Seit frühester Kindheit bin ich in der Christlichen Wissenschaft aufgewachsen. Seit jenen Jahren habe ich viele wunderbare Heilungen miterlebt und selbst erlebt. Doch ein Problem schien nicht gleich eine Lösung zu finden. Es war, was die Ärzte wahrscheinlich chronische Übermüdung nennen würden. Viele Jahre lang hatte ich niemals das Gefühl, wirklich ausgeruht zu sein. An manchen Morgen schien ich ziemlich erfrischt aufzuwachen, doch selbst dann erwartete ich gewöhnlich nicht, daß dieses Gefühl anhalten würde, und am Nachmittag war ich stets so ermüdet, daß ich bei der geringsten Kritik oder sonstigen Schwierigkeit in Tränen ausbrach.
Für andere Beschwerden bat ich manchmal einen Ausüber um Hilfe, doch hatte ich Übermüdung als einen Teil meiner selbst angenommen. Da erzählte eines Abends ein Vortragender der Christlichen Wissenschaft — um zu veranschaulichen, wie oft wir uns unnötigerweise von der Materialität binden lassen — wie er kurz vorher einen Zoologischen Garten besucht hätte, in dem die Tiere aus engen Käfigen in weitere Gehege überführt worden waren. Ein weißer Bär fesselte dort seine Aufmerksamkeit, da er immerfort in einem Raum von etwa 12 Fuß (3.50 m.) auf und ab lief, ohne sich scheinbar klarzumachen, daß er nun in einem viel weiteren Gehege war als früher. Als der Besucher ebenfalls bemerkte, daß das Tier nicht einmal den Teich benutzte, der ihm jetzt zur Verfügung stand, wo er doch wußte, daß weiße Bären sehr gerne baden, sprach er mit dem Wärter darüber. Der Wärter erklärte ihm, daß dieser Bär die Gewohnheiten eines engen Käfigs angenommen hätte. Er wäre so viele Jahre in einem kleinen Käfig ohne Teich eingeschlossen gewesen, daß er sich offenbar nicht mehr seiner größeren Bewegungsfreiheit bewußt werden oder sie benutzen könnte.
Diese Erklärung und die Lehre, die der Vortragende daraus zog, fesselten meine Aufmerksamkeit in solchem Maße, daß ich nicht mehr hörte, was er weiter zu sagen hatte. Ich erkannte, daß auch ich die Gewohnheiten des engen Käfigs angenommen hatte. Ich beschloß, einige weitere Aufschlüsse von diesem Zoologischen Garten zu erlangen, und auszufinden, ob alle Tiere in derselben Art auf solche Wechsel reagierten. Ich erfuhr, daß die Reaktionen von dem Intelligenzgrad der Tiere abhängig waren. Da erkannte ich, daß die Tiere, die keinen Fortschritt annehmen konnten, von dem Mangel an Bereitschaft für Wechsel gefesselt waren.
Dann fing ich an, meine eigenen Gedanken zu prüfen. Ich erkannte, daß die Gewohnheit, die mich antrieb, ein reines Haus zu reinigen, mich mit unnötiger Arbeit zu ermüden und dann Teilnahme zu erwarten, — ja, um größere Kraft zu beten, um diese sinnlose Gewohnheit weiterzuführen — einen Teil des Irrtums ausmachten, der mich mit jener Übermüdung belastete. Es wurde mir klar, wie gar oft ein Ausüber mich in einen weiteren Raum geführt und mir einen Weg zu größerer Freiheit gewiesen hatte, und wie ich unbewußt immer wieder in die Gewohnheiten des engen Käfigs der Materialität zurückgefallen war. Doch, wenn ich zurückschaue, so sehe ich doch auch wieder ein, wie jedesmal, wenn ich eine Heilung erlebt, oder weitere Erkenntnis durch meine Arbeit oder die eines anderen erlangt hatte, mein mentaler Käfig etwas weiter geworden war.
Ich wurde dazu geführt, die Wissenschaft mit Hilfe der Konkordanzen zur Bibel und zu den Schriften Mrs. Eddys zu studieren. Ich suchte Stellen auf, die mit dem Körper zu tun hatten, und ich las mit größerem Verständnis die folgenden Worte aus „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 425): „Das Bewußtsein baut einen besseren Körper auf, wenn der Glaube an die Materie besiegt worden ist,“ sowie auch (S. 228): „Wenn wir dem Befehl unsres Meisters folgen: ‚Sorget nicht für euer Leben,‘ werden wir niemals von körperlichen Zuständen, vom Bau des Körpers oder seiner Einrichtung abhängen, sondern wir werden Herr über den Körper sein, ihm seine Bedingungen vorschreiben und ihn durch Wahrheit gestalten und beherrschen.“ Durch das ernste Studium dieser Stellen und anderer begann ich zu verstehen, daß ich diese Wissenschaft nicht dazu benutzen konnte, einen schwachen, unharmonischen, müden Sterblichen zu einem starken, heiteren Sterblichen zu machen, daß ich jedoch durch mein Verständnis von Gott und dem Menschen in Seinem Bild und Gleichnis mein eigenes Denken so umwandeln konnte, daß mein Bewußtsein „einen besseren Körper“ aufbauen würde.
Das konnte jedoch nicht in einem Tag oder einem Monat bewerkstelligt werden. Das sterbliche Gemüt wollte immer noch Beachtung finden — selbst wenn es nur jener wertlose Gegenstand: „menschliche Teilnahme“ war. Die Gewohnheit zu denken, daß ich täglich wenigstens neun Stunden Schlaf haben müßte, und die Sorge, die es mir verursachte, wenn dies aus irgend einem Grunde nicht möglich war, mußte als sinnlos und beschränkend erkannt werden. Falscher Stolz auf ein tadellos reines Haus und tadellos reine Kinder mußte von einem höheren Begriff der Reinheit ersetzt werden. Das waren nur einige der Denkgewohnheiten, die in ihrem gemütlichen Heim meines Bewußtseins zu verweilen trachteten, und die von wahren geistigen Eigenschaften verdrängt werden mußten. Der langsame Fortschritt war manchmal recht entmutigend, und nur zu oft fiel ich in die alten Gewohnheiten zurück, bis die göttliche Liebe mich wieder herauszog.
Obwohl es nun schon lange her ist, daß ich keine Ermüdung mehr empfunden habe, kann ich mich noch deutlich an das Gefühl der Freude und des Wunders erinnern, als ich mir dessen zum ersten Mal bewußt wurde, daß die Kraft im göttlichen Gemüt, in Gott, wohnt, und daß sie immer gegenwärtig ist, daß sie mithin niemals im Körper oder abhängig vom Körper ist, und daß ich sie daher stets benutzen kann in dem Maße, wie ich anerkenne, daß sie unbegrenzt ist und jedermann jederzeit zur Verfügung steht. Ich finde jetzt, daß ich weniger Stunden Schlaf brauche denn je zuvor; meine Arbeit, die sehr zugenommen hat, wird in einem Teil der Zeit vollbracht, die sie vorher in Anspruch nahm; mein Studium der Wissenschaft scheint erleuchtet zu sein, und überhaupt kenne ich jetzt in gewissem Maße jene Freiheit, die dem Menschen im ersten Kapitel des Ersten Buches Mose zugesprochen wurde.
Das Wort „Dankbarkeit“ scheint gänzlich unzureichend zu sein, um mein Gefühl für unsre geliebte Führerin Mrs. Eddy, für ihr ihrem heiligen Werk geweihtes, ihre unermüdliche Treue gegenüber dem Prinzip, und ihren unbesiegbaren Mut zu beschreiben. Klassenunterricht rechne ich zu einer meiner größten Segnungen. Auch bin ich den Ausübern, die mir auf meinem Wege aufwärts mit unermüdlicher Geduld und Barmherzigkeit geholfen haben, aus tiefstem Herzen dankbar. Mitgliedschaft bei Der Mutterkirche und einer Zweigkirche ist ein Vorrecht, das kaum zu hoch bewertet werden kann. Für diese und zahllose andere Segnungen bin ich Gott immer dankbarer. — Healdsburg, Kalifornien, V.S.A.
