Wer kennt den Ursprung des Menschen, den Ursprung seiner eigenen Existenz, in seiner geistigen Bedeutung? Derjenige, der auf diese Frage antworten kann und richtig antwortet, der ist ausgerüstet mit Herrschaft über das Böse, und zwar mit bestimmter und heiliger Macht, das Bewußtsein des Guten als sein eigen festzustellen, und zu demonstrieren, daß solch ein Bewußtsein von dem Beweis begleitet ist, der von seiner Wirklichkeit Zeugnis ablegt. Er ist in dieser Weise ausgerüstet, weil er sich selbst kennt.
Die Antwort auf diese Frage betreffs des Ursprungs des Menschen mit der sie begleitenden Macht ist in der Christlichen Wissenschaft zu finden, und zwar für einen jeden, der sie von Herzen sucht, sie vertrauensvoll annimmt und ihre Wahrheit voll erfaßt. Diese Wissenschaft lehrt, daß Gott Ursache bedeutet; und Gott ist göttliches Gemüt, unendliche Seele, die Quelle alles geistigen Sinnes oder wahren Bewußtseins. Gott, die Seele, ist uranfänglich, — doch nur im Sinne von Ursprung, nicht Zeit. Die Seele bringt ihre Schöpfung hervor, indem sie Ideen bildet, die mit ihrer eigenen ewigen Gegenwart übereinstimmen. Diese Ideen sind ausgestattet mit dem Wesen ihres Urhebers, der Seele oder des Gemüts. Sie machen das geistige Weltall aus, einschließlich des geistigen Menschen, des einzigen Sprößlings des einen Gemüts.
Doch in hypnotischer Weise möchte ein anderes Gemüt, das in jeder Beziehung begrenzt ist, sein Daseinsbewußtsein geltend machen und Anspruch auf die Stellung des einen wahren Gemüts erheben. Dieser Anspruch ist die Sünde. Der Annahme nach ist die Sünde oder das sterbliche Gemüt die Quelle alles materiellen Sinnes und ist daher das Gegenteil der Seele. Doch das sterbliche Gemüt kann kein wirkliches Dasein haben, denn das göttliche Gemüt macht alle Wirklichkeit aus. Daher gehört das sterbliche Gemüt zu der Kategorie der Träumer und besitzt keine Wesenheit. Es träumt, daß es das wahre Gemüt oder die Seele nachahmt, indem es in Übereinstimmung mit seiner eigenen begrenzten, illusorischen Natur Begriffe bildet; und diese falschen Begriffe machen das materielle sogenannte Universum einschließlich des materiellen Menschen aus. Solche Begriffe sind voller Disharmonien, denn sie stammen nicht von dem wahren Ursprung, sondern von einem illusorischen Ursprung, dessen Gesetzlosigkeit sich in dem Mißklang und dem Widerstreit seiner mythischen Begriffe offenbart. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, legt diese Tatsache in einfacher, bündiger Form dar, wenn sie in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 262) sagt: „Die Grundlage der sterblichen Disharmonie ist eine falsche Auffassung von dem Ursprung des Menschen.“
Die Sünde träumt, daß sie ein Vater ist, und erhebt Anspruch darauf, ein Weltall hervorzubringen, das dem vom göttlichen Vater erschaffenen Weltall gleichkommt. Das sterbliche Gemüt, die Sünde, behauptet, das göttliche Gemüt oder die Seele nachahmen zu können. Daher sind die sogenannten materiellen Begriffe, welche die materielle Schöpfung ausmachen, Fälschungen der geistigen Ideen, welche die geistige Schöpfung ausmachen. Deshalb ignoriert der Christliche Wissenschafter nicht etwa die Materialität, sondern er durchschaut sie. Er unterwirft den angenommenen Ursprung der Materialität der durchdringenden Erkenntnis, die das wahre Gemüt widerspiegelt, bis die wahre Tatsache, nämlich das Nichts der Materialität, offenbar wird.
Bei der christlich-wissenschaftlichen Behandlung, das heißt, bei dem Beten, das aus Wahrheitserklärungen und dem Verständnis der Wirklichkeit besteht, wird das göttliche Gemüt als das einzige Gemüt des Menschen und des Universums erkannt, was die Anerkennung des sterblichen Gemüts — der Sünde — als Ursprung irgendeines Bewußtseinszustandes ausschließt. Mit andern Worten, die Seele, als Ursprung rechter Ideen, wird im Bewußtsein auf den Thron erhoben, wogegen die Sünde, in ihrem Anspruch, ein Gemüt zu sein, der angebliche Ursprung falscher Begriffe, entthront wird. Die Seele ist immerdar der wahre Urheber und widerlegt dadurch den Anspruch, daß es einen andern Urheber von irgend etwas geben kann, und dadurch vernichtet die ursprüngliche Seele die sogenannte Erbsünde, indem sie mittels der Entfaltung rechter Ideen die falschen Auffassungen in ihr Nichts zergehen läßt.
Daher können weder der sterbliche Mensch noch die sogenannten materiellen Dinge in der Christlichen Wissenschaft jemals das Opfer der Zerstörung werden. Das Adamsgeschlecht besteht angeblicherweise aus Opfern der Sünde oder des sterblichen Gemüts, da sie ohne ihr Zutun als Begriffe des sterblichen Gemüts gebildet werden und daher mit dem Wesen des sterblichen Gemüts oder der Sünde belastet sind. Demgemäß ist das sterbliche Gemüt oder die Sünde das Opfer der Zerstörung, und die Feststellung oder Anerkennung des göttlichen Gemüts als der Quelle des individuellen Bewußtseins bringt es zuwege. Bei dieser Anerkennung verschwinden Schmerz und Disharmonie, Hemmung und Mangel durch das Verstehen, daß sie nur angenommenerweise und besonders im sterblichen Gemüt existieren, das durch die anerkannte Gegenwart des einen göttlichen Gemüts zerstört wird. Der sterbliche Mensch wird jedoch nicht durch diese Behandlung geschädigt; sondern, im Gegenteil, ein Bewußtsein des Wohlseins statt des Unwohlseins, des Behagens statt des Unbehagens tritt in die Erscheinung, und so weicht der Begriff von der Gegenwart eines sterblichen Menschen der Erkenntnis von der wahren Selbstheit des Einzelwesens, dessen Ursprung in der Seele, in Gott, ist.
Beachtet, wie Mrs. Eddy diese Tatsache betont, wenn sie in ihrer Selbstbiographie „Rückblick und Einblick“ (S. 67) erklärt: „Der Sünder schuf weder sich selbst noch die Sünde, sondern die Sünde schuf den Sünder, d. h. der Irrtum machte seinen Menschen sterblich, und dieser Sterbliche war das Bild und Gleichnis des Bösen und nicht des Guten. Daher war und ist die Lüge sowohl gemeinschaftlich wie persönlich. Sie war keineswegs ein Teil von Adams Gedanken, sondern vermeintliche Selbstschöpfung. In den Worten unseres Meisters war sie — der ‚Teufel‘ oder das Böse — ‚ein Lügner und ein Vater der Lüge‘. “
Die scheinbare Vermischung des Guten und des Bösen, die wir menschliches Gemüt nennen, ist eine Falschheit. Das Gute hat seinen Ursprung in der Wirklichkeit, die Gott, die göttliche Seele darstellt; das Böse hat seinen angenommenen Ursprung in der Unwirklichkeit, der Sünde oder dem sterblichen Gemüt. Das Gute und das Böse haben nicht den gleichen Ursprung; daher sind sie einander unähnlich, haben keine Verwandtschaft miteinander und können sich nicht vermischen. Das Gute muß erhoben werden; die geistigen Ideen Gottes müssen immer klarer in die Erscheinung treten durch die volle Erkenntnis Gottes, der Seele, als des einzigen Ursprungs. So wird das Böse allmählich abnehmen, bis es gänzlich vernichtet ist. Die falschen Begriffe des sterblichen Gemüts werden immer mehr aus dem Bewußtsein verdrängt von der geistigen Erkenntnis, daß die Sünde nicht der Ursprung von irgend etwas sein kann.
Das sterbliche Gemüt kann Gott, das göttliche Gemüt, und die Ideen des Gemüts niemals schauen. Ebensowenig kann Gott, das göttliche Gemüt, jemals das sterbliche Gemüt und die Begriffe des sterblichen Gemüts wahrnehmen. Das göttliche Gemüt beschaut sich selbst und sieht Gutes; das sterbliche Gemüt dagegen beschaut sich der Annahme nach selber und sieht Böses. Das Gute und das Böse erheben irrigerweise Anspruch darauf, in einem sogenannten menschlichen Gemüt nebeneinander zu wirken. Doch das göttliche Gemüt, die Seele, und die Ideen dieses Gemüts sind das Alles-in-allem. Durch die Selbstbehauptung der Wahrheit wird das sterbliche Gemüt mit seinen falschen Begriffen in den mythischen Zustand der Nichtexistenz verbannt, die ihren Ursprung ausmacht. Denn das göttliche Gemüt, das doch alle Wirklichkeit kennt, weiß nichts von ihnen; daher existieren sie nicht. „Deine Augen sind rein, daß du Übles nicht sehen magst“, sagt der Prophet Habakuk (1:13) zu seinem göttlichen Vater, „und dem Jammer kannst du nicht zusehen.“
Wer ist daher der Mensch, der den Ursprung seiner Existenz kennt? Er ist ein jeder von uns in seiner wahren geistigen Selbstheit, in welcher Gott, unser Schöpfer, uns individuell schaut. Er ist das individualisierte Bewußtsein des Guten, das aus den geistigen Ideen der ursprünglichen Seele besteht, die dadurch, daß sie allen Raum füllt, und die Unendlichkeit besitzt, den Anspruch der Erbsünde und der Existenz irgendeines Menschen, der in der Sünde seinen Ursprung hat, zunichte macht.
