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Der treue Abraham

Aus der März 1950-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Mache Charakterzüge Abrahams sind so hervorragend, daß man nur staunen muß, wie klar sein Denken und Verlangen war, wenn man die Zeit bedenkt, in der er lebte. Er war offenbar ein reicher Häuptling im Morgenland, der große Besitztümer hatte. Er muß alles gehabt haben, was die Welt zu bieten hatte, und doch war der innige, unwiderstehliche, ja man könnte sagen, der überwältigende Beweggrund seines Lebens, die rechte Idee von Gott zu erlangen. Er war nicht krank wie Hiob; er war kein heimatloser Wanderer wie Jakob, noch in Gefangenschaft wie Joseph, und doch sehnte er sich mehr als sie, Gott zu finden und Ihn recht anzubeten. Kein Wunder, daß ihm die gewaltige Tatsache der Verehrung nur eines Gottes, die Wahrheit offenbar wurde, daß es nur einen Gott gibt.

Auf Gottes Gebot, das ihm zuteil wurde, weil er sich aus tiefster Seele nach der Wahrheit sehnte, verließ er sein Vaterland und seine Angehörigen. Im Brief an die Hebräer heißt es (11, 8. 10): „Er ging aus und wußte nicht, wo er hinkäme“; aber „er wartete auf eine Stadt, die einen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“ Mary Baker Eddy hat dieses erhabene Vertrauen und diesen treuen Gehorsam kurz zusammengefaßt in ihrer Begriffsbestimmung für Abraham in der Worterklärung in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“; sie lautet (S. 579): „Treue; Glaube an das göttliche Leben und an das ewige Prinzip des Seins. Dieser Patriarch veranschaulichte den Vorsatz der Liebe, Vertrauen auf das Gute zu schaffen, und zeigte die lebenerhaltende Kraft geistigen Verständnisses.“

Abraham hielt nichts für so wunderbar, daß Gott es nicht tun konnte. „Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?“ (1. Mose 18, 14). Wenn wir die Geschichte dieses Erzvaters lesen und sie ins Metaphysische übertragen, müssen wir, wenn es heißt, Gott sagte dies oder gebot jenes, eingedenk sein, daß sich diese Gedanken und Ideen über Gott in Abrahams eigenem Bewußtsein entfalteten. Es wird uns gesagt, daß er mit Gott redete. Dadurch konnte er dem damals herrschenden Brauch, Menschen zu opfern, ein Ende machen, — ein Brauch, dem der Same oder die Nachkommen Abrahams nie nachkamen. Auf Grund seiner über alles erhabenen Hingabe an Gott war er willens, seinen einzigen Sohn zu opfern; er ging sogar so weit, daß er alles dafür plante. Aber im letzten Augenblick sprach der Engel des Herrn, die rechte Idee der Anbetung, zu seinem Bewußtsein und klärte ihn auf. Sein einsichtsvolles Denken und sein Begriff, daß Gott die Liebe ist, ließen ihn erkennen, daß ein solches Handeln nicht der Wille Gottes, des vollkommenen Gottes, den er kannte, sein konnte.

Wieso wissen wir, daß Abraham den Begriff hatte, daß Gott die Liebe ist? Weil er selber liebevoll war und Gottes Barmherzigkeit anrief. Man denke daran, daß er zu seinem Neffen Lot dem Wesen nach sagte: Ich lasse dir die Wahl. Nimm dir das Land, das du haben willst, dann gehe ich in der entgegengesetzten Richtung. „Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Gebrüder“ (1. Mose 13, 8). Abraham sah nicht nur, daß die Menschen Brüder sind, sondern er handelte entsprechend. Wenn die Völker heute so als Brüder gegeneinander handelten, gäbe es keine Kriege. Welch liebevolles Erbarmen er ferner — und zwar ganz mit Recht — für Hagar und Ismael empfand. Es gefiel ihm „sehr übel“, der Bitte Saras nachzukommen und sie auszutreiben.

Was Abrahams fortschreitenden Begriff von Gott jedoch am klarsten erkennen läßt, ist die ergreifende Geschichte seiner Fürbitte bei dem Allmächtigen, die Einwohner von Sodom und Gomorra zu retten. Wie aufklärend und ergreifend diese Geschichte in dem Licht wird, das die Christliche Wissenschaft auf die Bibel wirft! Abraham wußte, daß die Einwohner der beiden Städte sehr gottlos waren; aber in seiner liebevollen Art konnte er den Gedanken nicht ertragen, daß sie vernichtet werden sollten. Unter denen, die zugrunde gehen sollten, mußten sich einige Gerechte, einige Unschuldige befinden. Sie taten ihm leid. Daher „trat“ er, wie es im 1. Buch Mose heißt, zu Gott. Durch das Verlangen, das Gebet ist, erlangte er eine innigere, klarere Ansicht von der Liebe, die Gott ist.

Er begann: „Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es möchten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären? Das sei ferne von dir, daß du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, daß der Gerechte sei gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir, der du aller Welt Richter bist! Du wirst so nicht richten.“ Und es wird uns berichtet: „Der Herr sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihrer willen dem ganzen Ort vergeben“ (1. Mose 18, 23–26).

Als Abraham sprach oder vielmehr in seinem eigenen Bewußtsein über die Gnade und Gerechtigkeit Gottes durch Vernunftgründe zu Klarheit zu kommen suchte, machte ihm die Wahrheit klar, daß selbst ein Bruchteil Gutes, nur ein wenig Gerechtigkeit, das Übergewicht über einen Berg der Gottlosigkeit hatte, so daß er schließlich ausrief (Vers 32): „Ach zürne nicht, Herr, daß ich nur noch einmal rede. Man möchte vielleicht zehn darin finden.“ Und der Herr, der zu seinem Bewußtsein, als sein Bewußtsein, sprach, antwortete: „Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.“

Offenbar waren keine zehn Gerechte zu finden, denn Sodom wurde zerstört. Diese Begebenheit hat viel Bezug auf die heutigen Zustände. Die Menschen sind heutzutage sehr in Sorge um die Sicherheit der Welt und der Völker. Und dies ist ganz natürlich; denn die Unsicherheit des sterblichen Gemüts und menschlicher Einrichtungen war noch nie so bloßgestellt, so schreckenerregend offenbar. Doch haben auch noch nie zuvor so Viele etwas von der Wahrheit des Seins, von der Unwirklichkeit des Bösen und der Allheit Gottes, des Guten, verstanden. Es sind zwar nur Wenige im Vergleich mit den Millionen, die nichts von der Wahrheit wissen und sich nicht um sie kümmern; aber da die Wahrheit die einzig wirkliche Substanz, Macht und Intelligenz ist, muß sie den Traum des sterblichen Daseins unvermeidlich zerstören und allerhaben herrschen.

Ist unser Gott heute weniger gerecht, weniger barmherzig, weniger mächtig als der Gott Abrahams? Wenn wir uns der Liebe, die Gott ist, nähern, werden auch wir erkennen, daß das Verständnis und das rechte Denken oder die Gerechtigkeit der zehn, die an der Wahrheit festhalten, das Übergewicht über die Verworrenheit und das Zerstörende des Irrtums hat. Laßt uns also die Unwirklichkeit des Bösen und die Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit Gottes beständiger, tätiger, beharrlicher behaupten und beweisen!

Kommen wir nun wieder auf Abraham zurück, so finden wir, daß ihm Melchisedek erschien: Melchisedek, der Priester Gottes, des Höchsten, „verglichen dem Sohn Gottes“, ein König des Friedens. Dies zeigt, daß Abraham den Christus einigermaßen erschaute; er war vielleicht der erste, der eine solche Erkenntnis hatte. Man darf, da Melchisedek keine menschlichen Eltern hatte, nicht menschlicher Herkunft war, wohl fragen, ob Abraham nicht einigermaßen die Unkörperlichkeit des Christliche wahrnahm, die die Christliche Wissenschaft so klar zeigt?

Wir dürfen das Andenken an diesen Erzvater wohl in Ehren halten; denn Abraham war viel daran gelegen, den wahren Gott zu suchen und zu finden; er kannte in jener unaufgeklärten Zeit die Goldene Regel und setzte sie in die Tat um; Abraham, der Freund Gottes, pflegte mit dem Unendlichen Gemeinschaft, er hörte und verzeichnete zu jener frühen Zeit das Gebot, das der Meister Jahrhunderte später aussprach: „Sei vollkommen“ [engl. Bibel]. Treuer Abraham!

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