausschließt. Alle geben zu, daß dies so ist; aber wir müssen es bei der nächsten Gelegenheit, wo jemand etwas sagt, was unser sogenanntes Selbstgefühl verletzt, beweisen. Wenn die Versuchung an uns herantritt, hochmütig zu sein, und wir überwinden sie durch Demut, ist geistige Kraft frei geworden, so daß sie menschlich wahrgenommen werden kann. Wenn Aufgeregtheit — eine höfliche Bezeichnung für Zorn — sich aufdrängt, steht gerade in dem Augenblick die atomische Tätigkeit der Liebe an der Tür des Bewußtseins, bereit, befreit zu werden, um uns und andere zu heilen.
Keinem Menschen fehlt irgend eine gute oder gottähnliche Eigenschaft. Freundlichkeit, Geduld, Demut, Ehrlichkeit, Weisheit, Mut — sie alle gehören uns durch Widerspiegelung; aber sie müssen entwickelt und befreit werden, damit wir sie in unserem täglichen Leben beweisen können. Lichtbildaufnahmen bieten eine lehrreiche Veranschaulichung. Sobald eine Aufnahme gemacht ist, besteht das vollständige Bild schon auf dem Film, aber es hat für niemand Wert, solange es noch nicht entwickelt ist. Beim Entwickeln werden gewisse Chemikalien gebraucht; daraufhin tritt das Bild zuerst schwach und dann immer klarer in Erscheinung. Wer eine Aufnahme macht, weiß, daß das Bild sichtbar wird, wenn alle nötigen Schritte richtig getan worden sind.
Wer sich mit der Christus-Wissenschaft befaßt, ist zu der Erkenntnis erwacht, daß sein wirkliches Selbst ewig das Ebenbild des Geistes ist, sonst hätte er nicht den Mut, die Entwicklung völlig christusgleicher Eigenschaften in sich zu unternehmen. Der Heiler ist bei der Arbeit für einen Hilfesucher eingedenk, daß er daran arbeitet, die Unversehrtheit — die Heiligkeit — des Hilfesuchers ans Licht zu bringen, zu entwickeln, zu befreien. Wenn wahre Heiligkeit vergegenwärtigt wird, bekundet sich die verbesserte Annahme des Hilfesuchers in verbesserter körperlicher Gesundheit. Jesus betete zum Vater, daß Er Arbeiter aussende in Seine Ernte. Nicht nur solche, die zuweilen arbeiten, sondern wirkliche Arbeiter. Es ist unsere Aufgabe und unser Vorrecht, solche Arbeiter zu sein. Das große Übel, der Krieg, hat es mit sich gebracht, oder hat vielmehr nicht verhindern können, daß Jesu Gebot befolgt wird: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur“ (Mark. 16, 15). Es dürfte nicht mehr viel Orte in der Welt geben, wo nicht schon ein Wissenschafter seine Lektionspredigt gelesen und oft einem Kameraden geholfen oder vielleicht zum erstenmal jemand, der Hilfe suchte, eine Behandlung gegeben hat.
Es ist beachtenswert, daß gewisse Wörter bestimmte Vorstellungen hervorrufen, obgleich sie die Bezeichnung für etwas sind, was noch nie irgendein Dasein hatte, wie zum Beispiel „Hexe“, „Drache“, „Gespenst“. Früher waren und selbst heute noch sind viele Leute überzeugt, daß diese Einbildungen tatsächlich bestehen und einen schlimmen und versklavenden Einfluß auf Menschen ausüben können. Man denke z. B. an Gespenster. Nicht durch das Vorhandensein von Gespenstern, sondern dadurch, daß die leute glaubten, daß sie wirklich vorhanden seien, ist schon manches Leben beeinflußt worden, ja, ist sogar schon der Tod herbeigeführt worden.
Dies bringt einen sehr wichtigen Punkt beim christlich-wissenschaftlichen Heilen zur Sprache. Sobald der Wissenschafter glaubt, der Hilfesucher habe eine Krankheit in einem materiellen Körper, befindet er sich auf derselben Ebene der Unwissenheit wie der Hilfesucher. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ hat unsere Führerin klar ausgeführt, daß Krankheit ein nur durch das unwissende sterbliche Denken ermöglichter Gespensterglaube ist. Die Ärzte sprechen heutzutage viel davon, einen Krankheitskeim zuerst abzusondern und ihm dann entgegenzuwirken. Dies ist der Vorgang, der Mrs. Eddy geoffenbart wurde. Sie zeigt, daß Krankheit ebenso wie Sünde ihren Sitz im sterblichen Gemüt hat; hier wird der Kampf zwischen endlichem falschem Glauben und unendlichem geistigem Wissen ausgefochten und gewonnen.
Auf Seite 425 und 426 spricht sie zuerst besonders von einer Annahme, schließt aber mit einer sehr wichtigen allgemeinen Erklärung über die Heilung von Krankheit. Es ist beachtenswert, daß die vermeintlich furchterregenden Anzeichen hier als Vorstellungen bezeichnet sind. Die Stelle lautet: „Lege alle Vorstellungen ab, Lungen, Tuberkeln, ererbte Schwindsucht oder Krankheit betreffend, die aus irgendeinem Umstand entstehen, und du wirst einsehen, daß das sterbliche Gemüt, wenn es von Wahrheit belehrt wird, sich der göttlichen Macht ergibt, welche den Körper zur Gesundheit führt.“
Ein für den Ausüber höchst wichtiger Vorgang ist in der Stelle beschrieben, die beginnt: „du wirst einsehen“. Hier ist gezeigt, daß das sterbliche Gemüt, wenn es „von Wahrheit belehrt wird, sich der göttlichen Macht ergibt.“ Behandlung, ob sie durch das gesprochene Wort oder im stillen gegeben wird, ist ein Verfahren, das sterbliche Gemüt zu belehren, sich dem göttlichen Gemüt zu ergeben, und führt zu „einer befreiten Auffassung vom Leben in Gott und von dem Leben, das Gott ist“. Das sterbliche Gemüt muß sich trotz seines geltend gemachten Widerstands, wenn es genügend durch die Wahrheit belehrt ist, der göttlichen Macht ergeben. Dies führt mühelos zu dem natürlichen Ergebnis körperlicher Gesundheit. Man könnte es bildlich veranschaulichen durch ein flaches Transportboot ohne eigene Antriebskraft, das in Gefahr kommt, weil das Schiff, in dessen Schlepptau es sich befindet, einen unerfahrenen Kapitän hat. Wird er durch einen tüchtigen Kapitän ersetzt, so kann das Transportboot geschickt in ruhiges Fahrwasser geleitet werden.
Die Spaltung des Atoms und das Freiwerden großer zerstörender Gewalt bieten eine Veranschaulichung des tierischen Magnetismus, der Völker und Klassen auseinanderzuhalten sucht. Unter diesem Einfluß trennen sich Menschen und streiten miteinander wie im Krieg. Wenn zwei Gruppen Leute einander so nötig brauchen wie Arbeitgeber und Angestellte, kann nichts anderes als tierischer Magnetismus oder ein falscher Sinn von Spaltung oder Anziehung sie in zwei feindliche Lager scheiden und sie veranlassen, sich in einer Weise zu bekämpfen, die beiden schadet. Menschlich gesprochen kann keine der beiden Gruppen auch nur einen Tag ohne die andere bestehen. Es ist nur nötig, sechzehn Worte anzuwenden, um diese Gruppen in harmonischer Zusammenarbeit zusammenzubringen — die sechzehn einfachen, leicht verständlichen Worte (Matth. 7, 12): „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“