Geist ist Gott, und Gott ist das Gemüt, die Wahrheit. Die Wahrheit muß sich unumgänglich verständnisvoll ausdrücken. Da die Wahrheit sich selber versteht, erklärt sie sich selber, und bedarf dazu keines menschlichen Hilfsmittels. Daß die Wahrheit sich selber ausdrückt, schließt in sich, daß sie sich selber erklärt, und darin besteht die Sprache des Geistes. Die Sprache des Geistes besteht nicht aus menschlichen Wörtern; sie ist das Wort Gottes, das nach dem Evangelium des Johannes am Anfang, das heißt in dem ewigen Prinzip des Weltalls, war.
Wir machen uns diese Sprache zu eigen, wenn wir unser Denken in Einklang bringen mit der wissenschaftlichen Auslegung des Weltalls, die Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ dargeboten hat, wo sie schreibt (S. 272): „Das göttliche Prinzip des Universums muß das Universum deuten.“ Auf Seite 117 dieses christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs werden wir daran erinnert, daß „von Gottes eigentlicher Sprache in dem letzten Kapitel des Markusevangeliums als von der neuen Zunge gesprochen wird, deren geistiger Sinn durch ‚mitfolgende Zeichen‘ erlangt wird.“ Nachdem die Jünger Christi Jesu Zeugen seiner Himmelfahrt gewesen waren und sie wenigstens einigermaßen verstanden hatten, erkannten sie, daß sie die mächtigen Werke, die der Meister vollbracht hatte, ebenfalls tun konnten und sollten, weil die Christus-Macht auf keine Person beschränkt, sondern ewig, immer gegenwärtig, immer zugänglich, unveränderlich, gesetzmäßig ist. Es wurde ihnen gleichzeitig geboten, die Werke zu tun und „mit neuen Zungen zu reden“. Durch das Verständnis der wissenschaftlichen Auslegung des Weltalls wird die allumfassende Christus-Macht zugänglich, zu erlösen, zu heilen und zu retten, und darin findet man das, was die neue Zunge bedeutet. Wenn die neue Zunge nicht von „mitfolgenden Zeichen“ begleitet ist, ist sie nicht die Sprache des Geistes.
Die Christliche Wissenschaft ist für die gegenwärtige Zeit die neue Zunge der Wahrheit, die Sprache des Geistes. Weil die Wissenschaft des Christentums alles vom Standpunkt Gottes, des göttlichen Prinzips, aus bewertet, zeigt sie den neuen oder wirklichen Wert des Weltalls — und zwar wirklich in dem Sinn, daß Gott, das göttliche Prinzip, die Quelle aller Wahrheit und dadurch der Wirklichkeit ist. Es dürfte für den Leser aufklärend und von großem Nutzen sein, darüber nachzudenken, was Mrs. Eddy auf Seite 25, Zeile 10-20 in „Rückblick und Einblick“, einer Beschreibung ihres Lebens, sagt. Hier findet er die im Gegensatz zum Materiellen und Zeitlichen stehende geistige und ewige Neubewertung weiter ausgeführt.
Nach der Annahme des materiellen Sinnes ist Substanz materiell; in der Sprache des Geistes dagegen ist die Materie als Unwirklichkeit bloßgestellt, und die geistige Wahrheit wird als Substanz anerkannt. Man erkennt die anwendbare Bedeutung dieser neuen Bewertung, wenn man anfängt, sich mit dem Geistigen oder Wirklichen wesenseins zu erklären, und das Materielle oder Unwirkliche zurückzuweisen. Man fühlt oder nimmt also die Dinge des Geistes oder die bleibenden, unerschöpflichen, vollkommenen Eigenschaften des Weltalls durch den geistigen Sinn wahr.
Um der Sprache des Geistes so nahe zu kommen, wie die menschliche Sprache es vermag, gibt die Christliche Wissenschaft in der erwähnten Stelle in „Rückblick und Einblick“ eine neue Festlegung menschlicher Ausdrücke. Durch Anwendung fettgedruckter Anfangsbuchstaben bei Wörtern, die als sinnverwandte Ausdrücke für Gott gebraucht sind, wie Geist, Wahrheit, Leben, Liebe, bekommt der Wissenschafter einen viel höheren und weiteren Begriff vom göttlichen Prinzip. Daß der Teufel als sterbliches Gemüt bezeichnet ist, deckt die unpersönliche und sagenhafte Art des Bösen auf, besonders wenn in Wissenschaft und Gesundheit noch erklärt ist (siehe S. 114, 14–26 und S. 210, 22–28, bis 1. Punkt), daß der Ausdruck „sterbliches Gemüt“ eine Widersinnigkeit, eine falsche Anwendung des Wortes „Gemüt“ ist, weil das Gemüt, Gott, unsterblich ist. Die Christlichen Wissenschafter nehmen die durch Mrs. Eddys geistiges Verständnis enthüllte wissenschaftliche Ausdrucksweise uneingeschränkt an. Sie ermutigt uns, selbständig zu denken, und dies bedeutet eine neue und frische Ausdrucksweise, vorausgesetzt natürlich, daß sie mit den festgesetzten Ausdrücken übereinstimmt.
Da geistige Ideen ihre Quelle und Substanz im Geist haben, müssen sie denen, die glauben, daß sie in einer materiellen Welt leben, unumgänglich mittels der menschlichen Sprache erklärt werden. Im Licht der vom göttlichen Prinzip aus erklärten Schöpfung gibt es jedoch nicht zwei Welten, eine geistige und eine materielle Welt. Da das göttliche Prinzip unendlich und ewig ist, ist sein Weltall unendlich und ewig. Dadurch bleibt für das Bestehen eines andern Weltalls kein Raum und keine Zeit übrig, da das Unendliche allen Raum erfüllt und das Ewige die ununterbrochene zeitliche Fortdauer bildet. Der Anschein eines materiellen, endlichen, zeitlichen Weltalls läßt sich nur so erklären, daß man es als eine falsche Vorstellung vom geistigen und wirklichen Weltall betrachtet.
Gibt man die Tatsache zu, daß es nur ein Weltall gibt, so muß man unvermeidlich jede auf der Voraussetzung von zwei Welten beruhende Auslegung ändern. Tatsächlich kann das Geistige nicht dem Materiellen, das Göttliche nicht dem Menschlichen erklärt werden. Das Materielle oder Menschliche ist keine selbständig bestehende Wesenheit, sondern nur eine falsche Auffassung. Selbst während man anscheinend menschlich damit beschäftigt ist, dem menschlichen Sinn das Geistige zu erklären, muß man unaufhörlich wissen, daß das göttliche Prinzip des Weltalls das Weltall erklärt. Man muß wissen, daß dieses Erklärungsvermögen zu der Christus-Macht gehört, die der Nazarener lehrte und bewies, und die in der Christlichen Wissenschaft wissenschaftlich dargelegt ist.
Man darf nicht denken, diese Aufklärung ergebe sich dadurch, daß ein beschränkter, unvollkommener Sinn belehrt werde, sondern der materielle oder beschränkte Sinn weicht und nimmt im Licht der geistigen Wirklichkeit ab. Das Geistige kommt unmittelbar mehr in unser Verständnis, obgleich nach menschlicher Wahrnehmung ein menschliches Gemüt mittels der menschlichen Sprache aufgeklärt wird. Bezeichnend dafür, ob eine menschliche Sprache das geeignetste Mittel für die Übermittlung der Sprache des Geistes ist, ist nicht der Umstand, daß sie den geistigen Sinn zu übermitteln vermag, obgleich es nach dem menschlichen Sinnenzeugnis so scheint, sondern daß sie auf das Erscheinen der Klarheit und der sich selbst erklärenden Art des Geistes nicht zu hemmend einwirkt.
Dies trifft offenbar auf die englische Sprache zu, sonst hätte die Christliche Wissenschaft nicht zuerst in dieser Sprache menschlich geäußert werden können. Früher bestand die Ansicht, die deutsche Sprache sei für menschliche Philosophie am hinlänglichsten. Für die göttliche Philosophie, die Christliche Wissenschaft, ist die englische die passendste Sprache. Dies sollte jeder Christliche Wissenschafter, was auch sein Vaterland oder seine Sprache sei, erkennen. Eine solche Erkenntnis schließt in sich, daß man entweder seine Kenntnis der englischen Sprache vervollkommnen oder sobald wie möglich anfangen muß, diese Sprache zu lernen. Ein besseres Beherrschen des Englischen ist ein wichtiges Hilfsmittel zum Verständnis der Christlichen Wissenschaft.
Am besten vertraut mit der englischen Sprache wird man durch das Nachdenken und das vielleicht laute Lesen der King James Übersetzung der Bibel. Diese edle, klare und hervorragende Ausdrucksweise der Bibel ist von keiner andern englischen Übersetzung der Heiligen Schrift je übertroffen worden. Mrs. Eddys Schriften tragen verbunden mit ihrem metaphysischen Wert zu einem besseren grundlegenden Erfassen der englischen Sprache bei. Ihre Werke sind reich an urwüchsiger Ausdrucksweise, dichterischem Erschauen und fesselnder Zergliederung; ihr Wortschatz ist so umfangreich, daß er von wenigen der großen Schriftsteller aller Zeiten übertroffen wird.
Beim Forschen in der Christlichen Wissenschaft durch das Lesen der Bibel und der Bücher von Mrs. Eddy sollte man eingedenk sein, daß Worte, sofern sie die Welt des Geistes betreffen, keine göttlichen Ideen sind, sondern auf göttliche Ideen hinweisen, sonst könnte man sich nur mit dem Buchstaben, der tötet, befassen und anfangen, die Zeichen und Sinnbilder zu verehren und als heilig anzusehen. Anderseits handelt es sich bei Wörtern, die auf das sterbliche Gemüt in seinen vielen unwahren Seiten Bezug haben, nicht um Wesenheiten, die in Wirklichkeit bestehen; jene Wörter beziehen sich im Licht der geistigen Wissenschaft auf gar nichts. Es ist gut, wenn man sehen kann, daß bei einer endgültigen Zergliederung nichts weiter verbleibt als der Ausdruck sterbliches Gemüt, und daß dieser Ausdruck eine Widersinnigkeit ist.
Für den Christlichen Wissenschafter stellen seine Bücher einen höheren Wert und Gehalt dar, wenn er inne wird, daß er geistig nur das erleben kann, was er erkennt, daß er selber als Gottes geistige Idee oder Sein Bild und Gleichnis ist. Beim Ergründen der Christlichen Wissenschaft sollte man sich beständig ins Gedächtnis rufen, was man geistig schon ist, anstatt zu glauben, man sei eine körperliche, materielle Person, der die Bücher geistige Ideen vermitteln, daß man aber nicht zulassen wolle oder könne, daß der persönliche, materielle Sinn dem wahren geistigen Selbst weicht. Dadurch erscheinen einem diese herrlichen Bücher stets neu, frisch und geistig bereichernd.
Als nach der sinnbildlichen Darstellung im 1. Buch Mose „alle Welt einerlei Zunge und Sprache hatte“, wurde der Herr — Gott von der Grundlage des materiellen Sinnes aus erklärt — besorgt, weil die Menschen versuchten, sich gottähnliche Eigenschaften anzumaßen, und es entstand die babylonische Verwirrung der Sprachen. Das biblische Gegenstück zu diesem menschlichen Versuch der Vergöttlichung finden wir in der Apostelgeschichte, als Christi Jesu Jünger an Pfingsten — als sie ihres Meisters Lehre und Erklärung des Weltalls vom Standpunkt des göttlichen Prinzips aus verstanden — „alle einmütig beieinander waren, ... und sie alle voll des heiligen Geistes wurden und anfingen, zu predigen mit andern Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen.“ Damals hörte jeder des andern Rede in seiner eigenen Sprache. Es war die Sprache des Geistes, die gesprochen wurde, und die Annahme von vielen Sprachen war genügend in den Hintergrund getreten, daß die Sprache des Geistes verstanden werden konnte.
Man kann das hier Gesagte in Worte von Mrs. Eddy zusammenfassen. Sie hatte die große Fähigkeit, die Sprache des Geistes klar und leuchtend in faßliche Worte zu übertragen. Sie schreibt in ihrem Buch „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 238): „Da Gott der Geist ist, sind Seine Sprache und deren Bedeutung rein geistig. Eine nicht inspirierte Kenntnis der Übersetzungen der Heiligen Schrift hat wenig Macht vermittelt, das Wort anzuwenden. Daher wurde die Offenbarung, Entdeckung und Darbietung der Christlichen Wissenschaft — der Christus-Wissenschaft oder der von Markus vorausgesagten ‚neuen Zunge‘ — in der göttlichen Ordnung erforderlich. Auf den schnellen Schwingen geistigen Denkens erhebt sich der Mensch über den Buchstaben, das Gesetz oder die sittliche Forderung des inspirierten Worts zu dem Geist der Wahrheit, wodurch er zu der Wissenschaft gelangt, durch die Gott bewiesen wird.“
Nun erfahre ich mit der Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansieht; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
Apg. 10, 34. 35.
