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Der Ausweg

Aus der August 1950-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als der Verfasser vor einigen Jahren eine weite Reise in einem entlegenen Teil von Kaschmir machte, fand er eines Abends, daß ihm der Weg scheinbar versperrt war in einem engen, sich windenden Tal, das mit dichtem Gebüsch überwachsen war, und durch das ein mit Schneewasser angefüllter Bergbach stürzte. Er wußte, daß sein Feldlager vorausgeschickt und irgendwo in der Nähe aufgeschlagen war, aber solang er keinen Weg finden konnte aus dem Tal heraus, konnte er es nicht sehen. Es war schon spät, und es regnete und war kalt, und es war keine einladende Aussicht, die Nacht unter einen Felsen gekauert zu verbringen. Immer wieder schien es, als ob das Tal sich doch öffnen müsse oder die Abhänge irgendwo weniger steil sein müßten, so daß er aus der Talsohle herausklettern könnte; aber in jeder Richtung kam er nur an eine Stelle, wo er schon einmal gewesen war, und nicht weit davon weg war eine andere Wendung. Dann brach plötzlich die Abendsonne durch die Wolken; ein Lichtstrahl erhellte das Tal, und der müde Wanderer sah, daß in einiger Entfernung offenes Land war. Einige Minuten später war er in einem ebenen, freien Feld, und in der Ferne konnte er das schon aufgeschlagene Zelt sehen, und unweit davon ein einladendes Feuer.

Als er nach Jahren wieder an diese Begebenheit dachte, fiel es ihm auf, welche Ähnlichkeit sie mit seinen späteren inneren Erlebnissen auf seinem Wege heraus aus dem Tal materieller Denkart hatte. Das kleine, enge, eingezwängte, versperrte Tal in Kaschmir war ein getreues Bild seines materiellen Lebens mit seinem wirren Durcheinander von Befürchtungen und Beschränkungen aller Art, insbesondere den mit dem Verdienen eines Lebensunterhalts verbundenen Sorgen und Ängsten. So oft hatte er gedacht, etwas erreicht zu haben; aber nach einer kurzen Wendung stieß er nur auf etwas, was schon oft vorher vorgekommen war, bis der Regen und Nebel verworrenen materiellen Denkens schließlich aus seinem Bewußtsein schwand, und das Licht der wahren Wissenschaft — der Erkenntnis Gottes und des wirklichen Seins des Menschen — erschien. Dann sah er seinen Weg klar vor sich und fühlte die Wärme und Liebe, mit der sein Vater ihm entgegenkam.

Er hat die Lehre keineswegs schon vollständig gelernt, aber er hat einigermaßen bewiesen, wie wahr Jesu liebevoller Rat ist (Matth. 6, 31. 33): „Ihr sollt nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? ... Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Er mußte sich herausarbeiten aus der Denkart, die ihn glauben ließ, daß das Verdienen des Unterhalts an erster Stelle im Leben stehe, und daß er nicht mitkommen oder nicht genug haben werde, wenn er nicht seine ganze Tatkraft und sein ganzes Denken dafür einsetze.

Der Wendepunkt und damit der Übergang von einem mühsamen Zusammenraffen zu einem glatten und sicheren Gehen kam, als er über die bekannte Stelle in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy (S. 269) nachdachte: „Die Metaphysik löst Dinge in Gedanken auf und tauscht die Dinge des Sinnes gegen die Ideen der Seele ein.“ Er hatte diesen Satz schon oft gelesen, aber nun hatte diese inspirierte Wahrheits-Erklärung unserer Führerin eine vollere Bedeutung für ihn. Zum erstenmal begann er das Weltall des Gemüts und seine Kundwerdung klar zu sehen. Und dieses Sehen gab ihm einen viel klareren Begriff vom Leben. Er las ferner in Wissenschaft und Gesundheit (S. 469): „Leben ist weder in noch von der Materie. Das, was Materie genannt wird, ist dem Geist unbekannt, der alle Substanz in sich schließt und ewiges Leben ist. Materie ist ein menschlicher Begriff. Leben ist göttliches Gemüt.“

Er sah aufs neue, daß Leben nicht in materiellen Dingen ist, sondern in Ideen oder Gedanken zum Ausdruck kommt. Und er erkannte, daß den Menschen alles Wesentliche zufallen würde, wenn sie dem Erlangen der Dinge des Geistes nur einen kleinen Teil der Zeit und Tatkraft widmeten, die sie gewöhnlich auf das Verdienen des Lebensunterhalts verwenden.

Wenn wir die Vollständigkeit, die Vollkommenheit und Fülle der wahren, geistigen Schöpfung auch nur in einem verhältnismäßig kleinen Maße erkennen, so werden wir frei von der Furcht, daß nicht genug für alle da sei. Ja, noch mehr, es zerstört den Drang, unserem Nächsten zuvorzukommen und andern unsern menschlichen Willen aufzuzwingen, damit wir im Erraffen von Nahrung und Kleidung oder einer Stellung und Macht nicht zurückbleiben.

Nur wenn die Menschen ihr Denken befreien von den Befürchtungen, die sich in Habgier, Wettbewerb, Beherrschung und so weiter äußern, können sie den Weg finden, der herausführt aus dem Tal der Not und der Krankheit, die heutzutage in der materiellen Welt so sehr vorherrschen. Denn sind sie etwas anderes als die äußeren Kundwerdungen der Furcht, des Selbstbedauerns und des Nichtverstehens des wahren Zustandes des Menschen — daß er das Bild und Gleichnis Gottes ist, das vollkommen und vollständig ist, dem nichts mangelt, das Gottes Sein ausdrückt?

Diese Vollständigkeit des Menschen ist die Wahrheit: sie bildet unser wahres, geistiges Erbe. Aber es genügt nicht, diese Tatsache nur festzustellen. Wir dürfen nicht bloß erklären, daß wir als Kinder Gottes ein rechtmäßiges Erbe haben, sondern wir müssen es beanspruchen und Gebrauch davon machen. Die Christliche Wissenschaft ist vor allen Dingen zweckdienlich, und wir machen nur in dem Maße Fortschritt, wie wir sie anwenden. Laßt uns also Furcht durch das vertrauensvolle Wissen ersetzen, daß unser wirkliches Sein Gottes Ebenbild und Widerspiegelung ist und nicht zweifeln, sondern wissen, daß Gott für Seinen Ausdruck, den Menschen, in reichem Maße sorgt, und daß Ungenüge oder Mangel irgend welcher Art kein Teil Seines Weltalls ist, ja, Ihm und daher Seinem Ausdruck unbekannt ist. Das ist der Weg, der heraus und höher, zu Freiheit, führt. Wenn wir diesen Weg gehen, lernen wir die unbedingte Wahrheit der Erklärung unserer Führerin in „Miscellaneous Writings“ (S. 307) erkennen: „Gott gibt dir Seine geistigen Ideen, und sie geben sodann dir, was du täglich brauchst. Bitte nie für morgen; es genügt, daß die göttliche Liebe eine immergegenwärtige Hilfe ist, und wenn du ohne je zu zweifeln wartest, wirst du jeden Augenblick alles haben, was du brauchst.“

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