Das Ende des Weges ist eine Fabel. Niemand kommt jemals an einen Ort, von wo aus er nicht in der rechten Richtung weitergehen kann. Niemand kann an einem Punkt anlangen, an dem Hindernisse seinen Fortschritt zur geistigen Selbsterkenntnis aufzuhalten vermögen. Nur der falsche Sinn, welcher der Nichtigkeiten müde geworden ist, legt sich nieder zu schlafen und träumt dann von einem Anlangen am Wegesende. Jemand, der vorwärtsschreitet, kann immer weiter vorwärtsschreiten in endlosem Ausdruck Gottes, des göttlichen Prinzips, in dem der Mensch stets tätig lebt.
Gott, die Seele oder der Schöpfer des Menschen, ist unendlich und kann daher niemals enden oder beendet werden. Deshalb ist der Mensch, die geistige Idee, durch welche Gott sich ausdrückt, sich nur der Endlosigkeit in jeder Ausdrucksform seines Seins bewußt. Auf verschiedene Weisen hat die große Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft Mary Baker Eddy die Unendlichkeit alles Wirklichen dargetan und so Trost und Heilung für den leidenden menschlichen Sinn gespendet, der glaubt — obwohl er sich vor dem Glauben graut — daß alles zu einem Ende kommt.
Das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ enthält zum Beispiel diese beruhigende Erklärung (S. 507): „Die Schöpfung erscheint immerdar, und der Natur ihrer unerschöpflichen Quelle nach muß sie immerdar weiter erscheinen.“ Die unerschöpfliche Quelle ist Gott; und der Mensch, das Erzeugnis Gottes, zeugt von Gottes Unerschöpflichkeit. Daher steht dem Menschen jede Gelegenheit für unendliche Wirksamkeit immerdar offen. Es gibt kein Ende für das, was wünschenswert ist für den Menschen; und ebensowenig kann es ein Ende geben für die Erfüllung rechtmäßigen Verlangens.
Diese geistigen Wahrheiten haben tiefe Bedeutung für das Menschengeschlecht. Wenn sie im Bewußtsein als Wahrheiten beherbergt werden, so äußern sie sich in unserm Leben in solch einer Weise, daß der menschliche Sinn ihre Gegenwart und ihre Wirklichkeit verstehen kann. Der Mensch, der jener falschen Suggestion nachgibt, daß er das Ende seiner Arbeitsfähigkeit erreicht hat, daß er an einem Punkt angelangt ist, wo nicht mehr auf einträgliche Beschäftigung zu hoffen ist, kann das geistige Gegenteil der Arbeitslosigkeit wirksam anwenden und auf diese Weise sowohl das falsche Gefühl, daß es ihm an nutzbringender Tätigkeit mangelt, sowie die scheinbaren Folgen eines solchen Mangels überwinden. Das geistige Gegenteil der Arbeitslosigkeit ist die wahre Idee von der wirklichen Selbstheit des Menschen, die das stetige nutzbringende Wirken des Bewußtseins des unendlichen Gemüts verkörpert.
Wer der falschen Vorstellung nachgegeben hat, daß für ihn eine Freundschaft, die ihm unendlich viel bedeutete, zu einem Abschluß gekommen ist, der kann diese irrige Auffassung überwinden und sie mit der geistigen Gegentatsache ersetzen, daß das Gefühl der Liebe, der Wärme, der Nähe, der hilfsbereiten Zuneigung, die zwischen den Ideen Gottes besteht, bleibend ist; daß weder die Liebe noch der Gegenstand der Liebe vergänglich oder zeitlich sein kann. Durch dies geistige Verständnis wird dem Bewußtsein sein normales Empfinden der Zuneigung und Freundschaftlichkeit wiedererstattet, und der Beweis, daß diese Gefühle wirklich und nicht abstrakt sind, wird in seiner Erfahrung in die Erscheinung treten.
Dies ist die Verheißung in bezug auf den Tod: daß die Vorstellung eines Endes ein völliges Wahngebilde ist; daß das Daseinsbewußtsein bleibend ist, daß es fortdauert und immerdar jedem individualisierten Ausdruck des Gemüts zugehört; daß jedes individualisierte Bewußtsein sich seiner eigenen Fortdauer geistig und vollkommen bewußt ist; daß ein individualisiertes Bewußtsein ein bestimmtes Sich-seiner-Selbst-bewußt-sein bedeutet, wie etwa das der wahren Selbstheit des Lesers dieses Leitartikels oder des Verfassers desselben, oder irgendeines Menschen irgendwo, der Leben verkörpert und sich dessen bewußt ist; und daß Bewußtsein eine Erkenntnis des Lebens und der vollen Genüge in sich schließt, vollkommene Selbsterkenntnis.
Laßt uns jedoch klar erkennen, wo dieser geistige Mensch ist, der Mensch, der niemals zum Ende kommt und niemals annimmt, daß er zum Ende kommt. Da der geistige Mensch die wahre Selbstheit von einem jeden von uns ausmacht — hier, jetzt und immerdar — kann er nie seine Besonderheit, seine Individualität verlieren. Das Bewußtsein eines jeden von uns besteht aus geistigen Ideen, und diese geistigen Ideen sind ewiglich unser; denn das Gemüt, dem sie entstammen, ist unser Gemüt, der ewige Gott. Im menschlichen Dasein erscheinen diese geistigen Ideen durch das Wirken der Liebe Gottes und Seines Christus, die im Denken willkommengeheißen werden zur allmählichen Zerstörung eines jeden sterblichen Begriffs, der wie ein suggestives Wahngebilde den Anspruch erhebt, einer jeden dieser geistigen Ideen zu widerstehen.
Mrs. Eddy sprach von Individuen, die unsere heutige Welt ausmachen — die es bisher getan haben und auch weiterhin tun werden — wenn sie in ihrem Werk „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 19) verheißt: „Wer den Namen Christi nennt, wer tatsächlich die göttlichen Forderungen der Wahrheit und Liebe in der göttlichen Wissenschaft angenommen hat, entfernt sich täglich mehr vom Bösen, und alle heimtückischen Versuche angeblicher Dämonen können niemals den Lauf solch eines Lebens davon abhalten, stetig Gott, seinem göttlichen Ursprung wieder zuzustreben.“
Das stetige Zustreben eines Lebens seinem göttlichen Ursprung zu überbrückt die sterbliche Erfahrung, die wir Tod nennen, und wird nicht von ihr berührt. Was kommt denn zu einem Ende? Müssen nicht die Leiden, die Niederlagen und die trostlosen Zustände der Sterblichkeit einmal zu einem Ende kommen? Die Antwort auf diese Fragen muß in der Wissenschaft immerdar sein und bleiben, daß das, was zu einem Ende kommt, dasjenige ist, was eigentlich nie einen Anfang gehabt hat. Nur ein Wahngebilde, das niemals wirkliche Existenz hatte, kann jemals aufhören zu existieren. Allein die Vorstellung eines materiellen Lebens kann jemals ausgelöscht werden. Nur die Vorstellung, daß wir die Materie kennen, fühlen, lieben und verkörpern, kann jemals sterben. Und dies Ende eines Wahngebildes stimmt nicht mit dem überein, was die Sterblichen Tod nennen. Ja, es hängt in keiner Weise mit dem sogenannten Tod zusammen. Der, Tod ist nur eine Phase in einem Traum von Sterblichkeit, der in einer hypnotischen Mentalität beherbergt wird, die sich selbst Gemüt nennt. Er hängt in keiner Weise mit Fortschritt zusammen. Er bezeichnet weder Fortschritt noch Rückschritt. Er beruht auf keinem Prinzip, keinem vorbestimmten Zeitpunkt, denn er hat keine wirkliche Existenz.
Das Ende des Wahnbildes eines Lebens in der Materie kommt zu jedem einzelnen Menschen mit dem Aufdämmern des geistigen Verständnisses. Da das geistige Verständnis immer gegenwärtig ist, verschwindet das Wahnbild eines Lebens in der Materie, wenn es mit dem Licht jenes Verständnisses durchleuchtet wird, nicht aber an einem beabsichtigten und planmäßigen Zeitpunkt. Entweder vor dem Tode, wie Christ Jesus veranschaulichte, kann möglicherweise das geistige Verständnis allen materiellen Sinn zerstören und so das Auftauchen des Wahnbildes des Todes verhindern, oder auch nach dieser Selbsttäuschung wird das sich weiter entfaltende geistige Verständnis im individuellen Bewußtsein allmählich allen endlichen Begriff von Selbstheit überwinden.
Daher gibt es kein Wegesende für irgend jemand. Es gibt nur ein Ende des Bösen, des materiellen Sinnes, durch die Demonstration — seitens jedes einzelnen Menschen — von der Gegenwart des geistigen Sinnes, der die illusorische Natur der materiellen Annahme beweist. Daher muß ein jeder immer weiter fortschreiten, seinem besten Wissen und Gewissen gemäß, in der Richtung zu größerem geistigem Verständnis hin — wie hemmend der sterbliche Sinn auch scheinen mag. Christus Jesus sagte (Matth. 24:13): „Wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig.“ Und Mrs. Eddy hat uns die folgende ermutigende Versicherung gegeben (Wissenschaft und Gesundheit, S. 254): „Wenn du mit deinem Nachen auf die immer bewegten, aber heilsamen Wasser der Wahrheit hinausfährst, wirst du Stürmen begegnen. Das Gute, das du tust, wird verleumded werden. Das ist das Kreuz. Nimm es auf dich, und trage es, denn durch dasselbe gewinnst und trägst du die Krone. Pilgrim auf Erden, deine Heimat ist der Himmel; Fremdling, du bist der Gast Gottes.“
